Europa

31.01.2012: Am Montag haben die Staats- und Regierungschefs von 25 der 27 EU-Mitgliedsländern ihr Konzept eines internationalen Abkommens für eine Fiskalunion beschlossen. Mit Ausnahme Großbritanniens und Tschechiens stimmten alle Mitglieder einer verbindlichen Schuldenbremse und automatischen Sanktionen gegen Defizitsünder zu.
"Dieses Abkommen führt nicht zu einer Fiskalunion, sondern zu einer noch radikaleren Sparunion", erklärte DKP-Vize Leo Mayer. Und weiter: "Dieser Schritt wird nicht aus der Krise herausführen, sondern Europa noch stärker der Diktatur und der Logik der Märkte unterwerfen, die in diese katastrophale Situation geführt haben. Jetzt muss der Widerstand auf allen Ebenen gegen die Ratifizierung organisiert und der Kampf für Alternativen aufgenommen werden."

Generalstreik in Belgien
Am Montag trafen sich die Staats- und Regierungschefs der EU zum xten Krisengipfel. Die Delegationen waren im Vorfeld aufgefordert worden, sich mit Essenspaketen einzudecken, weil die Versorgung eventuell nicht gesichert werden könne. Bundeskanzlerin Merkel musste wie die anderen Regierungschefs auf einem Militärflughafen weit außerhalb Brüssel landen, weil der Brüsseler Flughafen durch einen Streik lahmgelegt war.

Mit einem Generalstreik des privaten und des öffentlichen Sektors gaben die belgischen ArbeiterInnen ein klares Signal für die Ablehnung der Sparpolitik. Aufgerufen zum Generalstreik hatten alle drei belgischen Gewerkschaften - erstmals wieder seit 1993. Dementsprechend war die Wirkung: Züge und Häfen standen am Montag still. Viele Flüge fielen aus. "Tram, Bus, Metro - nichts bewegt sich", berichtete der private belgische Sender Bel RTL. Der öffentlich-rechtliche Radiosender RTBF hatte das reguläre Programm umgestellt und ausführlich über die Aktionen berichtet. Bei Audi und Volvo standen die Bänder, bei Coca Cola blieben die Flaschen leer. Der Streik richtete sich gegen die Sparpolitik der Regierung von Ministerpräsident Elio Di Rupo, die zum Teil auf Druck der EU beschlossen worden war. Demonstranten auf dem Schuman-Platz vor dem Gebäude des Europäischen Rates, wo der EU-Gipfel tagte, verlangten auf Plakaten einen "Solidaritätspakt" und keinen Fiskalpakt. Die Gewerkschaftsführerin Anne Demelenne sagte: "Die Sparprogramme sind nicht die Lösung, sondern das Problem."

Fiskalpakt beschlossen
Während draußen gestreikt und demonstriert wurde, einigten sich drinnen die Staats- und Regierungschefs auf den von Deutschland angestoßenen Fiskalpakt. 25 der 27 EU-Staaten werden den Vertrag unterzeichnen, Großbritannien und Tschechien stimmen nicht zu. Das Vertragswerk läuft als zwischenstaatlicher Vertrag parallel neben den EU-Verträgen, und kann damit auch in Bereiche - z.B. Sozialpolitik, Löhne - eingreifen, die von den EU-Verträgen ausgenommen sind.

  • Mit dem Vertrag verpflichten sich die Teilnehmerstaaten, eine "Schuldenbremse" verbindlich in nationalem Recht zu verankern.
  • Die Staaten akzeptieren eine schärfere Haushaltskontrolle durch die EU-Kommission, der künftig die Haushaltsplanungen vor Debatte und Beschlussfassung in den nationalen Parlamenten vorgelegt werden muss.
  • Strafverfahren gegen Defizitsünder sollen künftig schneller und automatisch ausgelöst werden.
  • Verstoßen Unterzeichnerländer gegen die Sparauflagen, dann können sie von anderen Mitgliedstaaten vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt werden. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) überprüft, ob die Staaten die Schuldenbremse und die Defizitregeln umsetzen und kann Geldstrafen verhängen. Die Bußen sollen in den permanenten Rettungsfonds ESM eingezahlt werden.
  • Mit dem Vertrag verpflichten sich die Unterzeichnerländer, striktere Regeln zur Haushaltsdisziplin zu befolgen als in den EU-Verträgen vereinbart. Die Grenze für das strukturelle Defizit (1) des Bruttoinlandsprodukts wird auf nur noch 0,5 Prozent festgelegt, anstatt auf 1,0 Prozent wie im EU-Recht. Der Maastricht-Vertrag schreibt eine maximale Neuverschuldung von drei Prozent des BIP vor. In Deutschland gilt für den Bund ab 2016 eine noch striktere Schuldenbremse von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.

