Europa

alt19.02.2010:  Es ist durchaus schwer zu verstehen, wenn Nationen, die lange Zeit brutale Unterdrückung durch andere Staaten und Nationen erfahren haben, das Gleiche anderen Nationen antun, sobald sie ihr Haupt halbwegs erheben konnten. Die Führung der polnischen Nation demonstriert gegenwärtig einmal mehr, dass sie in dieser Hinsicht aus der eigenen Geschichte nichts gelernt hat. Dabei sah es in der Beziehung zu Weißrussland noch vor zwei Wochen fast so aus, als könnten Entspannung und Zusammenarbeit voranschreiten.

Am 11./12. Februar trafen sich die Außenminister Weißrusslands und Polens, Sergej Martynow und Radoslaw Sikorski in Warschau zu einem Arbeitsbesuch. Dabei unterzeichneten sie auch ein Abkommen über erhebliche Erleichterungen im Grenzverkehr. Für Bürger, die in Verwaltungseinheiten im Abstand von etwa 50 km auf beiden Seiten der Grenze und seit mehr als 3 Jahren dort leben, regelt das Dokument vereinfachte Grenzübertritte und Aufenthalte bis zu 90 Tagen in Anlehnung an das Schengener Abkommen in der EU. Fast gleichzeitig aber spitzte sich eine Auseinandersetzung zwischen Polen und Weißrussland über die Behandlung eines Teils der polnischen Nationalität in Weißrussland dramatisch zu. Von Harmonie keine Spur mehr.

Von der Gesamtbevölkerung Weißrusslands von 9,8 Mio. Menschen sind 4,1% (etwa 400.000 Menschen) Polen bzw. polnischer Abstammung. Die Gebiete, in denen sie leben, wurden 1939 in der Umsetzung des Deutsch-Sowjetischen Nichtangriffspaktes vom 23.8.1939 in die Sowjetunion eingeliedert, die Grenzziehung wurde später von den Siegermächten des 2. Weltkrieges bestätigt und war bis 1990 unstrittig. Mit der Zerschlagung der Überreste der sozialistischen Staaten in Osteuropa und mit dem Machterwerb bürgerlicher, antikommunistischer Kräfte in Polen hätten letztere zwar gerne wieder die Grenze von Polen zu Weißrussland in Frage gestellt. Jedoch zeigte die EU kein besonderes Interesse, dieses Fass aufzumachen. Dennoch erhob und erhebt die polnische, nationalistische Führung weiterhin den Anspruch, der Advokat der polnischen Minderheit in Weißrussland zu sein und mehr noch, sie benutzt diese auch für eigene Zwecke. Der Hebel ist dabei der Unterricht von polnischer Kultur und Sprache für Minderheiten im Ausland, für die der polnische Staat jährlich 100 Mio. Zloty (etwa 25 Mio. EUR) ausgibt.

Bereits im Jahre 1990 wurde in Weißrussland der Verband der Polen in Weißrussland (ZPB) gegründet, der sich die Förderung der polnischen Kultur und Sprache zum Ziel setzte. Als 2005 diese Organisation - etwa 20.000 Mitglieder stark - mit der Wahl von Angelika Borys zur Vorsitzenden in eine quasi 5. Kolonne der polnischen Nationalisten verwandelt wurde, entzogen die weißrussischen Behörden der ZPB die Registrierung. Die Vertretungsrechte der polnischen Nationalität erhielt offiziell die neu gegründete  Union weißrussischer Polen (UBP), die sich als ausschließlich dem weißrussischen Staat gegenüber verpflichtet versteht. Nach wie vor aber ist ein Teil der ZPB in Weißrussland am langen Zügel der polnischen Nationalisten - man könnte auch sagen: Revanchisten - aktiv.

Aus Polen erhielt der ZPB erhebliche Geldbeträge (nach Angaben der Gazeta Wyborcza bis 2005 für die Renovierung und Ausstattung von 16 Vereinshäusern der ZPB 30 Mio. Zloty, etwa 8 Mi. EUR) zum Ausbau eines eigenen Propagandazentrums in der Ortschaft Iweniec in der zu Polen grenznahen Stadt Grodno. Dies war der Anlass für den Chef der UBP, Stanislaw Syamaschka, vor Gericht eine Übereignung dieser Räumlichkeiten an die eigene Organisation zu beantragen. Am Montag (8.2.) betraten weißrussische Polizisten und Gerichtsvollzieher das 'Polnische Haus' des ZPB in Iweniec und begannen mit der Beschlagnahme von Vermögen. Das Gebäude wurde von Polizisten umstellt. Die Aktivisten des nicht anerkannten ZPB mussten den Forderungen der Polizei folgen und das Gebäude verlassen. Am übernächsten Tag, am 10.2., wurde eine unangemeldete Demonstration des ZPB gegen die Enteignung des Zentrums von der weißrussischen Polizei aufgelöst und die Vorsitzende A. Borys mit umgerechnet 362 US-Dollar Strafe belegt. Dreizehn Teilnehmer der Demonstration wurden verhaftet und kurzzeitig eingesperrt.

