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Palestina Marwan Barghuthi Wand04.04.2021: Serie von Wahlen in Palästina ++ in letzter Minute hat der in Israel inhaftierte Palästinenserführer Marwan Barghouti sein Eintreten in den Wahlprozess bekannt gegeben ++ Barghouti tritt gegen die Fatah an ++ 36 Listen für die Parlamentswahl ++ Barghouti aussichtsreichster Kandidat bei Präsidentschaftswahl ++  Streit um Wahl in Ost-Jerusalem

 

Am 22. Mai finden die Wahlen für das palästinensische Parlament, den Palästinensischen Legislativrat, statt, die Präsidentschaftswahlen sind für den 31. Juli angesetzt, und die Wahlen zum Palästinensischen Nationalrat werden am 31. August durchgeführt.

Für die Parlamentswahl mussten die Listen bis um Mitternacht des 31. März bei der Zentralen Wahlkommission eingereicht werden.

 

Wahlen für drei Institutionen

Das Parlament, der "Palestinian Legislative Council" PLC" (Palästinensischer Legislativrat), repräsentiert nur die innerhalb der Autonomiegebiete lebenden Palästinenser. Das halten die Osloer Verträge fest, die 1993 von der Palästinensischen Befreiungs-Organisation (PLO) und Israel unterzeichnet wurden. Als Autonomiegebiete bezeichnet man das Westjordanland, den Gazastreifen und den östlichen Teil Jerusalems. Obwohl die Legislaturperiode des PLC nur vier Jahre dauert, fanden seit 2006 keine Neuwahlen statt. Bei der Wahl im am 25. Januar 2006 fand eine klare Machtverschiebung auf der Legislativebene in der palästinensischen Gesellschaft statt - die radikalislamische Hamas konnte sich mit 74 der 132 Sitze als stärkste Fraktion etablieren, die Fatah konnte dagegen nur noch 45 Sitze erringen. Mit der Hamas gewann aus Sicht von Israel und westlichen Staaten die falsche Kraft - sie akzeptierten des Sieg der Hamas nicht. Innenpolitisch folgte auf den Sieg der Hamas die Spaltung Palästinas. Die Hamas vertrieb die Fatah gewaltsam aus dem Gaza-Streifen und herrscht dort seitdem. Abbas und die Fatah-dominierte Autonomiebehörde regieren im Westjordanland. Einigungsversuche scheiterten immer wieder.

Die vier Millionen im Ausland lebenden Palästinenser werden nicht durch die Palästinensische Autonomie-Behörde (Palestinian National Authority, PNA) und somit auch nicht durch den Palästinensischen Legislativrat vertreten. Für sie sind die Dachorganisation PLO und deren Institutionen zuständig, wie etwa das Exekutivkomitee und der palästinensische Nationalrat "Palestinian National Council" PNC (Palästinensischer Nationalrat) - das Gesamtparlament der Palästinenser im In- und Ausland. Die Mitglieder des Legislativrates sind zugleich Mitglieder des Palästinensischen Nationalrates.

Die palästinensische Verfassung weist dem Präsidenten der Autonomiebehörde eine starke Rolle im politischen System zu. Er kann den Ministerpräsidenten ernennen bzw. entlassen, die im Legislativrat verabschiedeten Gesetze bedürfen seiner Zustimmung, er kann Dekrete mit Gesetzkraft erlassen, die allerdings der Zustimmung durch den PLC bedürfen, und er hat die Hoheit über die wichtigsten Sicherheitsorgane. Präsidenten der Autonomiebehörde ist seit 2005 der 85jährige Mahmud Abbas (auch Abu Mazen genannt). Seine Amtszeit endete 2009. Seitdem präsidiert er ohne demokratische Legitimation.

 

 

Mit Spannung wurde die Entscheidung des populären inhaftierten Fatah-Führers Marwan Barghouti über seine Kandidatur erwartet. Die Fatah hatte mit Besuchen im Gefängnis und bei seiner Frau versucht, Barghouti von einer Kandidatur abzuhalten und für die Unterstützung der offiziellen Liste der Fatah zu gewinnen.

Barghouti unterstützt "Hurriyeh"

Wenige Minuten vor Mitternacht war klar, dass Marwan Barghouti die Liste seiner Partei, der Fatah, bei den Wahlen am 22. Mai nicht unterstützen wird. Stattdessen wirbt er für die Liste "Hurriyeh" (Freiheit) von Nasser Qudwa, dem ehemaligen PLO-Botschafter bei der UNO und Neffen von Yasser Arafat, der letzten Monat auf Anordnung des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas aus der Fatah ausgeschlossen wurde.

Palestina Fadwa BarghoutiDie Anwältin und Frauenrechtsaktivistin Fadwa Barghouti, Barghoutis Ehefrau, wird den zweiten Platz auf der Liste einnehmen, gleich nach Nasser Qudwa. Nummer Drei auf der Liste ist ein anderer populärer Fatah-Aktivist, Abdel Fatah Hamiel, der ein Führer in der ersten Intifada war. Unter den 63 Kandidat*innen auf der Hurriyeh-Liste finden sich viele langjährige Mitarbeiter*innen und Unterstützer*innen von Marwan Barghouti.