Die vom deutschen Finanzministerium verfolgte Idee, einen europäischen "Haushaltskommissar" mit direkten Eingriffsmöglichkeiten in Athen zu installieren, wurde zurückgewiesen. Jean-Claude Juncker, Luxemburgs Ministerpräsident und Sprecher der Euro-Gruppe, schränkte seine Kritik an Merkel aber gleich mit dem Hinweis ein, dass die Frage nach "zusätzlichen Überwachungsmaßnahmen" gestellt werden müsse, wenn Athen seine Verpflichtungen gegenüber den Kreditgebern nicht erfülle.

Bestätigt wurde der dauerhafte Eurorettungsschirm ESM. Dieser soll bereits am 1. Juli 2012 starten, ein Jahr früher als geplant. Kredite aus dem ESM sollen nur die Euro-Länder erhalten, die auch den neuen Fiskalpakt unterzeichnet haben. Der ESM soll von den Regierungen mit 500 Mrd. Euro ausgestattet werden. Bei den bisherigen Rettungsschirmen EFSM und EFSF übernahmen die Staaten nur die Bürgschaft für Kredite; das Geld wird auf den Finanzmärkten aufgenommen. Ob die Mittel für den ESM reichen, soll beim nächsten EU-Gipfel im März überprüft werden. Bis dahin wird sich zeigen, ob die klammen Regierungen, die jeden Cent zweimal umdrehen, die erforderlichen Milliarden auftreiben können.

Unterzeichnet werden soll der zwischenstaatliche Vertrag von allen 17 Euro-Staaten und acht Nicht-Euro-Staaten beim nächsten EU-Gipfel im März, damit er spätestens Anfang 2013 in Kraft treten kann. Voraussetzung ist, dass bis dahin zwölf Euro-Länder den Text ratifiziert haben. Innerhalb einer Frist von maximal fünf Jahren soll der Pakt dann in den EU-Vertrag integriert werden.

Auf dem Gipfel wurde außerdem erklärt, dass die EU-Staaten angesichts der drohenden Rezession mehr für Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze tun wollen. Gleichzeitig wurde klar gemacht, dass es keine neuen Konjunkturprogramme geben werde. Die Regierungen haben ihr Geldpulver bereits für die Rettung der Banken verschossen.

".. eine falsche Rezeptur"

Für den Deutschen Gewerkschaftsbund kritisiert Michael Sommer, dass "der Fiskalpakt, so wie er angelegt ist, aus unserer Sicht wirklich eine falsche Rezeptur ist und damit auch zu falschen Ergebnissen führt. Er führt zu einseitigem Sparen, er geht nur darauf hinaus, dass man sozusagen sogenannte Haushaltsdisziplin wahrt, die dazu führt, dass insbesondere dort, wo Krisen sind, die Krise sich verschärft." Er warnt, dass die festgelegte Haushaltsdisziplin die europäischen Regierungen "langfristig handlungsunfähig" machen werde. Außerdem sei die Frage unbeantwortet geblieben, wie man an "zusätzliche Staatseinnahmen" gelangen könnte.

Sommer: "Das Zweite, was uns in diese Krise geführt hat, ist, dass systematisch die Staaten durch Steuersenkungen insbesondere für Reiche und Unternehmen sozusagen arm gemacht worden sind, dass sie ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen konnten, und genau das ist der Punkt, wo ich ansetzen will, nämlich an dem Punkt, dass wir zusätzliche Staatseinnahmen brauchen, zum Beispiel durch die Transaktionssteuer, die wir immer wieder fordern, zum Beispiel auch dadurch, dass wir die Steuerlast auch endlich auf die ausdehnen, die reicher und stärker sind, und dann könnten die Staaten auch handlungsfähig werden."

DKP-Vize Leo Mayer bezeichnet den Begriff der "Fiskalunion" als Schwindel, denn wenn es um eine Fiskalunion ginge, dann müsste doch zumindest die Steuergesetzgebung harmonisiert, Steuerdumping unterbunden, Steueroasen geschlossen, eine Besteuerung von Finanztransaktionen und eine höhere und progressive Besteuerung von Vermögen und Profiten vereinbart werden. "Dieses Abkommen führt nicht zu einer Fiskalunion, sondern zu einer noch radikaleren Sparunion", erklärt er. Die Politik, die die Demokratie an die Banken und Märkte ausgeliefert hat, würde jetzt noch weiter radikalisiert. "Die Übertragung parlamentarischer Rechte an die EU-Kommission, und von politischen Entscheidungen an den Europäischen Gerichtshof wird die Krise der Politik vertiefen und ist ein weiterer Schritt in Richtung eines autoritären Kapitalismus", sagt er. Dieser Angriff auf grundlegende soziale Arbeiterrechte und politische Rechte der Bürger Europas müsse zurückgewiesen, der Widerstand auf allen Ebenen gegen die Ratifizierung organisiert und der Kampf für Alternativen aufgenommen werden.

