Internationales

Brasil Demo-Rio 2016-07-31 103.08.2016: Auch wenn Brasilien hierzulande aus den Medien weitgehend verschwunden ist, so bedeutet das nicht, dass es keine Proteste mehr gegen den Staatstreich geben würde. Kurz vor Eröffnung der Olympischen Spiele und wenige Wochen vor der endgültigen Entscheidung des Senats über eine Amtsenthebung von Präsidentin Dilma Rousseff sind am vergangenen Sonntag Hunderttausende auf die Straße gegangen. Weitere Mobilisierungen sind für die Eröffnung der Olympischen Spiele geplant.

In über 200 Städten des Landes folgten Hunderttausende dem Aufruf des Bündnisses "Povo Sem Medo" (Volk ohne Angst), Frente Brasil Popular sowie weiterer sozialer Bewegungen und linker Parteien. Allein in São Paulo protestierten 60.000 gegen den politischen Staatsstreich. Sie forderten die sofortige Absetzung der De-facto-Regierung und die Rückkehr Rousseffs ins Amt, ein Ende der sozialen Einschnitte und Privatisierungen sowie ein Plebiszit über die Frage von Neuwahlen. (siehe Artikel 'Politische Lager in Brasilien messen Kräfte vor Olympia' weiter unten)

Am Freitag hatte ein Gericht in der Hauptstadt Brasília eine Klage der Staatsanwaltschaft gegen Brasiliens früheren Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva angenommen. Ihm wird Behinderung der Justiz bei Ermittlungen der Operation 'Lava Jato' zu Korruptionsfällen um den halbstaatlichen Petrobras-Konzern vorgeworfen. Bei einer Verurteilung droht Lula der Verlust des passiven Wahlrechts. Lula weist alle Anschuldigungen zurück. Er ist nach wie vor der populärste Politiker Brasiliens und würde nach allen Umfragen vorgezogene Wahlen gewinnen. Deshalb will die Rechte unter allen Umständen verhindern, dass Lula antreten kann. Erst Anfang Juni hatte der Wahlgerichtshof mehrere regierende Politiker, darunter auch Interimspräsident Temer, wegen Vergehen im Wahlkampf für die kommenden acht Jahre von Wahlen ausgeschlossen.

In Brasilien ist umstritten, welche Bedeutung die Mobilisierungen auf der Straße haben, angesichts der soliden Mehrheit der Rechten im Kongress, die letztendlich über die Amtsenthebung von Dilma Rousseff entscheiden. Dazu meint Valter Pomar [1]: "Arbeiterpartei (PT), Gewerkschaftszentrale CUT, Bewegung der Landlosen (MST), Frente Brasil Popular und viele andere Organisationen stimmen in dieser Frage in zwei Punkten überein: Erstens, dass die Mobilisierung zwar ein wesentlicher Aspekt des Kampfes gegen den Putsch ist, aber dass es notwendig wäre, dass die Regierung selbst die Mobilisierung unterstützt. Es bringt wenig, wenn Hunderttausenden Menschen auf der Straße sind, aber die Regierung mit ihren Maßnahmen nicht mit den popularen Klassen übereinstimmt. Zweitens: Was auch immer im Parlament passieren wird, ohne populare Mobilisierung auf den Straßen, in den Betrieben, den Schulen, in den Stadtvierteln wird es keinen Weg geben, um die Regierung wieder zurückzugewinnen. Deshalb ist für uns die Mobilisierung sowohl aus taktischen und Gründen der Verteidigung, als auch aus strategischen und offensiven Gründen notwendig. In diesem Punkt haben wir Fortschritte gemacht. Von außen betrachtet mag es nicht so ausschauen, aber für uns ist klar, dass wir heute besser dastehen wie 2015. Heute können wir geschlagen werden, aber wenn das geschieht, fallen wir auf die Füße und nicht auf die Knie. Wir werden nicht demoralisiert werden, wie es bis Dezember 2015 das Risiko war. Und, wenn sie dich schlagen aber dich nicht demoralisieren, dann ist es leichter, den Weg der Veränderung wieder aufzunehmen."

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[1] Valter Pomar, war von 1997 bis 2005 Vize-Präsident der PT, von 2005 bis 2013 Exekutivsekretär des Foro Sao Paolo und Verantwortlicher für Internationale Beziehungen in der Direktion der Arbeiterpartei PT. Aktuell ist er Mitglied der Nationalen Leitung der PT und Professor für Internationale Politische Ökonomie an der Universidade Federal do ABC (Sao Paolo).

 

Politische Lager in Brasilien messen Kräfte vor Olympia

Kurz vor Beginn der Olympischen Spiele ist es am Sonntag in Brasilien zum Kräftemessen der politischen Lager gekommen. In über 200 Städten des Landes gingen zeitgleich Tausende Menschen sowohl für als auch gegen die suspendierte Präsidentin Dilma Rousseff und die Arbeiterpartei PT auf die Straße. Allein in São Paulo demonstrierten 60.000 Menschen für den Verbleib von Dilma Rousseff im Amt und gegen die neoliberale Politik der de-facto-Regierung unter Michel Temer. Es waren die größten Demonstrationen seit der vorläufigen Suspendierung Rousseffs Mitte Mai. Während die Zahl der Gegner Rousseffs deutlich geringer ausfiel als bisher, verzeichneten die Gegner der konservativen Interimsregierung leichte Zuwächse.

