08.07.2011: Während in unserem Land Kommunisten sich noch kontrovers darüber auseinander setzen, wieviel Kollektivität die imperialistischen Zentren der Weltwirtschaft praktizieren und organisieren, schreiten Letztere zur Tat und sind bereits auf dem Weg, diese Kollektivität um einen beachtlichen Schritt voran zu treiben. Heimlich, still und leise sind die Europäische Gemeinschaft und die USA dabei, einen Transatlantischen Markt auf die Beine zu stellen. Beabsichtigt ist eine weitere Liberalisierung des Handels- und Finanzaustausches auf der Grundlage einer gemeinsamen Rechts- und Sicherheitspolitik. Das Ganze soll bis 2015 stehen, d.h. in allernächster Zukunft!
Das geplante Vorgehen der EU und der USA ähnelt dem bei der Gründung und beim Ausbau der EU bereits seit Mitte der 1950er Jahre praktizierten. Darauf haben das ´Centre d’Education Populaire André Genot` (CEPAG) und die ´Centrale Culturelle Bruxelloise` (CCB) vor kurzem aufmerksam gemacht. Die beiden Organisationen sehen mit den Planungen zum Zusammenschluss von USA und EU die allergrößten Risiken für unsere demokratischen Errungenschaften auf vielen Gebieten verbunden, mit Gefahren für die öffentlichen Finanzen und den öffentlichen Dienst, mit einer Verstärkung der ungleichen Entwicklung auf sozialem Gebiet und beim Umweltschutz, mit Angriffen auf die sozialen Bewegungen und die Grundfreiheiten, und mit einer Vorherrschaft der transnationalen Konzerne.
Im Einzelnen sind laut CEPAG von den Spitzen der beiden imperialen Zentren der Welt geplant:
- Schaffung neuer transatlantischer Institutionen, so z.B. eines transatlantischen Wirtschaftsrats ohne demokratische Legitimation (keine parlamentarischen Beratungen, keine gewählten Vertreter), die in wachsendem Maß politische Entscheidungen beeinflussen sollen;
- Harmonisierung zahlreicher europäischer und us-amerikanischer Gesetze auf wirtschaftlichem und sicherheitspolitischem Gebiet;
- zunehmende Ausrichtung der europäischen Diplomatie auf die der USA;
- Lenkung der Welt im Sinne kapitalistisch marktwirtschaftlicher Normen.
So soll ein Transatlantischer Markt durch eine Vielzahl politischer Abkommen entstehen, die zwischen den USA und der EG (bei einigen auch nach Verabschiedung durch die Parlamente der betroffenen Staaten) geschlossen werden und die alle Lebensbereiche umfassen, also Arbeit, Gesundheit, Ernährung usw. Darunter ist zu verstehen, dass der Transatlantische Markt
- die Gleichschaltung all dessen voran treibt, was zur freien Warenzirkulation (Warenverkehr, Dienstleistungen, Investitionen) auf beiden Seiten des Atlantiks als notwendig erachtet wird, wobei die ´freie Konkurrenz` und die Wettbewerbsfähigkeit Vorrang haben. Damit würden die Finanzmärkte und die Multis sich immer ungehinderter in einem geografisch immer größer werdenden Gebiet betätigen könne;
- durch die geografische Ausweitung der wirtschaftlichen Wettbewerbs Fusionen bzw. Übernahmen begünstigt, was den Multis gestatten würde, einen immer größeren Teil der Wirtschaft und des Finanzwesens zu beherrschen (schon 2005 lag die Hälfte des Welthandels in Händen der 500 größten Unternehmen), zum Nachteil zahlreicher Klein- und Mittelstandsunternehmen und Selbständiger;
- die politische Autonomie der gewählten Abgeordneten bedroht. Er verstärkt zum einen die finanzielle Macht der Multis, von denen einige bereits so mächtig sind wie einzelne Staaten (z.B. ist Toyota reicher als Israel, Wal-Mart reicher als Griechenland, Exxon reicher als Österreich). Zum anderen ist eine Harmonisierung der sozialen, steuerlichen und die Umwelt betreffenden Normative ganz bewusst nicht Teil der transatlantischen Abkommen, um den Wettbewerb unter den einzelstaatlichen Gesetzgebungen und die Dumping-Praxis zu Ungunsten der öffentlichen Finanzen, der Arbeitsbedingungen, der Gesundheitsversorgung und des allgemeinen Wohls der Bevölkerung zu fördern;
