05.05.2010: In einer symbolischen Aktion haben gestern Mitglieder der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) die Akropolis besetzt. Die Demonstranten entrollten zwei Transparente mit dem Aufruf "Völker Europas, erhebt euch" in englischer und griechischer Sprache. Heute beginnt ein Generalstreik in Griechenland, zu dem landesweit die Gewerkschaften aufgerufen haben. Bereits gestern begannen die zweitägigen Streiks im im öffentlichen Dienst gegen das Kürzungsprogramm der griechischen Regierung, das vor allem die arbeitende Bevölkerung trifft.
Nachdem die deutsche Bundeskanzlerin die Entscheidung über die „Griechenlandhilfe“ wochenlang verzögert hat und sich damit auch im Kreis der EU-Chefs völlig isolierte, wird das von der Regierung gewollte Gesetz nun plötzlich im „Eilverfahren“ durch Bundestag und Bundestag gewinkt. Heute begann die Debatte im Bundestag. Zu dem Gesetzentwurf erklärte Gesine Lötzsch von der Partei Die Linke : „Der Gesetzentwurf der Bundesregierung hat mehrere Konstruktionsfehler: Er leistet keinen Beitrag, um Griechenland wirklich aus der Krise zu führen. Er leistet keinen Beitrag zur Beendigung der Euro-Krise. Und er leistet auch keinen Beitrag dazu, die Banken an der Finanzierung des Rettungspaketes zu beteiligen.“
In der UZ vom 7.Mai 2010 schreibt dazu Georg Polikeit:
Entgegen dem irreführenden Trommelfeuer von Politikern und Medien ist zunächst festzuhalten: „Die Griechen“ bekommen von den Summen, die als „Hilfspaket für Griechenland“ bezeichnet werden, nicht einen Cent. Im Gegenteil, sie sollen dafür per EU- und IWF-Diktat kräftig bezahlen.
Statt von „Griechenlandhilfe“ müsste in Wahrheit von einem weiteren „Bankenhilfspaket“ geredet werden. Denn die Gelder, die der griechischen Regierung nun von Banken der EU-Staaten und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zur Verfügung gestellt werden, werden keinesfalls zur Ankurbelung der griechischenWirtschaft benutzt. Die griechische Regierung reicht sie nur an ausländische Banken und multinationale Konzerne weiter, die auch in den vergangenen Jahren schon an griechischen Großaufträgen und an den Zinsen für griechische Staatsanleihen gut verdient haben.
Ein kleiner Zipfel der Wahrheit wird in folgender Meldung sichtbar: „Die deutschen Großunternehmen ThyssenKrupp und Krauss-Maffei-Wegmann fordern nach Informationen der ,Welt am Sonntag’ von der Bundesregierung, dass mit dem deutschen Anteil an den Krediten zunächst ausstehende Forderungen der hiesigen Wirtschaft an die Regierung in Athen beglichen werden. Diese Forderungen belaufen sich nach Angaben aus Unternehmens- und Politikkreisen insgesamt auf mehr als eine Milliarde Euro. Der Mischkonzern ThyssenKrupp zum Beispiel wartet noch auf 320 Millionen Euro für die Lieferung von U-Booten. Bei dem Rüstungskonzern Krauss- Maffei-Wegmann (KMW) sind 180 Millionen Euro offen“ (Welt-Online v. 2. 5. 2010). Auch in „Spiegel-Online“ v. 30.4. war zu lesen, wer die eigentlichen Nutznießer der „Griechen-Hilfe“ sind: „Griechenland ist mit einer Gesamtsumme von rund 45 Milliarden Dollar (knapp 34 Milliarden Euro) bei deutschen Geldhäusern verschuldet, wie aus Daten der Bank für Internationalen Zahlungsverkehr (BIZ) in Basel hervorgeht ... Besonders teuer würde eine Griechenland-Pleite für jene Geldhäuser, die ohnehin schon am Tropf des Staates hängen: den maroden Münchner Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate (HRE) und die Commerzbank mit ihrer Immobilienund Staatsfinanzierungstochter Eurohypo.“
Die HRE ist laut „Spiegel-Online“ mit insgesamt rd. 7,9 Milliarden Euro in griechische Staatsanleihen eingestiegen, die Commerzbank mit etwa 3,1 Milliarden Euro. Beide offensichtlich nicht, um den Griechen Gutes zu tun, sondern um mit den lockenden hohen Zinsen Sondergewinne einzustreichen. Die vor kurzem von der Deutschen Bank aufgekaufte Postbank ist ebenfalls mit 1,3 Milliarden Euro in Griechenland „engagiert“. Eine griechische Staatspleite hätte für diese Banken verheerende Folgen gehabt – und das dürfte einer der entscheidenden Gründe sein, warum sich Merkel, Schäuble und Co. schließlich doch zu einer „Rettungsaktion“ entschlossen.
