30.01.2019: Die von Syriza geführte Regierung in Griechenland unter Ministerpräsident Alexis Tsipras hat fünf Monate nach Auslaufen der Kreditprogramme die Erhöhung des Mindestlohns beschlossen. Demnach soll der Mindestlohn um 11% von 586 Euro auf 650 Euro steigen. Großer Gewinner der Erhöhung sind junge Beschäftigte unter 25 Jahren mit zusätzlichen 140 Euro brutto auf dem Gehaltszettel. Für sie steigt der Mindestlohn um 27% von 510 auf 650 Euro. Die neue Lohnuntergrenze soll ab dem 1. Februar gelten und muss vom Parlament noch gebilligt werden.
614.044 Beschäftigte in der Privatwirtschaft - 33% der Arbeitskräfte im privaten Sektor - werden direkt von der Gehaltserhöhung profitieren, während weitere 200.000 indirekt davon profitieren werden, da die Erhöhung auch 24 Sozialleistungen wie Heiratsgeld, Langzeitarbeitslosengeld und andere betrifft. Das Arbeitslosengeld wird von 360 auf 400 Euro erhöht. Für 620.000 Rentner*innen wurden bereits die Renten erhöht; eine von den internationalen Gläubigern diktierte Rentenkürzung wurde nicht umgesetzt.
Der "Sachverständigenausschuss" hatte Berichten zufolge grünes Licht nur für einen Anstieg von 5% bis 6% gegeben. Tsipras widersetzte sich der Empfehlung. "Wir glauben nicht, was »Experten« behaupten, dass Lohnsenkungen Voraussetzung für Entwicklung sind", sagte der griechische Premierminister.
" extreme Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten korrigieren"
"Das Ziel der Regierung ist es, die extremen Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten zu korrigieren, die während der Laufzeit der Memoranden entstanden sind, und wir glauben, dass die Entscheidung für die Erhöhung des Mindestlohns ein sehr wichtiger Schritt ist", erklärte der stellvertretende Wirtschaftsminister Stergios Pitsiorlas (Foto links) am Dienstag (29.1.) im Radiosender "Praktoreio". "Wir wollen lohnbezogene Fragen regeln und langsam zur Normalität zurückkehren und nicht so niedrige Gehälter haben. Natürlich sind wir uns voll und ganz bewusst, dass wir noch am Anfang stehen, dass dies nur ein Schritt ist, dem natürlich Entwicklungsmaßnahmen folgen müssen, Hilfsmaßnahmen, die auch auf Unternehmen abzielen. Es gibt einen Gesamtplan, und ich glaube, dass die Kritik der Oppositionsparteien verwirrt und unbegründet ist", sagte Pitsiorlas.
Pitsiorlas ergänzte: "Die Regierung hat einen umfassenden Plan. Der erste besteht darin, mit einer Reihe von Maßnahmen zu versuchen, den sozialen Zusammenhalt zu stärken und den sozialen Schichten zu helfen, die während der Zeit der Memoranden die größten Verluste erlitten haben. Das zweite ist, die Reformen in allen Sektoren fortzusetzen, das dritte ist, zu Wachstumsmaßnahmen überzugehen und schließlich die Position des Landes als Ganzes zu sichern", sagte er und fügte hinzu, dass dieses Programm gleichzeitig umgesetzt wird und erste Früchte tragen wird.
Alexis Tsipras erklärte, dass "trotz aller Fehler, die wir in all den Jahren gemacht haben, kann uns niemand vorwerfen, dass wir unsere Werte und Prinzipien über Bord geworfen hätten und keinen Beitrag dazu leisten, dass Griechenland vorankommt, dass die Wirtschaft vorankommt und dass das Land seine Position auf der internationalen Bühne verbessert".
Die Erhöhungen kommen also sieben Jahre nach dem Schock von 2012, als die Nea Demokratia/PASOK Koalition über Nacht den Mindestlohn von 780 Euro auf 586 (-25%) Euro und für die Jugend auf 510 (-32%) senkte. Die brutale Maßnahme wurde den Griech*innen unter dem Druck des Internationalen Währungsfonds mit der Geschäftsführerin Christine Lagarde aufgezwungen, um - wie es hieß - die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft zu erhöhen. Das Ergebnis ist bekannt: Armut, wirtschaftlicher Zerfall und explodierende Arbeitslosigkeit.
Neben den jetzigen Lohnerhöhungen zeigte sich zum Ende des Jahres 2018 auch eine verbesserte Situation hinsichtlich der Beschäftigung am griechischen Arbeitsmarkt. Arbeitsministerin Effie Achtsioglou (Foto links) sagte in einem Interview: "Sowohl die internationalen Erfahrungen als auch die jüngsten Untersuchungen zeigen, dass die Erhöhung des Mindestlohns keine negativen Auswirkungen auf die Beschäftigung hat. Im Gegenteil. Schauen wir nach Portugal, wo die Regierung die jährliche Erhöhung des Mindestlohns schrittweise vornahm, und gleichzeitig ging die Arbeitslosigkeit zurück. Siehe das umgekehrte negative Beispiel Griechenlands im Zeitraum 2012-2013. Im Jahr 2012 wurde der Mindestlohn in unserem Land um 25 % gekürzt und für junge Menschen sogar um 32%, und schon im nächsten Jahr stieg die Arbeitslosigkeit auf Rekordniveau von 28 %."
Laut Arbeitsministerin Effie Achtsioglou wurden in den zurückliegenden vier Jahren mehr als 375.000 neue Arbeitsplätze geschaffen, alleine im vergangenen Jahr 83.508, von denen 72% in Vollzeit sind. Zurzeit liegt die Arbeitslosenquote bei rund 18% und ist somit seit 2013 um fast 10%-Punkte gesunken.
Nach Überstehen des Misstrauensvotum und der Ratifizierung des Prespa-Abkommen ist die Erhöhung des Mindestlohns ein weiterer Erfolg der griechischen Linksregierung unter Tsipras, die sich im Herbst erneut den Wähler*innen stellen muss.
txt: stefanos
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