Europa

alt15.03.2010:  Schon bevor die Regierung Portugals am Montag dieser Woche (8.3.) ihre 'Spar- und Wachstumspläne' mit besonderem Aspekt der Haushaltssanierung erstmalig etwas genauer darlegte, streikten am Donnerstag (4.3.) ganztägig Mitarbeiter des gesamten öffentlichen Dienstes in Portugal dagegen. Denn diese Pläne sollten auch, wie vorab bekannt wurde, Einfrieren der Gehälter, Kürzungen von Sozialleistungen sowie Personalabbau beinhalten. Je nach Region/Stadt etwa 70-90% und insgesamt etwa 300.000 Betroffene beteiligten sich an den Arbeitsniederlegungen, zu denen mehrere Gewerkschaften aufgerufen hatten, die zusammen etwa 500.000 öffentlich Beschäftigte vertreten. Eine Kampfansage an die Zentren der EU und ihre Erfüllungsgehilfen im eigenen Land.

Ähnlich wie in Griechenland und Spanien steht die portugiesische Bourgeoisie, deren gegenwärtige Minderheitsregierung sich verlogen 'sozialistisch' nennt, unter dem Druck der EU und von Akteuren der internationalen Finanzwirtschaft, das erhebliche Haushaltsdefizit von im letzten Jahr 9,3% des BIP (Bruttoinlandproduktes) auf unter 3% zu senken, wie es der EU-Stabilitätspakt vorsieht. Das Haushaltsdefizit gab den internationalen Rating-Agenturen Anlass, die Kreditwürdigkeit des Landes nur noch mit AA- zu bewerten. Dabei weisen Griechenland, Irland, Großbritannien und Spanien weit höhere Haushaltsdefizite (12-15%) auf und selbst unabhängige Schätzungen (Rat für Wirtschaft und Finanzen ECOFIN) gehen nicht von einem weiteren Anstieg aus. Betrachtet man die Gesamtverschuldung, so ist sie für Portugal mit etwa 77% des BIP nur etwas höher, als für Deutschland oder Frankreich, während Griechenland (135%) und Italien an der Spitze liegen. Und bei vergleichbarer Einwohnerzahl liegt die Gesamtverschuldung von Belgien bei 97%. Belgien jedoch erhält derzeit eine Rating-Bewertung AA+, zwei Stufen höher als Portugal.

Auch mit einigen anderen Wirtschaftsdaten steht Portugal im Vergleich der EU nicht schlecht da. So liegt die Arbeitslosigkeit um 10% (in Spanien über 20%). Besser als die meisten Einzelstaaten der EU ist Portugal mit der weltweiten Finanzkrise fertig geworden. Nur -0,8% lag das BIP im letzten Quartal 2009 unter dem entsprechenden Vorjahresquartal bei leichtem Wachtum im zweiten Halbjahr 2009. Auch für 2010 wird mit einem leichten Wirtschaftwachstum gerechnet. Die Kaufkraft der Bevölkerung hat 2009 zugenommen, da die Gehälter um rund 3% gestiegen und die Preise im Durchschnitt des Jahres um ca. 1% gefallen sind. Bis zum Ausbruch der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise (Oktober 2008) hatte die erste Regierung von Premierminister Sócrates das Haushaltsdefizit von 6,1% (2005) auf 2,6% (2007) und 2,7% des BIP (2008) reduzieren können. Die nicht nur im Falle Portugal absurden Einstufungen der internationalen Rating-Agenturen, verschärfen die Finanzkrise hier und im Weltmaßstab und sind Teil des 'Finanzkasinos'. Denn sie treiben die Schuldzinsen der benachteiligten Länder drastisch in die Höhe und tragen zur Explosion der Haushaltsdefizite bei. Zudem bilden sie den Nährboden für die widerlichen 'Finanzwetten' auf Staatsbankrotte.