Griechenland bekommt das Geld nicht geschenkt. Es wird nur geliehen und muss in späteren Jahren zurückgezahlt werden, wiederum mit hohen Zinsen. Zwar nicht 13 Prozent und mehr, wie zuletzt von den internationalen Finanzmärkten von Griechenland gefordert, aber immerhin mit 5 Prozent. Bei der EZB können Gelder derzeit mit einem Zinssatz um 1 Prozent geliehen werden. Mit anderen Worten: die Banken der EU-Staaten können auch an diesem „Hilfspaket für Griechenland“ erneut einen satten Gewinn abschöpfen. Und das Risiko, dass Griechenland diese mit den neuen Krediten vergrößerte Schuldenlast am Ende doch nicht bezahlen kann, tragen nicht die Banken. Die Rückzahlung der ausgeliehenen Gelder an die Banken wird durch Staatsbürgschaften der EU-Staaten garantiert. Die französische Wirtschaftsministerin Lagarde rechnete deshalb aufgrund des französischen Anteils an dem Rettungspaket „mit einem Gewinn von rund 150 Millionen Euro“, berichtete die ARD am 30. April aus Paris (ARD.de, 1. 5. 2010). Das gilt natürlich in entsprechend höherem Maß auch für den „deutschen Beitrag“. Es mag für den normalen Verstand pervers erscheinen: Seit Anfang des Jahres haben die „Finanzmärkte“ mit Hilfe amerikanischer „Ratingagenturen“ die Spekulationswelle gegen Griechenland angeheizt und es an den Rand des Staatsbankrotts getrieben. Nun können die Banken mit den „Rettungsgeldern“ erneut ein gutes Geschäft machen. Und für die Rückzahlung der Gelder mit Zinsen soll die griechische Bevölkerung „den Gürtel enger schnallen“ (siehe Kasten). Aber das ist die „normale“ perverse Logik des Kapitalismus. Geradezu groteske Züge nahm unter diesen Umständen die „Debatte“ in Deutschland um eine „Beteiligung der Banken“ an der „Hilfsaktion“ an. „Nur auf freiwilliger Basis“ sollten die Banken darum gebeten werden, meinte Herr Schäuble. Wirkungsvolle Maßnahmen zur „Regulierung“ der Finanzmärkte und zur Bekämpfung der Spekulation, die sich demnächst auch gegen Portugal, Spanien, Italien oder Frankreich richten könnte, sind von den EU-Oberen offenkundig auch in dieser Situation nicht zu erwarten. Die Griechen tun gut daran, weiterhin anhaltenden Widerstand gegen das Diktat von EU und IWF zu entwickeln. Sie tun das übrigens nicht nur für sich selbst. Denn an den Griechen wird nur vorexerziert, was demnächst auch in anderen EU-Staaten auf die Tagesordnung kommen soll. Die Griechen von morgen oder übermorgen sind wir. Nach der NRWWahl kommt der „Tag der Wahrheit“ auch in Deutschland.
Das Spardiktat der EU gegen die Griechen
Auf die folgenden „Sparmaßnahmen“ haben sich laut Informationen EU-Kommission, Europäischen Zentralbank und IWF am 1. Mai abends mit der griechischen Regierung geeinigt:
- Erhöhung der Mehrwertsteuer von 21 auf 23 Prozent (nachdem sie die Regierung bereits im März dieses Jahres von 19 auf 21 Prozent heraufgesetzt hatte).
- Kürzung der Gehälter im öffentlichen Dienst um weitere 8 Prozent (nachdem sie im März bereits um 7 Prozent gekürzt worden sind).
- Erhöhung der Steuern auf Kraftstoff (Benzin und Diesel) sowie auf Tabak und Alkohol um weitere 10 Prozent (zum 3. Mal in diesem Jahr).
- Einstellungsstopp im öffentlichen Dienst und „Verkleinerung des Staatsapparats“, also Streichung von Stellen, mit einem Einsparvolumen von 1 Mrd. Euro. ?Kürzung aller öffentlichen Investitionen (Ausgaben von Staat und Gemeinden für Straßen, Verkehr, Telekommunikation, Energieversorgung, Umweltschutz usw.) um 1,5 Milliarden Euro.
- Kürzung von Weihnachts-, Oster- und Urlaubsgeld auf einheitlich je 500 Euro zu Weihnachten und je 250 Euro zu Ostern und als Urlaubsgeld – für alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst – statt dem bisherigen 13. und 14. Monatsgehalt.
- Für Rentner analoge Kürzung für Renten unter 2 500 Euro: 400 Euro zu Weihnachten und je 200 zu Ostern und als Urlaubsgeld (statt 13. und 14. Monatsrente).
- Anhebung des Mindestalters für den Bezug einer Vollrente auf 60 Jahre (statt bisher 58 J.), wenn 40 Beitragsjahre erfüllt sind (statt bisher 37 J.). Die Mindestrente in Griechenland lag bisher bei 428 Euro.
- Generelle Kürzung der Renten durch Änderung der Berechnungsbasis. Als Bezugsgrundlage für die Rentenhöhe gilt nicht mehr nur der Verdienst des letzten Berufsjahrs, sondern der Durchschnitt des gesamten Lebensarbeitseinkommens. Die Einbeziehung des früheren, meist niedrigeren Verdienst in die Berechnung senkt die Rentenhöhe.
- „Lockerung“ des Kündigungsschutzes in der Privatwirtschaft (Aufhebung der bisher geltenden Grenze von maximal 2 Prozent der Beschäftigten, die von einer Firma pro Monat entlassen werden können) und Senkung der bei Entlassungen fällig werdenden Abfindungssummen. Einführung eines neuen „Mindestlohns“ für Jugendliche und wieder eingestellte Langzeitarbeitslose (noch unbekannter Höhe). ? Einführung einer Steuer für „Luxusautos“, „Luxusimmobilien“ und private Schwimmbäder (Details noch nicht bekannt).
Die griechische Regierung muss über die Um- und Durchsetzung dieser Maßnahmen alle drei Monate in Brüssel berichten und wird von EU- und IWF-eigenen Kontrolleuren scharf überwacht.
(Vorabdruck aus UZ vom 7 Mai 2010)