Mayer: "Es ist an der Zeit, den Kampf gegen die Macht der Banken zu intensivieren. Die Absurdität, dass die Europäische Zentralbank die Privatbanken mit billigem Geld versorgt, die dann mit diesem Geld den Regierung hochverzinste Kredite geben, muss beendet werden. Die Banken können bei dieser Gelddruckmaschinerie leicht Risiken eingehen, denn die trägt letztendlich der Bürger. Die Macht der Finanzmärkte eindämmen, das bedeutet Überführung der Banken in öffentliches Eigentum bei demokratische Kontrolle. Bei der EZB muss mit der demokratischen Kontrolle begonnen werden, damit sie nicht mehr wie bisher die Spekulation an den Finanzmärkten befeuert, sondern als Zentralbank die Regierungen direkt - ohne Umwege über die Privatbanken - mit Geld versorgt. Natürlich öffentlich kontrolliert, damit es für den ökologischen Umbau, die Finanzierung sinnvoller Arbeit und humaner Arbeitsplätze und für eine solidarische Entwicklung Europas eingesetzt wird."

Die Partei der Europäischen Linken (EL) erklärt: "Mit der »Goldenen Regel« (Schuldenbremse) werden die Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspaktes in Stein gemeißelt." Die Regierungschefs "halten unbeirrt an einer politischen Richtung fest, die das Wachstum abwürgt und die Bevölkerung ins Elend stürzt. Dieser Vertrag plündert die öffentlichen Dienste, zerstört die sozialen Rechte und garantiert die Landung der »Troika« in allen EU-Ländern." Die EL kritisiert, dass die Volkssouveränität ohne jede öffentliche Debatte und Befragung der Bevölkerung Europas in Frage gestellt wird und "ein Regimewechsel zu einer Diktatur der Märkte" gemacht wird.

"Um einen klaren Vorstellung von dem Europa zu bekommen, das sie vorbereiten, muss man nur auf Griechenland schauen, das Angela Merkel offiziell unter die Kontrolle der EU-Kommission bringen will, oder nach Frankreich, wo Nicolas Sarkozy einen dritten Sparplan mit steigenden indirekten Steuern und dem Bruch kollektiver Vereinbarungen über die Arbeitszeit angekündigt hat, um den Unternehmen neue Geschenke zu machen. Letztendlich ist die Zerstörung der Europäischen Union im Gange. .. Die Idee einer Union kann nicht aufrecht erhalten werden, wenn ein Staat die Vormundschaft über andere verlangt. Dies wird eine Union der Spaltung und der Konkurenz zwischen den Menschen."

Die EL ruft auf, die Konkurrenz zwischen den ArbeiterInnen und die Zerstörung ihrer Rechte im Namen der Konkurrenzfähigkeit zu beenden. "Nur Kooperation, steigende Löhne und sozialer Schutz erlauben einen Weg aus der Krise." Deshalb werde die EL in allen europäischen Ländern gegen die Ratifizierung des Fiskalpaktes aktiv werden.

Neue EZB-Kreditspritze: Banken wollen sich eine Billion Euro leihen
Während dessen berichten die Medien, dass Europas Banken offenbar schon wieder deutlich mehr Geld fordern. Nachdem sie im Dezember von der EZB nahezu 500 Milliarden Euro zu einem Zinssatz von einem Prozent erhalten haben, planen die größten Geldinstitute der Euro-Zone, ihre Notkredite bei der Notenbank auszuweiten - auf bis zu einer Billion Euro.


(1) Das Staatsdefizits wird in eine konjunkturelle und eine strukturelle Komponente aufgeteilt. Als Maßstab für die Beurteilung der Finanzpolitik wird das "strukturelle" Haushaltsdefizit herangezogen, d.h. jener Teil des gesamten Budgetdefizits, der auch dann noch vorhanden ist, wenn sich die Wirtschaft von konjunkturellen Einflüssen bereinigt im Zustand eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts befindet.

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foto: cedric pulsney

Farkha Festival Komitee ruft zu Spenden für die Solidaritätsarbeit in Gaza auf

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Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
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Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

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