Bezüglich Portugals scheinen die schlechten Einstufungen der Rating-Agenturen noch nicht zu wirken. So konnte Portugal eine Staatsanleihe über 3 Mrd. EUR in den letzten Tagen so gut im Finanzmarkt plazieren, dass statt erwarteten 750 Mio. Euro nach wenigen Tagen 990 Mio. Euro aufgenommen werden konnten, obwohl die Rendite relativ niedrig bei 4,17% lag. Aber die Rating-Agenturen, wie Fitch, Moodys oder Standard & Poor's, machten sofort deutlich, dass ohne massive Sparmaßnahmen der Regierung Portugals deren Kreditwürdigkeit noch weiter gesenkt werden könnte. Sparen heißt für die Finanzspekulanten: die einfachen Leute zur Kasse bitten.

Am Montag dieser Woche machte nun die portugiesische Minderheitsregierung ihr Sparkonzept der Öffentlichkeit bekannt. Bis 2013 soll das Haushaltsdefizit auf 2,8% des BIP zurück geführt werden. Die Hälfte der Einsparungen ist durch Ausgabenkürzungen geplant: Beamtengehälter werden eingefroren und 2011/12 maximal nur unter der Inflationsrate erhöht; jeder zweite frei werdende Posten im öffentlichen Dienst wird nicht mehr besetzt; die Personalausgaben des Staates sollen so um jährlich 100 Mio. Euro reduziert werden - was den Analysten des Finanzkapitalismus zu wenig ist. Um zwei Jahre sollen große Infrastrukturprojekte verschoben werden, wie etwa die Hochgeschwindigkeitstrasse der Bahn von Lissabon über Porto nach Vigo in Spanien. Einige Vorhaben werden ganz gestrichen. Ferner sollen die Sozialausgaben gesenkt werden, und zwar um 0,5% ihres Anteils am BIP (was etwa 50 Mio. Euro wären). Dazu will die Regierung vor allem wieder Leistungen streichen, die zur Bekämpfung der Finanz- und Wirtschaftskrise erst vor kurzem eingeführt wurden, wie: Verlängerung der Zahlung des Arbeitslosengeldes, Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohnes auf 475 Euro. Die Regional- und Kommunalverwaltungen dürften nach den Plänen der Regierung nur noch in Not- und Ausnahmefällen neue Schulden machen und 2013 keine Neuverschuldung mehr aufweisen. Auch von einer Reduktion der Militärausgaben wurde gesprochen.

Nur 15% der Haushaltsdefizite allerdings will die Minderheitsregierung unter Ministerpräsident José Sócrates durch höhere Einnahmen absichern. Dazu soll der Spitzensteuersatz von 42% auf 45% für die Einkommen erhöht werden, die jährlich über 150.000 Euro liegen. Außerdem wurde eine Zusatzsteuer auf Börsengewinne von 20% angekündigt. Der größten Teil der direkten Defizitfinanzierung soll jedoch durch den Verkauf von Staatsunternehmen realisiert werden: 6 Mrd. Euro. Darunter befinden sich der große Energieversorger EDP, die Ölfirma Galp oder die Post (CTT).  Und einen ebenfalls nicht geringen Teil der Defizite sollen Einnahmen aus einem gering angesetzten Wirtschaftswachstum erbringen.

Obwohl dieses Sparprogramm deutlich andere Akzente setzt, als diejenigen Spaniens und Griechenlands, ist es in unterschiedlicher Hinsicht zunächst nur ein Plan. Die Minderheitsregierung von José Sócrates, deren Minister bis auf drei Parteilose alle von der PS (Sozialistische Partei) gestellt werden, ist auf Stimmen von Sozialdemokraten (PSD) und der Volkspartei (CDS-PP) bei der Verabschiedung angewiesen. Die PSD hat nach Informationen der englischen BBC schon Stimmenthaltung signalisiert. Damit PS und CDS-PP zusammen den Haushaltsplan verabschieden, müssten aber evtl. noch 'Grausamkeiten' gegen die Reichen der Bourgeoisie gestrichen werden. Um eine Mehrheit für andere Sparmaßnahmen zu bekommen, würde die PS letztlich zum Beispiel dagegen stimmen, die Gewinne auf Börsengewinne auf 20% festzusetzen. Dies vermutet der Chef des Linken Blockes im Parlament, Francisco Anacleto Louçã. Und er spach hinsichtlich der Einsparungen im Haushaltsplan von von einem "terroristischen Anschlag auf den Sozialstaat in einem Land mit ohnehin sehr niedrigen Löhnen." Die Linke werde niemals Plänen zustimmen, die Firmen mit strategischer Bedeutung zu privatisieren, die rentabel sind und Einnahmen für den Staat generieren.