- die Macht, die von den Finanzmärkten und den Multis auf die Politik vor Ort ausgeübt wird, weiter verstärkt und damit eine Privatisierung des öffentlichen Dienstes und der Sozialversicherungssysteme droht. Die allgemeine Grundversorgung (Unterricht, Öffentlicher Personen-Nahverkehr, Kultur), das Recht auf ausreichende Renten, die allgemeine Gesundheitsversorgung, Arbeitslosengeld und Sozialhilfe auf Mindestniveau und ohne Vorbedingungen – alle diese sozialen Errungenschaften, die über Generationen hinweg erkämpft wurden, sind in Gefahr. Der Transatlantische Markt wird damit zu einer weitgehenden Verarmung eines Großteils der Bevölkerung führen, den Druck auf Löhne und Gehälter verstärken und die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen vorantreiben;
- nicht etwa rein zufällig den Forderungen der Multis entspricht. Die politischen Entscheidungen, die der Schaffung eines solchen Marktes zugrunde liegen, sind ganz direkt der Lobby mächtiger Unternehmen der Privatwirtschaft geschuldet, die entweder als halboffizielle Ratgeber oder als offizielle Experten Druck ausüben. Damit ist angesprochen, dass sich die Politik teilweise Privatinteressen unterwirft; so sind z.B. acht Prozent der Europa-Abgeordneten Mitglied einer Lobby (Transatlantic Policy Network), die sich die Verteidigung der Interessen der Multis auf die Fahnen geschrieben hat;
- keinesfalls einen Freiraum für Alle schafft, sondern im Gegenteil zahlreiche Sicherheitsmaßnahmen umfasst – zur Verteidigung des Rechts auf intellektuelles Eigentum, aber auch zur umfassenden Überwachung der Bevölkerung. Im Namen der Bekämpfung des Terrorismus sind von den USA und der EG Übereinkommen juristischer, straf- und polizeirechtlicher Art geplant, die in schreiendem Widerspruch zu demokratischen Prinzipien (wie dem Recht auf Unverletzlichkeit der Privatsphäre, Gleichheit vor dem Gesetz, Gewaltentrennung) stehen. Wenn der terroristische Akt definiert wird als die Absicht, einen Staat zu destabilisieren oder seine Entscheidungen zu beeinflussen, dann kann die transatlantische Sicherheits-Gesetzgebung genutzt werden, um Gewerkschaften oder gesellschaftliche und soziale Bewegungen zu unterdrücken. Diesem Zweck dienen spezielle Nachforschungsmethoden, eine allgemeine Sammlung der Bevölkerungsdaten und die Infragestellung bestimmter elementarer Rechte der Verteidigung in Strafverfahren, wie das Recht auf Einsicht von der ´militärischen Geheimhaltung` unterliegenden Schriftstücke;
- des Weiteren zum Ziel hat, die Logik der Marktkonkurrenz weltweit durchzusetzen, indem den Multis das Recht zugestanden wird, Völker und Naturressourcen unbeschränkt auszubeuten. Der Transatlantische Markt wird damit zur Vergrößerung der Armut und des Nord-Süd-Gefälles beitragen und gleichzeitig die Ökosysteme wie auch die Artenvielfalt und das Klima weiter schädigen, was wiederum klimatisch bedingte Fluchtbewegungen vervielfachen, den Preis von Grundnahrungsmitteln erhöhen und die Zukunft und das Wohl kommender Generationen belasten wird;
- mit seiner Dynamik die Entwicklung hin zu einem Einheitsmarkt in Europa verstärken wird, wie sie ja auch von den einzelnen europäischen Staaten betrieben wird, die sich nur allzu oft hinter EG-Entscheidungen verstecken und ihrer Verantwortung entziehen. Doch sind die einzelnen Staaten nicht machtlos, wie es ihr Veto gegen die Entscheidung der europäischen Kommission beweist, den Import us-amerikanischer, mit Chlor chemisch behandelter Hähnchen zuzulassen. Die Mitgliedsstaaten haben solche Pläne verhindern können, auch wenn die bedrohlichen Absichten im Rahmen der Welthandelsorganisation fortbestehen. Die Gefahr ist nach wie vor groß, dass sich die sozialen Belange einer immer stärkeren marktpolitischen Logik unterwerfen müssen.