"Wir hoffen, dass diese Liste zur Demokratie führen wird", sagte Fadwa Barghouti. "Wir haben diese Liste registrieren lassen und wir hoffen, dass sie Erfolg haben wird."

Marwan Barghouti selbst kandidiert nicht auf dieser Liste, weil er beabsichtigt, im Juli für das Amt des Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde (PNA) zu kandidieren. Laut Statut der PNA darf er deshalb nicht an den Parlamentswahlen teilnehmen.

Wer ist Marwan Barghouti

Marwan Barghouti wurde 1958 in dem Dorf Kobar im zentralen Westjordanland geboren. Er war Präsident der Fatah-Jugendbewegung, während er an der Birzeit-Universität Geschichte und Politikwissenschaften studierte. Er wurde erstmals 1976 von israelischen Streitkräften verhaftet, drei Jahre nachdem er Fatah-Mitglied geworden war.

Barghouti führte den militanten Flügel der Fatah während der Zweiten Intifada, dem Aufstand, der im Jahr 2000 im Zusammenhang mit dem Scheitern des Friedensprozesses ausbrach. Er verurteilte Angriffe auf Zivilist*innen innerhalb Israels. Trotzdem verhafteten ihn israelische Truppen am 15. April 2002 in Ramallah, auf dem Höhepunkt des Aufstandes. Er wurde nach Israel gebracht und einen Monat lang in Einzelhaft gehalten, ohne Rechtsbeistand verhört und dabei – nach eigenen Angaben – gefoltert. Zwei Jahre später, am 6. Juni 2004 wurde er von einem israelischen Gericht zu fünfmal lebenslänglich und 40 Jahren Gefängnis verurteilt.

Palestina Marwan Barghuthi PosterViele Palästinenser*innen sehen Barghouti als einen revolutionären Führer in der Form von Nelson Mandela oder Fidel Castro, unbefleckt von der Korruption der Palästinensischen Autonomiebehörde im Westjordanland oder der langjährigen Fehde zwischen Fatah und Hamas. Als ein lange inhaftierter Kämpfer wird er als jemand angesehen, der seine Freiheit für die Sache der palästinensischen Unabhängigkeit geopfert hat.

Im Jahr 2017 kam es maßgeblich auf seine Initiative hin zu einem Massen-Hungerstreik in israelischen Gefängnissen. (siehe kommunisten.de: "Warum wir in Israels Gefängnissen im Hungerstreik sind")

Hinter Gittern fordert Barghouti weiterhin einen palästinensischen Staat im Westjordanland, im Gazastreifen und im Osten Jerusalems - Gebiete, die Israel im Krieg von 1967 erobert hat. Umfragen zeigen immer wieder, dass er der beliebteste palästinensische Führer ist, mit Unterstützung aus dem gesamten politischen Spektrum. Auf jeden Fall ist Marwan Barghuthi eine Schlüsselfigur sowohl im Konflikt zwischen den beiden verfeindeten Palästinenserorganisationen Fatah und Hamas wie auch im Konflikt zwischen Israel und Palästina.

Barghouti und viele andere Mitglieder der Fatah wissen, dass die derzeitige Führung unter dem betagten Präsidenten Mahmud Abbas - der eine zunehmend autoritäre und unpopuläre Palästinensische Autonomiebehörde leitet, die es nicht geschafft hat, die nationale Einheit zu erreichen oder die palästinensischen Hoffnungen auf einen unabhängigen Staat voranzutreiben - das Vertrauen der Bevölkerung nicht mehr gewinnen kann. Der Riss zwischen der Fatah, die im Westjordanland regiert, und den Islamisten der Hamas im Gazastreifen hat die Frustration der palästinensischen Öffentlichkeit verschärft.

Barghouti for president?

Wenn Barghouti bei den geplanten Wahlen im Sommer als Präsident kandidiert, würde er sowohl Abbas als auch den Hamas-Führer Ismail Haniyeh leicht besiegen, so die Umfrage des Palästinensischen Zentrums für Politik und Umfrageforschung. Für Israel wird es dann nicht einfach sein, den gewählten PNA-Präsidenten hinter Gittern zu halten, trotz der fünf lebenslangen Haftstrafen und 40 Jahren Gefängnis, die er wegen "Terrorismus" verbüßt.

36 Wahllisten bei der Parlamentswahl

Der Zentralen Wahlkommission wurden bis Mitternacht des 31. März insgesamt 36 verschiedene Listen für die Parlamentswahl am 22. Mai vorgelegt.

