Europa

21.01.2011: Eine Woche ist es her, dass die Belegschaft im Stammwerk Mirafiori des italienischen Autobauers Fiat in Turin über eine Vereinbarung abgestimmt hat, die zwischen Konzernleitung und den sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaften ausgehandelt worden war. Für den Fall einer Zustimmung hatte Fiat-Chef Marchionne zugesagt, eine Mrd. Euro in das Werk zu investieren. Im Gegenzug verlangt er flexiblere Verträge, längere Arbeitsschichten, kürzere Pausen und den Verzicht auf das Streikrecht. Während die Gewerkschaften Fim und Uilm der Vereinbarung zugestimmt hatten, sprach die klassenorientierte Gewerkschaft Fiom von "moderner Sklaverei" und stemmte sich vehement gegen das Abkommen. Die Gefahr sei, dass Fiats neue Tarifverträge bald schon allgemeingültige Richtlinien für Kollektiverträge in der Automobilindustrie werden. In der Abstimmung am 13./14. Januar haben 54 Prozent der insgesamt 5.431 Stimmberechtigten dem Vertrag zugestimmt. Rifondazione Comunista, spricht trotzdem davon, dass "der politische Sieg, eigentlich unerwartet, mit Sicherheit der «Nein"-Front» gehört".

Fiat-Chef Sergio Marchionne ist zufrieden
"Wir sind froh, dass die Mehrheit der Fiat-Arbeitnehmer unseren Plan unterstützen wollen, Mirafiori in eine Fabrik von internationalem Niveau umzuwandeln", kommentierte Fiat-Chef Sergio Marchionne das «Ja» bei der Befragung im Turiner Stammwerk Mirafiori über einen neuen Arbeitsvertrag. An der Abstimmung hatten sich 96 Prozent der knapp 5.500 Beschäftigten der traditionsreichen Turiner Fiat-Fabrik Mirafiori beteiligten. Obwohl lediglich eine knappe Mehrheit von 54 Prozent den zwischen Konzernleitung und sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaften ausgehandelten Vereinbarungen über neue Arbeitsbedingungen zugestimmt haben, sprach Marchionne von einer "historischen Wende" in der Geschichte des Unternehmens. Nun habe das Turiner Werk eine Chance, weiterzuarbeiten, weil es möglich sei, Mirafiori "in eine Fabrik von internationalem Niveau umzuwandeln" und "mit den Besten der Welt zu konkurrieren", sagte Marchionne.

Zufrieden zeigte sich auch Fiat-Präsident John Elkann, Spross der Unternehmerfamilie Agnelli, Hauptaktionärin des Autobauers. Die Regierung Berlusconi bezeichnete die Abstimmung als richtungsweisend im Kampf um den Erhalt italienischer Fabriken.

Erpressung und Druck von allen Seiten
Vorausgegangen war eine gigantische Erpressung der Belegschaft. Laut den am 23. Dezember unterzeichneten Vereinbarungen ist Fiat zu einer Investition von rund einer Milliarde Euro bereit, um im Mirafiori-Werk ein neues Jeep-Modell des US-Partners Chrysler zu produzieren. In Mirafiori wurden im vergangenen Jahr etwa 120.000 Fahrzeuge gebaut. Die Produktion soll mehr als verdoppelt werden. Als Bedingung nannte Marchionne flexiblere Verträge, längere Arbeitsschichten, kürzere Pausen und den Verzicht auf das Streikrecht. Fiat wird aus dem Flächentarifvertrag ausscheren und den Industriellenverband Confindustria verlassen.

Im Falle einer Ablehnung hatte Marchionne mit der Verlegung der italienischen Produktionswerke in die USA, oder nach Kanada gedroht. "Wenn beim Referendum das «Nein» gewinnt, verlegt Fiat seine Produktion in die USA oder nach Kanada. Dort werden unsere Investitionen anerkannt, wir sind aufgefordert worden, zu investieren und die Produktionskapazität zu erhöhen", hatte er geäußert.

Regierungschef Silvio Berlusconi hatte noch am Tag der Abstimmung die Fiat-Belegschaft aufgerufen, mit «Ja» zu stimmen, um den "Standort Italien des mächtigsten Industriekonzerns des Landes zu sichern". Auch der Spitzenpolitiker der Demokratischen Partei und Bürgermeisterkandidat von Turin, Piero Fassino, hatte erklärt: "Wenn ich ein Arbeiter wäre, würde ich mit «Ja» stimmen".

Die vergiftete Frucht des Referendums
Nach dem knappen Abstimmungsergebnis herrsche ein "angespanntes Klima im Werk", sagen Arbeiter zur Zeitung Liberazione. Sie befürchten, dass die "Streitereien vor der Kaffeemaschine, die es in der letzten Woche schon gab, noch viel schlimmer werden würden". Wer zu Marchionne gehalten habe, erzählt nur von "gutem Klima, Vergleich, Dialog, von der Lust voranzugehen". Aber vor allem haben diejenigen keine große Lust, überhaupt etwas zu sagen. "Es ist das gleiche Schema wie letzte Woche. Einem «Nein» mit vielen Argumenten steht ein schweigsames «Ja» gegenüber. Eine so knappe Niederlage hat in der Tat Enttäuschung hinterlassen. Manch einer hat dann an der Wahlurne nicht mehr den Mut gehabt, den er in den unendlichen Diskussionen unter uns angekündigt hatte, schade", erzählt ein Arbeiter der Zeitung. Und weiter: "Ich hoffe, dass Fim und Uilm (Anm. der Übersetzerin: sozialpartnerschaftlich orientierte Gewerkschaften) sich klar darüber werden, dass sie eine ganze Lawine von Stimmen an Fiom verloren haben. Ihr Interesse konzentriert sich auf den Versuch, Gelände zurückzugewinnen."