So schlossen sich landesweit Zehntausende den Protestmärschen des Bündnisses "Povo Sem Medo" (Volk ohne Angst) an, das soziale Bewegungen, Gewerkschaften und Basisorganisationen vereint. Diese forderten die sofortige Absetzung der De-facto-Regierung und die Rückkehr Rousseffs ins Amt, ein Ende der sozialen Einschnitte und Privatisierungen sowie ein Plebiszit über die Frage von Neuwahlen.

In São Paulo, wo nach Angaben des Bündnisses 60.000 Menschen gegen den "Putsch und die Politik des Kahlschlags" auf die Straße gingen, warnte die linke Politikerin Luiza Erundina (PSOL), durch die Eröffnung des Amtsenthebungsverfahrens sei die Souveränität der Bevölkerung auf die Probe gestellt. Durch die Absetzung der vom Volk gewählten Präsidentin durch das Parlament setze sich dieses mit scheinheiligen Argumenten über das Votum der Menschen hinweg.

Der Vertreter der Wohnungslosenbewegung (MTST), Guilherme Boulos, beklagte den sozialen Rückbau im Land seit der Amtsübernahme der Interimsregierung. "Unsere Rechte werden bedroht durch die Rentenreform, die Arbeitsreform, die Einschnitte in den Sozialprogrammen und den Rückbau des Gesundheitssystems", so Boulos.

Zuletzt hatte die Regierung aus Neoliberalen und Konservativen weitreichende Privatisierungen in den Bereichen Telekommunikation und Energie angekündigt und durchgeführt. Vergangenen Freitag war bekannt geworden, dass der staatliche Erdölkonzern Petrobras seine Förderrechte an einer Ölbohrung in der Bacia de Santos für 2,5 Milliarden US-Dollar an den norwegischen Konzern Statoil verkauft hatte. Nur einen Tag zuvor hatte die brasilianische Regierung die Anteile an der Petrobras Argentina im Wert von 880 Millionen US-Dollar dem argentinischen Konzern Pampa Energía übertragen. Der Koordinator der Gewerkschaft der Erdölarbeiter (Sindipetro) für den Norden Rios, Marcos Breda, forderte während des Protestmarsches im Zentrum von Rio de Janeiro ein Ende der Privatisierung der Petrobras.

Brasil Demo-2016-07-31Fast zeitgleich versammelten sich die Gegner Rousseffs an der Copacabana. Für Rogério Chequer, Anführer der konservativen Bewegung "Vem Pra Rua", sei der Rücklauf an Teilnehmern damit zu erklären, dass "die Leute davon ausgehen, dass der Senat der Amtsenthebung Rousseffs zustimmen wird". In den meisten Städten forderten Gegner von Dilma Rousseff und PT wie hier in Rio de Janeiro eine "Militärische Intervention", sprich eine Regierungsübernahme durch das Militär. (Foto. Mario Schenk/amerika21)

Die Spannbreite der Anti-Rousseff-Demonstrationen wird vor allem von der Opposition zur knapp vier Legislaturperioden regierenden Arbeiterpartei PT zusammengehalten. So machte in Rio de Janeiro einer der Veranstalter die Partei von Luiz Inácio Lula da Silva selbst für den kaputten Straßenbelag verantwortlich, obwohl Stadt und Bundesstaat seit Jahren von rechtskonservativen Parteien regiert werden. Derweil skandierten die Anhänger der Bewegung gegen Korruption (MCC) "Lula und Dilma ins Gefängnis". Während gegen Dilma Rousseff bis heute keine Verdachtsmomente auf Korruption vorliegen, scheinen die Mitglieder der MCC über die Delikte der teilweise wegen Korruption und Amtsmissbrauch vorbelasteten Mitglieder der Interimsregierung hinwegzusehen. Erst Anfang Juni hatte der Wahlgerichtshof geurteilt, dass mehrere regierende Politiker, darunter auch Interimspräsident Temer, wegen Vergehen im Wahlkampf die kommenden acht Jahre von Wahlen ausgeschlossen sind.

Ermittlungen gegen früheren Staatschef Luiz Inácio 'Lula' da Silva eingeleitet

Tatsächlich ist die politische Zukunft der De-jure-Präsidentin und des früheren Staatschefs da Silva ungewisser denn je. Ende vergangener Woche leitete die brasilianische Justiz ein Verfahren gegen Lula ein. Ihm wird vorgeworfen, laufende Ermittlungen durch die Beeinflussung von Zeugen behindert zu haben.

Mittlerweile ist auch der finale Prozess der Amtsenthebung gegen Dilma Rousseff vom Obersten Bundesgericht auf den 29. August terminiert worden. Dann hat der Senat eine Woche Zeit zu entscheiden. Mit einer endgültigen Entscheidung über den Verbleib Rousseffs im Amt ist am 5. September zu rechnen.

Unterdessen rufen in Rio de Janeiro die sozialen Bewegungen zu zwei Großdemonstrationen für den Olympiaauftakt am kommenden Freitag auf. Sie wollen sowohl gegen Zwangsumsiedlungen und Vertreibungen im Zuge der städtischen Umbauten für die Olympischen Spiele, als auch gegen die Interimsregierung Temer und ihre Politik der sozialen Einschnitte protestieren.

Übernommen von amerika21  https://amerika21.de
Foto oben: Povo Sem Medo/Facebook


 

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