Die offizielle Fatah-Liste wird vom stellvertretenden Parteivorsitzenden Mahmoud Alloul angeführt, gefolgt von Suad Zalloum, der Frau eines palästinensischen Märtyrers aus Hebron, dann Ahmad Hilles, Fatah-Führer im Gazastreifen, und dann Jibril Rajoub, Sekretär der Fatah. Drei der Top-10-Kandidaten auf der Fatah-Liste sind Frauen.

Die anstehenden Wahlen werden helfen, die Kluft zwischen Fatah und Hamas zu heilen, die Palästinenser*innen wieder zusammenzubringen und die nationale Einheit wiederherzustellen, hofft Jibril Rajoub in einem Interview mit Arab News. "Die Wahlen werden zu einem Ende dieser Spaltung führen", sagte er.

Die Hamas, deren Führung eine gemeinsame Liste mit der Fatah favorisiert hatte, erreichte ihr Ziel nicht, vor allem wegen des starken Widerstands der eigenen Basis und auch der Fatah. So reichte sie ihre eigene Wahlliste unter dem Namen "Jerusalem ist unser Ziel" ein, angeführt von dem einflussreichen Mitglied des politischen Büros, Khalil Al Hayya. Der Eintritt einer populären politischen Figur wie Barghouti in den Wahlprozess verringert die Chancen der islamistischen Bewegung, ihren Erfolg von 2006 zu wiederholen, erheblich.

Neben der Liste "Hurriyeh" zielt auch die Liste "Zukunft" auf die Wählerschaft der Fatah. Sie wurde von Anhänger*innen von Mohammed Dahlan eingereicht, einem ehemaligen hochrangigen Fatah-Funktionär, der sich mit Abbas zerstritten hat und jetzt in den Vereinigten Arabischen Emiraten lebt. Angeführt wird sie von dem ehemaligen Fatah-Führer Samir Masharawi aus dem Gazastreifen, auf Platz zwei ist der Jerusalemer Intellektuelle und ehemalige Präsident der Al-Quds-Universität Sari Nusseibeh.

Fadwa Khader, eine langjährige linke Aktivistin aus Jerusalem, führt eine vereinigte Liste der Palästinensische Volkspartei (PPP) und der Partei der Palästinensischen Demokratischen Union (FIDA) an. Die Bemühungen, eine breitere Einheit aller linken Parteien zu erreichen, scheiterten.

Die großen linken palästinensischen Organisationen Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) und die Demokratische Front zur Befreiung Palästinas (DFLP) haben ihre eigenen Wahllisten eingereicht. Die beiden führenden Personen auf der Liste der PFLP befinden sich im Gefängnis: Ahmad Saadat, der eine lebenslange Haftstrafe verbüßt, steht auf Platz 1, Khalida Jarrar, ein ehemaliger palästinensischer Parlamentarier, auf Platz 2 der PFLP-Liste "Pulse of the People".

Die Mehrzahl der übrigen Listen setzen sich aus kommunalen oder Stammesgruppierungen zusammen, die in der Vergangenheit nicht für politische Aktivitäten bekannt waren oder ein eigenes politisches Programm haben.

Am 6. April wird die palästinensische Wahlkommission bekannt geben, welche der eingereichten Listen an der Wahl teilnehmen können. Und einige schließen eine Überraschung nicht aus, nämlich dass ein "Fehler" bei der Registrierung die Hurriyeh-Liste von den Wahlen fernhalten könnte.

Es bleibt dann abzuwarten, ob die Wahlen tatsächlich stattfinden werden, angesichts der langjährigen Fehde zwischen Fatah und Hamas - und der sich ausweitenden Spaltungen innerhalb der Fatah.

Ost-Jerusalem könnte einen Vorwand für die Annullierung oder Verschiebung der Wahlen liefern.

Wahl in Ostjerusalem: "Schlüsselfrage im demokratischen Prozess"

"Es wird keine Wahlen ohne Jerusalem geben", sagte Azzam al-Ahmad, der auch Mitglied des regierenden Fatah-Zentralkomitees ist, in einem Interview mit Palestine TV. "Es ist ein Schlüsselfrage im demokratischen Prozess." Er kann sich dabei auf das Oslo-Abkommen berufen, mit dem als Autonomiegebiete das Westjordanland, der Gazastreifen und der östlichen Teil Jerusalems bezeichnet werden. Ahmad sagte, die Hamas-Bewegung, die den Gazastreifen regiert, sei damit einverstanden, dass die Wahlen nicht ohne die Bewohner Jerusalems abgehalten werden sollten.

Israel hat wiederholt Versuche abgelehnt, solche Wahlen in Jerusalem abzuhalten, das es trotz des umstrittenen Charakters der Stadt als israelisches Gebiet betrachtet und der Palästinensischen Autonomiebehörde verbietet, dort zu operieren.

Möglicherweise ein guter Vorwand für Abbas, die Wahlen zu verschieben. Solche Verschiebungen waren unter Abbas' Führung an der Tagesordnung.


mehr zu Marwan Barghouti auf kommunisten.de

Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
hier geht es weiter zum Text


 

 

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