05.02.2021: Der russische Impfstoff Sputnik V wird mittlerweils in mehr als 15 Ländern im Kampf gegen Corona eingesetzt. In der Europäischen Union herrscht Mangel an Impfstoff. Russland hat der EU 100 Millionen Dosen in Aussicht gestellt. Doch die Zulassung von Sputnik V hängt in der EU-Warteschleife. Ein Vorteil für die "westlichen" Impfstoffproduzenten.
Britische Wissenschaftler*innen haben die russischen Angaben überprüft und sie bestätigen die Angaben aus Moskau. Der russische Impfstoff Sputnik V hat laut einer Studie im Fachblatt "The Lancet"[1] eine Wirksamkeit von 91,6 Prozent – ähnlich den Vakzinen von Moderna und BioNTech/Pfizer und höher als das Mittel von AstraZeneca.
Im Gegesatz zu den Impfstoffen von Moderna, BioNTech/Pfizer und AstraZeneca muss er, wenn er gefriergetrocknet und vakuumverpakt wird, weder tiefgekühlt (Biontech/Pfizer und Moderna) noch gekühlt (AstraZeneca) werden. Damit wird er entscheidend für die Bekämpfung des Virus im globalen Süden.
Sputnik V wurde vom staatlichen Gamaleja-Institut in Moskau mit Mitteln des staatlichen Russian Direct Investment Fund (RDIF) entwickelt und wird in Produktionskapazitäten seiner Portfoliounternehmen R-Pharm und Binnopharm, einem Teil der Alium Group, produziert. In anderen Ländern startet die Massenproduktion in Partnerschaft mit lokalen Staatsfonds, darunter Indien, Südkorea und Brasilien, sowie in China, Saudi-Arabien und die Türkei. Sputnik V soll noch in diesem Jahr mit einer gigantischen Produktionskapazität von 1,4 Millarden Dosen produziert werden. [2]
Sputnik V wird auf dem internationalen Markt für weniger als 10 US-Dollar pro Dosis verkauft. Zum Vergleich: Eine Dosis des Mittels von Moderna schlägt mit rund 37 US-Dollar zu Buche, der von BioNTech und Pfizer entwickelte Impfstoff kostet etwa 20 US-Dollar pro Injektion. Für die Impfung einer Person sind zwei Dosen erforderlich.
Sputnik V in der EU-Warteschleife
In der Europäischen Union herrscht Mangel an Impfstoff. Russland hat im Januar einen Zulassungsantrag für Sputnik V bei der Europäische Arzneimittelagentur (EMA) eingereicht und der EU 100 Millionen Dosen in Aussicht gestellt. Doch die Zulassung von Sputnik V hängt in der EU-Warteschleife.
Zwar hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einem Treffen mit Fraktionen im EU-Parlament das Interesse an Sputnik V bestätigt - jedes Vakzin sei "herzlich willkommen" -, aber es müsse von der EMA nach entsprechenden Prüfungen und vorliegenden Testdaten empfohlen werden. Expert*innen in Brüssel rechnen deshalb nicht damit, dass eine solche Zulassung in absehbarer Zeit – also etwa noch im Februar – erfolgen könnte.
Als Begründung wird herangezogen, dass die EU mit Russland in Sachen Impfstoffe keine wechselseitige Anerkennung »guter Herstellungspraxis« habe. Dass Sputnik V bereits in mehr als 15 Ländern registriert ist, darunter Länder Nord- und Südamerikas, im Nahen Osten, Asien und Afrika und weltweit bereits mehr als zwei Millionen Menschen mit dem russischen Vakzin geimpft wurden, spielt nach derzeitigem Stand für die EU anscheinend keine Rolle.
Die Versicherungen des Gamaleja-Institut, nach den ICH-Leitlinien »Gute Klinische Praxis« für die EU, Japan und die USA [3] zu arbeiten, scheinen den EU-Instituionen nicht glaubwürdig. Sie kommen ja aus Moskau. Ebenso werden die Angaben der Produktionsbetriebe, nach den internationalen Richtlinien zur Qualitätssicherung des ICH [4] zu produzieren, in Zweifel gezogen.
