29.07.2019: "Ich wurde an meinen Füßen gezogen und hochgehoben, in den Bauch getreten, und dann trat vor allem ein Soldat viermal mit voller Wucht auf meinen Kopf…Er stand auf meinem Kopf und zog an meinen Haaren, dann trampelte er auf meinen Hals, und andere begannen, auf meinen Oberkörper einzuschlagen. Es war eine sadistische Gewaltdemonstration".
Das ist die Aussage von Chris Lorigan, britischer Staatsbürger, der am Montag vergangener Woche (22. Juli) zusammen mit einer Gruppe anderer internationaler Aktivisten aus den USA, Frankreich, Spanien und Österreich versuchte, in Solidarität mit bedrohten palästinensischen Familien den Abriss von palästinensischen Häuserblocks in Ost-Jerusalem gewaltlos zu blockieren.
Nachdem Lorigan den Soldaten gegenüber erklärt hatte, dass er weggehen werde, schlugen sie weiter auf ihn ein und warfen ihn auf einen Tisch. Einmal versuchten sie auch, seine Hose auszuziehen. Lorigan erlitt einen Rippenbruch und schwere Blutergüsse an Brust, Beinen und Gesicht. Er musste in einem Krankenhaus in Ost-Jerusalem behandelt werden. Ebenso wie zwölf Palästinenser, die als Bewohner der abrissbedrohten Häuser in ihren Wohnungen geblieben waren. Sie litten unter den Folgen von Tränengasinhalation sowie Wunden von Gummigeschossen- Sie waren mit Tränengas aus ihren Wohnungen in den hinteren Treppenabgang vertrieben worden, wo zwei von ihnen mit aus nächster Nähe auf sie abgefeuerten gummiummantelten Stahlgeschossen verletzt wurden.
Es handelte sich um eine der größten israelischen Abrissaktionen der jüngsten Zeit. Rund 700, nach anderen Angaben 900 israelische Soldaten waren am Montag (22. Juli) um drei Uhr morgens mit schwerem Gerät, Abrissbaggern und Bulldozern in den ost-jerusalemer Stadtteil Sur Baher eingerückt, um unter Militärschutz den Abriss von etwa einem Dutzend palästinensischer Häuserblocks mit Wohnungen für mehrere hundert Menschen einzuleiten. Grund: Die Gebäudekomplexe, teilweise bis zu neun Stockwerken hoch und manche noch nicht ganz fertig, waren angeblich zu nahe an dem von Israel völkerrechtswidrig errichteten "Sicherheitszaun" gebaut worden, der durch die Ortschaft Sur Baher verläuft. Sie stellten deshalb eine "Gefahr" für die israelischen Grenzposten und nahegelegene israelische Siedlungen dar. Außerdem seien die Gebäude ohne Baugenehmigung errichtet worden.
Israelisches Militär zerstört ordnungsgemäß genehmigte Häuser
Sur Baher, mit rund 24 000 palästinensischen Einwohnern eine der größten palästinensischen Gemeinden in Ost-Jerusalem, liegt direkt an der Grenze zum Westjordanland, das gemäß dem Oslo-Abkommen von 1995 zwar weiter von Israel besetzt ist, dessen "Zone A" aber unter der ausschließlichen Verwaltung der "Palästinensischen Autonomiebehörde" steht. Ein Teil von Sur Baher, nämlich das Wadi al-Hummus, liegt jedoch nicht mehr innerhalb der Grenzen von Ost-Jerusalem, sondern bereits in der Zone A des Westjordanlands. Er ist folglich auch nicht mehr israelisches Staatsgebiet, obwohl Israel ganz Jerusalem illegaler Weise zum israelischen Staatsgebiet erklärt hat. Das hat zur Folge, dass in diesem Teil der Stadt für Baugenehmigungen nicht der israelische Staat, sondern die Palästinenserbehörde zuständig ist. Diese hatte aber die Errichtung der Gebäude ordnungsgemäß genehmigt.
Es ist also klar, dass die Abrissaktion, obwohl sich die extrem rechte israelische Regierung dafür auch ein entsprechendes Urteil des Obersten Gerichtshofes von Israel beschafft hatte, eine weitere Missachtung aller einschlägigen Völkerrechtsnormen und eine arrogante Anmaßung eines illegalen Besatzungsregimes gegen die Rechte der Palästinenser ist.
"Häuserabriss in Jerusalem, ein weiteres Kriegsverbrechen"
Der israelische Parlamentsabgeordnete Ofer Cassif von der Linksfraktion Hadash ("Demokratische Front für Frieden und Gleichberechtigung, zu der außer den Kommunisten und anderen linken Israelis auch Vertreter der arabischen Minderheit in Israel gehören) erklärte dazu, dass es sich bei den Häuserabrissen um "ein weiteres israelisches Kriegsverbrechen handle. Der Oberste Gerichtshof diene dabei "nur als Gütesiegel für Israels Apartheid-Politik". Die Zerstörung von Häusern sei "nur eine Taktik, die im Ganzen nur ein einziges Ziel hat, alle Palästinenser aus ihrer Heimat zu vertreiben".
"Dies ist ein weiteres israelisches Kriegsverbrechen""Der Oberste Gerichtshof dient als Gütesiegel für Israels Apartheidpolitik unter Verletzung des Völkerrechts. Die Häuser in Sur Baher wurden in den Bereichen A und B mit Genehmigung und in Übereinstimmung mit allen Gesetzen gebaut, und ihre Zerstörung bedeutete, Familien auf die Straße zu werfen. Dies ist ein weiterer Schritt der israelischen Regierung in Richtung ihrer Vision der Säuberung dieses Landes von der palästinensischen Bevölkerung, einer rassistischen Siedlervision, die einen hohen Blutzoll verlangt, vor allem von den Palästinensern, aber auch von der israelischen Öffentlichkeit". |
UNO verurteilt Abriss der Häuser
Auch die UNO hat den Abriss der Häuser in einer veröffentlichten Erklärung verurteilt. "Zerstörungen und gewaltsame Räumungen sind eine der vielfältigen Belastungen, die für viele Palästinenser im Westjordanland das Risiko einer gewaltsamen Vertreibung mit sich bringen". Die Erklärung warnt: "Vertreibung, besonders der Ärmsten, hat traumatische und lang anhaltende Folgen. Wir schließen uns anderen Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft an und fordern Israel auf, im Einklang mit seinen Verpflichtungen als Besatzungsmacht die Pläne zur Zerstörung dieser und anderer Strukturen aufzugeben und eine faire Planungspolitik zu entwickeln, die es den palästinensischen Bewohnern des Westjordanlandes einschließlich von Ost-Jerusalem ermöglicht, ihren Wohn- und Entwicklungsbedürfnissen nachzukommen".
Quellen (Internet): Morning Star v. 23.7, Humanité v. 24.7., tagesschau.de, 22.7., Homepage Kommunistische Partei Israels, 23.7., "Times of Israel, 22.7.
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