Nun begannen die polnischen Nationalisten aus allen Rohren ihre Attacken gegen Weißrussland. Der Botschafter wurde zu Konsultationen aus Minsk zurück gerufen. Unverhohlen wurde mit harten Repressalien gegen Weißrussland seitens verschiedener Politiker, auch aus der Regierung gedroht. Der Präsident des Sejm, Komorowski, sprach sich öffentlich für Sanktionen gegen Weißrussland aus. Ein Brief der polnischen Regierung an den weißrussischen Staatschef Lukaschenko mit 10 möglichen Strafmaßnahmen wurde übergeben (darunter Visa-Erschwernisse, Darlehensverweigerung durch den IWF, in dem der ehemalige polnische Ministerpräsident Belka Entscheidungseinfluss hat). Auch die EU-Spitze wurde von der polnischen Führung gegen Weißrussland aktiviert, so Jerzy Buzek, der EU-Parlamentspräsident und die Außenministerin der EU, Ashton. Gleichzeitig wird von Polens Staatspräsident Kaczynski und seinem Umfeld eine Kampagne gegen den polnischen Außenminister Sikorski gefahren, in der ihm vorgeworfen wird, eine falsche Politik der Öffnung und Einbindung Weißrusslands betrieben zu haben. Diese Politik der 'sanften Einbindung' Weißrusslands habe nichts gebracht und Sikorski, der sich bei der baldigen Wahl zum Staatspräsidenten aufstellen lassen will, sei für eine solche Aufgabe überhaupt nicht geeignet.

Während offenbar den großpolnischen Nationalisten der Begriff der 'Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten' gänzlich unbekannt ist und sie in chauvinstischer Aufhetzung zu Gunsten der 'Blutsbrüder' schwelgen, kamen aus Weißrussland rationalere Töne: Der Sprecher des Außenministeriums, Andrej Popow, äußerte sich am 17.2. so: 

"Außenminister Sergej Martynow hat bei seinem offiziellen Besuch in Warschau deutlich gesagt, dass in Weißrussland alle Rechte der nationalen Minderheiten gesetzlich festgelegt sind und dass diese beachtet werden. Das betrifft auch die Rechte der polnischen nationalen Minderheit. Der weißrussische Staat leistet ständige Hilfe bei deren kulturellen und Bildungstätigkeiten. Mitteilungen der polnischen Medien, die die Wirklichkeit und Fakten verdrehen, führen politische Kreise Polens und deren Öffentlichkeit irre und wirken sich negativ auf die beiderseitigen Beziehungen aus." Die Aufrufe, die in den letzten Tagen in Polen zu hören seien, etwa Visa-Sanktionen gegen weißrussische Staatsbürger, oder Beschränkungen in der Wirtschaft einzuführen, würden nicht zur Milderung der künstlich geschaffenen Spannung in den weißrussisch-polnischen Beziehungen beitragen und widersprächen der Helsinki Schlussakte von 1975 über die Nichtanwendung von wirtschaftlichen Sanktionen bezüglich souveränen Staaten, so der Pressesprecher. Und er fügte noch hinzu: "Wir sind bereit, gemeinsame Maßnahmen zu ergreifen, um das erreichte Niveau in den weißrussisch-polnischen Beziehungen zu erhalten und diese weiter auf der Grundlage der gegenseitigen Achtung und Nichteinmischung in innere Angelegenheiten der Staaten zu entwickeln. Das würde, glauben wir, den Interessen unserer Völker entsprechen und zur Stabilität auf dem europäischen Kontinent beitragen."

Der großpolnische Nationalchauvinismus trägt dazu sicher nichts bei. Seit der Staatsgründung nach dem ersten Weltkrieg bis heute immer mehr oder weniger stark vorhanden, trägt er nur dazu bei, Aggression gegen andere Nationen und Staaten zu erzeugen - eine durch und durch reaktionäre Strömung in Europa.

Text: hth  /  Foto: boleslav1 (Denkmal in Grodno)

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Gazakrieg Grafik Totoe 2024 04 07

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Wir unterhalten uns über den israelischen Vernichtungskrieg, die Rolle Deutschlands (am 8. und 9. April findet beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag die Anhörung über die Klage Nicaraguas gegen Deutschland wegen Beihilfe zum Völkermord statt), die Situation in Gaza und dem Westjordanland und den "Tag danach".

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Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

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