11.03.2022: Nicht nur China, auch Taiwan, Japan, Vietnam, … - ganz Asien steigert die Rüstungsausgaben. Der russische Einmarsch in der Ukraine gibt dem Wettrüsten im gesamten asiatisch-pazifischen Raum zusätzlichen Auftrieb.
"Das eigentliche Ziel der US-Strategie im Indopazifik ist die Schaffung einer asiatischen NATO." Aus dieser Perspektive, die Außenminister Wang Yi in seiner Rede am Eröffnungstag des Volkskongresses in Peking deutlich gemacht hat, leitet sich Chinas Weigerung ab, den russischen Einmarsch in der Ukraine ausdrücklich zu verurteilen.
China und Russland sind sich einig: Beide Länder lehnen eine weitere Expansion der NATO ab. In der gemeinsamen Erklärung von Xi Jinping und Putin bei ihrem Treffen bei der Eröffnung der Olympischen Winterspiele in der chinesischen Hauptstadt - und vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine - riefen sie das westliche Militärbündnis zur Abkehr von den Konzepten aus der Zeit des Kalten Krieges auf. Zudem verurteilen sie den AUKUS-Pakt [1], ein trilaterales Militärbündnis, das die USA, Australien und Großbritannien im Herbst vergangenen Jahres geschlossen haben.
Die chinesische Regierung gebraucht eine Anti-NATO-Rhetorik, die mit der Entwicklung im Indopazifik zusammenhängt. Das "Öl ins Feuer", das durch die immer wieder kritisierte Expansion der NATO nach Osteuropa gegossen wird, dient dem Narrativ, dass der Krieg in der Ukraine und mögliche künftige Kriege in der Verantwortung der USA liegen. Denn genauso wie Russland sich in Europa eingekreist fühlt, nimmt China Versuche der Einkreisung in Asien wahr. Wenn Wang die Vierergruppe aus USA, Australien, Indien und Japan – die QUAD [2] - in Anspielung auf das frühere Zögern Australiens und die Blockfreiheit Indiens als "Meeresschaum" bezeichnete, so hat sich inzwischen etwas geändert. Zunächst mit AUKUS, einer stärker bewaffneten Ergänzung zur QUAD.
Und nun zu den möglichen Folgen der Geschehnisse in Kiew.
Der russische Einmarsch in der Ukraine gibt dem Wettrüsten, das im gesamten asiatisch-pazifischen Raum bereits im Gange ist, zusätzlichen Auftrieb.
Nicht nur die NATO scheint sich an der europäischen Front zu verstärken, sondern auch in Asien werden die militärischen Partner der USA immer unruhiger und lauter, da sie über mögliche chinesische Aktionen besorgt sind. Die Befürchtungen beruhen auch - aber nicht nur - auf dem ungleichen Bündnis zwischen Xi Jinping und Putin. In diesem Sinne könnte sich die Allianz, die beim letzten Treffen zwischen den beiden Staatsoberhäuptern auf der Grundlage einer "umfassenden strategischen Partnerschaft" proklamiert wurde, als strategischer Bumerang erweisen.
Allianz China - Russland als "strategischer Bumerang"?
Die Intensivierung der chinesisch-russischen Beziehungen in einer Phase des Stellungskriegs mag sinnvoll sein, die Intensivierung trotz des Überfalls Russlands auf die Ukraine ist es weniger, denn sie erschwert die Erreichung des von der KPCh traditionell angestrebten Ergebnisses: einen Sieg ohne Kampf. Die regionalen Nachbarn, die schon vorher beunruhigt waren, sind jetzt noch mehr beunruhigt.
Sie wollen sich von den USA rückversichern lassen, die Beziehungen zueinander vertiefen und sind bereit ihre Staatskassen für höhere Rüstungsausgaben zu öffnen.
Taiwan hat gerade ein zusätzliches Verteidigungsbudget in Höhe von 8,55 Milliarden Dollar für den Kauf von Schiffen und Raketen bewilligt, deren Jahresproduktion von 207 auf 497 Einheiten gesteigert werden soll.
Japan wird im achten Jahr in Folge die höchsten Militärausgaben in seiner Geschichte haben: 47,2 Milliarden Dollar, mit dem Ziel, die Technologie der Armee gründlich zu modernisieren. Und der ehemalige Premierminister Shinzo Abe hat die USA aufgefordert, ihre strategische Halbherzigkeit in Bezug auf die Verteidigung Taiwans aufzugeben.
Südkorea, das in den letzten Jahren von den Demokraten um Moon Jae-in regiert wurde, hat seine Militärausgaben erhöht, allerdings mit einer Tendenz zu langsameren Wachstum. Nach dem Sieg des konservative Yoon Seok-youl bei der Präsidentschaftswahl am Mittwoch könnten sich die Dinge jedoch ändern, da er weniger dialogbereit gegenüber Pjöngjang ist und die Position Seouls zwischen Peking und Washington zugunsten der USA neu ausbalancieren wird.
Indien hat seine Militärausgaben um 5 % erhöht, aber das indische Verteidigungsbudget von 51,5 Milliarden beträgt weniger als ein Viertel des chinesischen.
Australien rüstet mit mehr Entschlossenheit auf und gibt 2,5 % seines BIP für Rüstung aus.
Die Aufmerksamkeit richtet sich auch auf Südostasien, die Region mit dem schnellsten Wachstum der Militärausgaben im Jahrzehnt 2009-2018 (+33%).
Der Haushalt Vietnams ist in dieser Zeit um fast 700 % gestiegen. Dieser Trend lässt nicht nach, sondern könnte sich nach den jüngsten Auseinandersetzungen mit Peking, das in den letzten Tagen Marineübungen vor der Küste Hanois durchgeführt hat, sogar noch verstärken. Symptomatisch war die freundliche Begrüßung der Fregatte "Bayern" der deutschen Kriegsmarine bei ihrem Besuch in Vietnam durch hochrangige vietnamesische Militärs.
Nach Rodrigo Dutertes Flirt mit China orientieren sich die Philippinen wieder auf die ehemalige Kolonialmacht und hat alle Verteidigungsabkommen verlängert. Für 2022 wird ein neuer Rekord bei den Militärausgaben vorausgesagt, mit einem Anstieg von 7,87 % gegenüber 2021.
China, das immer wieder beteuert, die Mentalität des "Kalten Krieges" aufgegeben zu haben, hat soeben mit Blick auf die verschärften Spannungen mit Taiwan, den USA und asiatischen Nachbarn eine Erhöhung der Militärausgaben um 7,1 % bekanntgegeben – bei einem erwarteten Wirtschaftswachstum von "rund 5,5 %".
China bewegt sich immer stärker in einem militarisierten Umfeld. Und der "Meeresschaum" läuft Gefahr, gepanzert zu werden.
verwendet: il manifesto, 10.3.2022: Effetto Ucraina, tutta l’Asia corre a comprare armi
Anmerkungen
[1] Aukus ist ein trilaterales Militärbündnis, das Mitte September 2021 zwischen Australien, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten geschlossen wurde.
siehe kommunisten.de, 20.9.2021: Anti-Chinesischer Militärpakt und "U-Boot-Krise" in der NATO
[2] Quadrilateral Security Dialogue, kurz: Quad, ist ein sicherheits- und militärpolitisch ausgerichteter Zusammenschluss der Staaten USA, Australien, Indien und Japan.
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