11.12.2011: Eine Vielzahl lateinamerikanischer Länder hat die Klimaverhandlungen im südafrikanischen Durban (COP17) äußerst kritisch begleitet. Vor allem die Länder des linksgerichteten ALBA-Bündnisses drängten während der seit dem 28. November laufenden Verhandlungen auf ein verbindliches Abkommen mit konkreten Zielen zur Reduktion des CO2-Ausstoßes. Entsprechend brüsk wiesen sie einen hinter verschlossenen Türen ausgearbeiteten Textvorschlag zurück, der den Delegierten vorgelegt wurde. "Wir haben zwei Dokumente erhalten, die aus unserer Sicht etwas sehr gefährliches für den Planeten bedeuten", kritisierte der bolivianische Repräsentant René Orellana den Entwurf. Darin sollte die Ausarbeitung eines Nachfolgeabkommens für das Kyoto-Protokoll auf die Zeit nach 2020 verlegt werden.
Auch der bolivianische Vizepräsident Álvaro García Linera hatte in den letzten Tagen des Klimagipfels in Durban die entwickelten Länder scharf angegriffen. Die "groteske Akkumulation" des Kapitals führe die Menschheit in ein ökologisches Desaster, sagte Boliviens Vizepräsident bei seiner Rede am vergangenen Mittwoch. Er wandte sich deutlich gegen Mechanismen, nach denen die weniger entwickelten Länder für die Industriestaaten die Rechnung zahlen müssten. Insbesondere kritisierte er, dass Staaten wie Bolivien für den Schutz der Wälder oder des Wassers sorgen würden, während einige wenige besonders entwickelte Staaten Schuld am unabänderlichen Klimawandel hätten. García Linera wiederholte die Position seines Landes gegen einen Klima-Kapitalismus und stellte fest, dass nur radikale und unverzügliche Kompromisse der Industriestaaten das tragische Schicksal der Menschheit abwenden werden.
Als Alternative schlug der Vizepräsident Boliviens vor, die Sichtweise der indigenen Völker der Welt zu übernehmen. Diese würden die Erde als 'Mutter' und organische Ergänzung der Subjektivität sehen und nicht als Reservoir für Rohstoffe. Die kapitalistische Moderne hingegen führe zur Selbstzerstörung der Gesellschaft. Des weiteren kritisierte García Linera die USA dafür, weder das Kyoto-Protokoll unterzeichnet zu haben, noch etwas gegen den Ausstoß von Klimagasen zu unternehmen.
Wie der Vizepräsident seines Landes kritisierte auch der ehemalige UNO-Botschafter Boliviens, Pablo Solon, Mitte der Woche den 17. Klimagipfel, der seit Anfang vergangener Woche bis dahin ohne zählbare Ergebnisse tagte. "Es ist die dritte Wiederholung von Kopenhagen und Cancún", schrieb er mit Blick auf die vorangegangenen Gipfel auf seiner Website. Dabei werde Durban noch schlimmer werden, prophezeite Solon, der an den beiden genannten Treffen beteiligt war. Vergangenes Jahr noch hatte Solon im Namen seines Landes als Einziger das Abschlussdokument in Cancún ablehnte. In diesem Jahre war ein deutlich wirksamerer Zusammenschluss der lateinamerikanischen Länder in Durban spürbar.
Nach zähem Ringen bis in die Morgenstunden einigten sich die Delegationen aus 190 Ländern am Sonntag schließlich zumindest auf einen 'Fahrplan' zu einem neuen Klimavertrag. Demnach soll der Kyoto-Vertrag, der die Industriestaaten auf völkerrechtlich verbindliche Zielwerte für den Ausstoß von Treibhausgasen verpflichtet, verlängert werden. Das 1997 geschlossene Abkommen wäre ansonsten im kommenden Jahr ausgelaufen. Die USA als größter Pro-Kopf-Produzent von CO2 bleibt damit zumindest für das kommende Jahrzehnt weiter außen vor. Ab 2020 soll ein neuer Vertrag das Kyoto-Protokoll ersetzen und auch die Schwellenländer einbeziehen. Die Gastgeberin des Gipfels und südafrikanische Außenministerin, Maite Nkoana-Mashabane, nannte das Ergebnis einen "historischen Meilenstein" im Kampf gegen den Klimawandel.
Insbesondere Ecuador hatte sich im Laufe der Verhandlung für die Einrichtung eines 'Grünen Klimafonds' (GCF) stark gemacht, der schließlich ebenfalls am Sonntag verabschiedet wurde. Durch ihn sollen Hilfsgelder aus den Industrieländern an die so genannten Entwicklungsländer gezahlt werden.
Brasilien als einziges Schwellenland unter den lateinamerikanischen Staaten hielt sich während der Verhandlungen mit den Kritiken zurück. Die Präsidentin des Landes, Dilma Rousseff, sprach sich vor allem für eine Fortführung des Kyoto-Protokolls aus. Dies sei "essentiell", sagte Rousseff nach Medienberichten. Ein neues verbindliches Abkommen, wie es nun erst ab 2020 geplant ist, würde auch Brasilien auf eine stärkere Reduzierung der Produktion von Treibhausgasen verpflichten. Vom Kyoto-Abkommen ist das südamerikanische Land hingegen nicht direkt betroffen.
Auch rechts-regierte Länder Lateinamerikas setzten sich für klare Ergebnisse in Durban ein. So erklärte der Präsident Kolumbiens, Juan Manuel Santos, kein Ergebnis ohne konkrete Ziele zu akzeptieren. Er habe den kolumbianischen Umweltminister, Frank Pearl, instruiert, Allianzen zu schmieden, um "jedwede Erklärung, die keine konkreten Verpflichtungen enthält" zurückzuweisen. Kolumbien wird derzeit von massiven Regenfällen heimgesucht, die bereits 141 Menschenleben gekostet haben. Und bereits im vergangenen Jahr litt das Land unter einer Regenkatastrophe.
Quelle: Lateinamerikaportal amerika21.de (Jan Kühn u.a.) / Foto: wwf@cop17