"Die vergiftete Frucht des Referendums hat so genützt zur Spaltung der Arbeiterschaft; eine echte Tragödie, - zur Freude des Unternehmens", kommentiert Liberazione.

Währenddessen blickt Fiom in die Zukunft. Sie verteilte eine Flugblatt mit dem Titel: "Seit an Seit mit den Arbeitern, die den Mut hatten, «Nein» zu wählen. Seit an Seit mit den Arbeitern, die «Ja» wählen mussten."

"Hier ist das unbezwingbare Italien zu sehen"
"Hier ist das unbezwingbare Italien zu sehen" kommentierte Claudio Grassi, Spitzenpolitiker der Partito della Rifondazione Comunista das Ergebnis von Mirafiori. Die ArbeiterInnen von Mirafiori haben "eine Seite geschrieben, die Spuren in der Landesgeschichte hinterlassen wird. Der zahlenmäßige Sieg der «Ja»-Stimmen, den man äußerst negativ hinsichtlich der Konsequenzen einschätzen muss, die er auf die Arbeiter haben wird, nicht nur bei Mirafiori, darf nicht verschleiern, dass der politische Sieg, eigentlich unerwartet, mit Sicherheit der «Nein»-Front gehört", sagte Grassi. Und weiter: "Wir wissen nur zu gut, unter welchen Umständen dieses Referendum entstanden ist und abgehalten wurde. Marchionne und Berlusconi haben ein wahres Klima der Erpressung für die Arbeiter geschaffen: Entweder du stimmst mit «Ja» oder du verlierst deinen Arbeitsplatz!"

Grassi betont, dass die Gewerkschaft Fiom das einzig Richtige gemacht habe, was eine Gewerkschaft, die den Namen verdient, machen konnte, nämlich die Interessen und die Rechte der Arbeiter zu verteidigen gegen einen so arroganten und schändlichen Angriff, der gleichzeitig vom Betrieb, von der Confindustria (Arbeitgeberverband), von der Regierung und von den Medien gestartet wurde.

Er sagte. "In diesem Zusammenhang haben die Mirafiori-Arbeiterinnen und Arbeiter allen eine glänzende Lektion erteilt , eine Lektion in Moral und Politik und auch in Stolz, indem sie ausdrücklich und mit Macht die Würde der eigenen Arbeit eingefordert haben, obwohl viele von diversen Seiten versucht haben, diese Arbeiterinnen und Arbeiter in jeder Weise zu erniedrigen und einzuschüchtern .. Diese Arbeiterinnen und Arbeiter haben nochmals bewiesen, dass es ein Italien gibt, das sich nicht beugt, das sich widersetzt und reagiert." Zwar gebe es auf der einen Seite das Italien der Anpasser, das Italien Berlusconis und Marchionnes, die das Recht und die Verfassung missachten, sagt der Kommunist, "ein arrogantes Italien, verlogen und herrschaftsorientiert, das vor nichts zurückschreckt, wenn es den Widerstand derer brechen will, die Recht und soziale Gerechtigkeit einfordern.
Auf der anderen Seite gibt es noch ein Italien, das mit hoch erhobenem Kopf einhergeht, das Erpressung zurückweist, das darauf besteht, in Begriffen von Recht und Gerechtigkeit zu denken, das sich darauf versteift, -verzweifelt und unerwartet-, dass die sogenannte «Entwicklung» nicht «natürlich» zu einer Erniedrigung des Arbeiterlebens und der Arbeiterwürde führen muss."

Generalstreik! Wenn nicht jetzt, wann dann?
Claudio Grassi meint, dass nun eine neue Kampfsaison eröffnet wird, um verlorene Rechte wieder zu erringen. Das Mirafiori-Referendum zeige, dass das möglich sei.

Die erste Etappe dieses Vorgehens wird der von Fiom für den 28. Januar ausgerufene Streik sein. "Ein Datum, das heute noch wichtiger und entscheidender wird", sagt er und fordert. "dass die Cgil (Anm.: linker Dachgewerkschaftsverband) das macht, was unaufschiebbar und unvermeidlich ist - den Generalstreik ausrufen, den 28. Januar zu einem Tag des Generalstreiks umwandeln! Wenn nicht jetzt, wann dann?"

In seinem Kommentar weist er aber auch auf den "deutlich sichtbaren Abstand zwischen der Stärke derer, die im Konflikt reagieren können - das sind heute die Arbeiterinnen und Arbeiter, gestern waren es die Studenten und Wissenschaftler -, und der Schwäche der linken Alternative in ihrer Gesamtheit, aufgeteilt und zersplittert, aus dem Parlament geflogen, noch unfähig, einen angemessenen Halt bei der enormen Herausforderung und beim Zusammenstoß zu bieten" hin.

Claudio Grassi: "Wie man sieht, hat der überaus wichtige positive Ausgang der Mirafiori-Abstimmung dem ganzen Land etwas zu sagen. Hier spricht der Teil Italiens, der noch Widerstand leistet. Auch wir müssen da hinhören, die Anstrengungen verstärken und uns an die Seite der Kämpfenden stellen, um noch effizienter zusammen mit ihnen die Chance auf eine neue Saison der Auseinandersetzung zu schaffen."

txt: Elfi Padovan, lm
foto: Liberazioni

siehe auch
Solidarität mit Fiom!
Italien: Die kampfbereiten Gewerkschaften sollen ausgeschaltet werden

Farkha Festival Komitee ruft zu Spenden für die Solidaritätsarbeit in Gaza auf

CfD communist solidarity dt
zum Text hier
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Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
hier geht es weiter zum Text


 

 

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