Gegen die Zukunftspläne des gemeinsamen Transatlantischen Marktes von EU und USA haben CEPAG und CCB eine spezielle Internetplattform und einen Aufruf erstellt, in dem es heißt:
"Wenn wir die Handelsabkommen zwischen den USA und Europa verurteilen, so geschieht dies nicht aus einer grundsätzlich anti-amerikanischen Haltung. Wir wenden uns vielmehr gegen die Verträge, die – von der Einheitlichen Europäischen Akte 1986 bis zum Vertrag von Lissabon 2009 – die Schaffung eines Europas der kapitalistischen Märkte zu Ungunsten eines Europas der Völker bezwecken. Es liegt in der Natur der Sache, dass mit dem Transatlantischen Markt die Verwirklichung dieser Vertragsziele ein großes Stück näher rückt. Deshalb ist es mehr denn je notwendig, dieser Entwicklung einen Riegel vorzuschieben.
Wir sprechen uns als Bürger grundsätzlich gegen ein Vorhaben aus, das
- die Politik ihrer souveränen Rechte zugunsten der Macht des Marktes beraubt;
- das Privatinteresse der Wirtschaft privilegiert, aber den demokratischen, sozialen, umweltfreundlichen, gesundheitlichen und humanistischen Zielen schadet, die für uns von fundamentaler Bedeutung sind.
Indem wir den geplanten Transatlantischen Markt verurteilen (ebenso wie us-amerikanische oder europäische Vorhaben, die in ähnliche Richtung gehen und andere Länder betreffen), erwarten wir von unseren politisch Verantwortlichen, dass sie sich klar gegen dieses Vorhaben aussprechen und seine Beendigung von den europäischen Institutionen fordern (EU-Rat, -Kommission, -Parlament), insbesondere fordern wir
a. internationale Abkommen auf den Prüfstand zu stellen, welche Privatunternehmen und Finanzmärkten (durch die geografische Ausweitung der ´Freiheit der Wirtschaft`) größere Rechte zuschanzen;
b. eine strikte Trennung von politischem Mandat und Wirtschaftslobbys, wobei eine Kapitulation der politisch Verantwortlichen vor reinem Privatinteresse von sich aus schon inakzeptabel ist;
c. demokratische Garantien, d.h. Legitimierung durch Wahlen und Transparenz von Beratungen und Entscheidungen in bestehenden oder zu schaffenden europäischen, transatlantischen und weltweiten Institutionen;
d. Verabschiedung von Gesetzen, die humanen, sozialen und ökologischen Belangen politischen Vorrang vor marktwirtschaftlichen Normen und Handelserfordernissen einräumen, vor allem hinsichtlich einer Regulierung und öffentlichen Kontrolle der Tätigkeit multinationaler Konzerne und Finanzmärkte;
e. keine Sicherheitsgesetze, die demokratischen und Grundrechten widersprechen."
CEPAG und CCB stellen im Internet unter ´http://www.no-transat.be/` weitere Informationen über die Pläne von EU und USA zum kollektiven Ausbau ihrer Hegemonieansprüche zur Verfügung und sie rufen dort Einzelpersonen und Organisationen zur Unterstützung eines entsprechenden Aufrufes gegen diese Pläne auf. In einer Reihe von Erstunterzeichnern werden bereits genannt: Stéphane Hessel, Jean-Luc Mélenchon, Jean Cornil, Céline Delforge, Bernard Wesphael, Pierre Eyben, Pierre Galand, Jean-Pascal Labille, Yanic Samzun ...
s.a. Barrosos außenpolitisches Credo
Text: hth / Übersetzungen: HaLi / Foto: TheWhiteHouse