Wie der Linke Block stellt sich auch die Kommunistische Partei Portugals (PCP) vehement gegen den Haushalts- und Sparplan der Regierung. Auf einer Pressekonferenz am Mittwoch (10.3.) sagte ihr Vorsitzender Jerónimo de Sousa unter anderem:

"Das Programm der Regierung bedeutet die bedingungslose Kapitulation vor dem Diktat der Finanzmärkte und der Rating-Agenturen, des europäischen Großkapitals und der führenden europäischen Großmächte. Es ist eine Wiederauflage alter und verstärkter Maßnahmen zu Einnahmen des Staates und bringt für die Mehrheit der Portugiesen viele Opfer, Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten. In den letzten 10 Jahren haben die Angestellten im öffentlichen Dienst durch Einfrieren der Löhne ständig real Kaufkraft verloren. Die geplante Zerstörung des öffentlichen Sektors wird unweigerlich zu einem Abbau und zu keiner Verbesserung der öffentlichen Dienstleistungen führen. Die Kürzungen bei den großen öffentlichen Investitionen werden auch die kleinen und mittleren Unternehmen treffen, die dadurch Aufträge erhalten. Das Privatisierungsprogramm ist überdies ein echtes Festmahl für das große in- und ausländische Kapital und beseitigt die staatliche Präsenz in strategischen Bereichen der Wirtschaft und des Landes. Die PCP kämpft gegen die von PSD und CDS-PP unterstützten Pläne, öffentliche Mittel dem unersättlichen Finanzkapital in den Rachen zu werfen. Dieses Stabilitäsprogramm ist vor allem ein Angebot für die Reichen und Mächtigen, gegen das Volk und unser Land." Und er forderte u.a.:

  • Anhebung der Löhne und Renten unter sozialen Gesichtspunkten, u.a. eine Anhebung des Mindestlohnes auf 600 EUR pro Monat bis 2013 und Anhebung der niedrigsten Renten um 25 EUR monatlich.
  • Stärkung des nationalen Marktes, Beseitigung der strukturellen Schwächen der Wirtschaft, Ausweitung der öffentlichen Investitionen, Aufbau einer nationalen Produktion wichtiger Güter
  • eine Steuerpolitik, die Beiträge zur wirtschaftlichen Entwicklung, die Bedürfnisse des Staates, soziale Gerechtigkeit und ausgeglichene Haushalte sicher stellt; Erhöhung der Einkommenssteuer der Banken, Besteuerung von Kapitalerträgen, Steuern auf Veräußerungsgewinne an Börsen und zusätzliche Gebühren auf Gewinne der großen Wirtschafts- und Finanzgruppen
  • Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und Unterstützung der Arbeitslosen
  • Beendigung der Privatisierungen, auch der öffentlich-privaten Partnerschaften; gesellschaftliche Kontrolle von Branchen in strategisch wichtigen Sektoren, z.B. der Banken
  • Initiative zur Verfechtung portugiesischer Interessen in der EU, Neuverhandeln des Zeitplanes zum Defizitabbau, Aussetzen der portugiesischen Abgaben an den Gemeinschaftshaushalt

Sousa kündigte weiter Massenproteste an. Erste Pläne für einen Generalstreik im April oder Mai sind angedacht. Die portugiesischen Volksmassen sind jedenfalls nicht bereit, sich kampflos ins wirtschaftliche Elend treiben zu lassen. Dieser Sommer könnte auch für die portugiesische Bourgeoisie und ihre EU-Partner ein heißer werden.

Text: hth  /  Foto: PCP-Avante

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