Und so heißt es von Expert*innen aus Brüssel, die EMA müsse vor einer Zulassung von Sputnik V zunächst einmal die Herstellungsanlagen in Russland inspizieren, um zu klären, ob diese auch den EU-Standards genügen. Und solche Überprüfungen, so sie die russischen Firmen überhaupt zulassen, sind natürlich recht zeitintensiv.
Trotz des Impfstoffmangels schiebt die EU die Zulassung von Sputnik V auf die lange Bank. Nach dem Motto: Besser kein Impfstoff als ein russischer. Allerdings dürfte es hier weniger um geopolitische Spannungen oder Ideologie gehen, sondern um die Profite der europäischen und us-amerikanischen Pharma-Konzerne.
"Mit der Aussicht auf milliardenschwere Geschäfte mit den neuen Vakzinen sind die Aktienkurse einiger Impfstoffhersteller in die Höhe geschossen. So hat sich der Wert von BioNTech im vergangenen Jahr verdreifacht - auf inzwischen fast 27 Milliarden Dollar. Hinter diesem Höhenflug steht die Erwartung, dass das Unternehmen im laufenden Jahr einen Umsatz von gut 6,5 Milliarden Euro und einen Vorsteuergewinn von 4,4 Milliarden Euro erzielen wird - verglichen mit einem Verlust von 270 Millionen Euro bei einem Umsatz von knapp 500 Millionen im letzten Jahr. ...
Gesetzte Pharmakonzerne wie die weltweite Nummer drei der Branche, das US-Unternehmen Pfizer, werden ebenfalls an den Covid-Impfstoffen mitverdienen. Der New Yorker Konzern erhofft sich im laufenden Jahr von dem gemeinsamen Vakzin mit BioNTech Einnahmen von 15 Milliarden Dollar, was rund ein Viertel des Gesamtumsatzes entspricht. ... Der Gewinn pro Aktie dürfte nach derzeitigen Annahmen um 40 Prozent auf 3,10 bis 3,20 Dollar steigen." (Tagesschau, 02.02.2021) [5]
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Der ungarische Sonderweg
Ungarns nationalistischer Regierungschef Victor Orban nutzt dieses Nicht-Handeln der EU einmal mehr, um aus dem EU-Zug auszuscheren und die nationale Karte zu ziehen. Ihm ist die EU einfach zu langsam in der Beschaffung von genügend Impfstoff, und so hat er Sputnik V per Notfallgenehmigung zugelassen und in Moskau kurzerhand zwei Millionen Impfdosen geordert.
″Es geht nicht, dass Menschen in Ungarn sterben, weil Brüssel bei der Beschaffung der Impfung zu langsam ist. Das ist nicht akzeptabel. Wir müssen die Impfung besorgen.″
Viktor Orban
Anmerkungen
[1] https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(21)00234-8/fulltext
[2] https://sputnikvaccine.com
[3] Gute Klinische Praxis (GCP, Good Clinical Practice) sind ein internationaler ethischer und wissenschaftlicher Standard für Planung, Durchführung, Dokumentation und Berichterstattung von klinischen Prüfungen am Menschen. Erstellt werden die Richtlinien vom International Council for Harmonisation of Technical Requirements for Pharmaceuticals for Human Use (ICH). Die Zielsetzung dieser ICH-GCP-Leitlinie ist es, für die Europäische Union (EU), Japan und die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) einen einheitlichen Standard zu schaffen, der die gegenseitige Anerkennung klinischer Daten durch die Zulassungsbehörden in den jeweiligen Zuständigkeitsbereichen fördert. (Wikipedia)
[4] Internationale Richtlinien zur Qualitätssicherung der Produktionsabläufe und -umgebung in der Produktion von Arzneimitteln und Wirkstoffen (englisch Good Manufacturing Practice, abgekürzt GMP). Entsprechende Richtlinien für den Arzneimittelbereich sind beispielsweise durch die Europäische Kommission, durch das Pharmaceutical Inspection Co-Operation Scheme (PIC/S), durch die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) sowie auf globaler Ebene durch das International Council for Harmonisation of Technical Requirements for Pharmaceuticals for Human Use (ICH) erstellt worden. (Wikipedia)
[5] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/impfstoff-geld-verdienen-101.html