16.01.2018: Am Samstag (13.1.) demonstrierten in Wien Zehntausende gegen Österreichs neues Regierungsbündnis aus der konservativen Volkspartei (ÖVP) und der rechtsextremen Freiheitlichen Partei (FPÖ) ++ die Demo im Schnelldurchlauf ++ Dokumentiert: Die Rede von Lisa Mittendrein (Attac Österreich)
"Es tut unglaublich gut hier zu sein und zu sehen, wie viele wir sind" sagte Lisa Mittendrein (Attac Österreich) auf dem Wiener Heldenplatz zu den Zehntausenden, die der neuen Regierung einen "Neujahrsempfang" bereiteten. An die 60.000 Menschen waren dem Aufruf zu einer ersten Demonstration gegen die neue Regierung gefolgt. Bei der Bundestagswahl Mitte Oktober war die konservative ÖVP stärkste Kraft geworden. Mitte Dezember stellte Kurz seine Regierungsmannschaft vor: Sechs Ministerien, darunter das Innen-, Außen-, Verteidigungs- und Sozialministerium werden nun von der rechtsextremen FPÖ geleitet. FPÖ-Chef Christian Strache fungiert als Vizekanzler. (siehe: Ein Versuch, das Desaster zu lesen)
Der Protest richtet sich gegen die rassistische Flüchtlings- und gegen die Sozialpolitik der Koalition unter ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz. So sei es z.B. Ziel der Regierung, "den größten Non-Profit-Bereich Österreichs, die noch nicht auf Gewinnerzielung orientierte Sozialversicherung, in profitorientierte, private Hände umzuleiten", erklärt Gesundheitsexperte Wilfried Leisch auf mosaik.
Hauptmotiv für die Demonstrant*innen dürfte jedoch die rassistische Flüchtlingspolitik der ÖVP-FPÖ-Regierung sein. Der österreichische Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hatte am Donnerstag (11.1.) mit der Äußerung noch zusätzlich für Empörung gesorgt, er wolle Asylbewerber künftig "konzentriert" in Grundversorgungszentren unterbringen. Neben den Verschärfungen für Arbeitslose, Alleinerziehende und auch Flüchtlinge war es nicht zuletzt diese unfassbare verbale Entgleisung, die die Menschen auf die Straße brachte. "Konzentrier dich selbst" und "Kick out Kickl", antworteten ihm Transparente bei der Demonstration am Samstag.
Auf einem Flugblatt der KPÖ hieß es: "Schwarz-Blau II steht für weitere Umverteilung zu den Reichen. Schwarz-Blau II steht für Rassismus. Schwarz-Blau II steht für eine Umweltpolitik, die die Probleme ignoriert und der Industrie höhere Profite ermöglichen will. Schwarz-Blau II steht – entgegen den Wahlversprechen der FPÖ - für das Durchwinken von CETA und TTIP. Schwarz-Blau II steht für ein mehr an präventiver Überwachung aller Bürger und BürgerInnen."
Demonstration im Schnelldurchlauf (Video):
"Wir sind so verdammt viele, hieß es von der Kundgebungsbühne, "und das ist erst der Anfang." Auf einer aufblasbaren Riesenwurst stand: "Alles hat ein Ende.' Auch diese Koalition."
"Ich stelle mich dieser Regierung und allem, wofür sie steht, entgegen"
Rede von Lisa Mittendrein, Attac Österreich, auf der Demonstration gegen #SchwarzBlau am 13. Jänner 2018:
Mein Name ist Lisa Mittendrein. Ich bin von Attac und ich stelle mich dieser Regierung und allem, wofür sie steht, entgegen.
Schwarz-Blau bedeutet Rassismus, Sozialabbau und Politik für Reiche und Konzerne. Ich glaube, ich muss jetzt nicht im Detail aufzählen, was sie alles planen – denn ihr seid hier, weil ihr wisst, was uns droht.
Ich muss ganz ehrlich sagen: Für mich ist die Situation noch schlimmer, weil wir sie kommen gesehen haben. In den letzten Jahren sind das politische System und die Öffentlichkeit wie auf einer schiefen Ebene nach rechts gerutscht. Die letzte Regierung hat Zäune gebaut und Obergrenzen eingeführt. Von Tirol bis ins Burgenland haben fast alle Parteien die Mindestsicherung gekürzt. Und in der öffentlichen Debatte wurde bis tief ins liberale Lager Stimmung gegen Geflüchtete und MuslimInnen gemacht. All das hat den Boden für diese rechtsextreme Regierung bereitet. Und jetzt haben wir diese Regierung, die die Notstandshilfe abschaffen will und einen Innenminister der davon redet, Geflüchtete zu "konzentrieren".
Wir sehen und spüren, wie weit die Rechte uns – jene, die eine solidarische Politik wollen – zurückgedrängt hat. Und das macht uns unsicher und ratlos. Und ich denke, es ist auch okay, dass es uns so geht. Worauf es jetzt ankommt, ist aber, dass wir die Ratlosigkeit nehmen und aus ihr etwas Neues entstehen lassen. Dass wir das Entsetzen über die Verhältnisse in Entschlossenheit verwandeln.
Was ganz klar sein muss: Wir kämpfen nicht nur gegen diese Regierung, sondern wir kämpfen auch für eine bessere, ganz andere Zukunft. Wir wollen nicht ein Jahr, fünf Jahre, dreißig Jahre zurück. Wir kämpfen für eine Zukunft ohne Hass und Ausbeutung. Eine Zukunft, in der alle Menschen gut leben können, egal woher sie kommen und woran sie glauben. Eine Zukunft, in der nicht Profit, sondern menschliche Bedürfnisse und der Schutz unserer Lebensgrundlagen im Zentrum stehen.
Es tut unglaublich gut hier zu sein und zu sehen, wie viele wir sind. Die große Herausforderung, vor der wir stehen, ist jetzt weiter zu gehen und die Pläne dieser Regierung effektiv durchkreuzen.
Es tut unglaublich gut hier zu sein und zu sehen, wie viele wir sind. Die große Herausforderung, vor der wir stehen, ist jetzt weiter zu gehen und die Pläne dieser Regierung effektiv durchkreuzen.
- Wenn sie unsere Sozialleistungen streichen und den Reichen Steuergeschenke machen – dann lasst uns ihre Parteizentralen und Ministerien blockieren!
- Wenn sie das Klima dem Standort opfern – dann lasst uns dort campieren, wo sie eine dritte Flughafenpiste bauen wollen!
- Wenn die rechten Menschenhasser glauben, dass ihnen das Land gehört – dann lasst uns Flüchtlingsunterkünfte, Frauenhäuser und Moscheen mit unseren Körpern schützen.
- Wenn Schwarz-Blau behauptet, für die gesamte Bevölkerung zu sprechen – dann lasst uns von Tür zu Tür gehen und mit den Menschen darüber reden, was diese Politik ihnen antut.
Lasst uns füreinander da sein und einander helfen, wenn wir angegriffen werden!
Lasst uns zusammenstehen, wenn sie versuchen uns zu spalten!
Lasst uns Bilder der Zukunft zeichnen, für die wir kämpfen, so dass alle sie sehen können!
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