Deutschland

Klimaschutz kein Verbrechen16.11.2022: Klimaaktivist:innen bis zu 30 Tagen in polizeilicher Vorbeugehaft ++ Proteste gegen das Bayerische Polizeiaufgabengesetz ++ "Klima-RAF": Klima-Bewegung soll kriminalisiert werden ++ Überbietungswettbewerb für die Verschärfung der Repressionsmaßnahmen ++ Justizminister der Länder: Bis zu zwei Jahre Haft auf Bewährung – einfach per Strafbefehl und ohne gerichtliche Verhandlung

 

 

Mitglieder der Gruppe "Letzte Generation" hatten sich am Vormittag des 3. November in der Münchner Innenstadt auf der Straße festgeklebt und so den Verkehr zum Stocken gebracht. Wenige Stunden später wiederholte ein Großteil von ihnen die Aktion am gleichen Ort.

Da sie nach ihrer Festnahme angaben, ihre Protestaktionen fortsetzen zu wollen, bestätigten mehrere Ermittlungsrichter des Amtsgerichts München die vom Polizeipräsidium bis zum 2. Dezember beantragte Inhaftierung der Aktivisten. Lediglich zwei mussten um Mitternacht wieder freigelassen werden, ein weiterer wird am 14. November freigelassen. Zwölf Aktivist:innen werden bis zum 2. Dezember für 30 Tage in den Knast gesteckt - ohne Prozess.

Möglich ist diese Vorbeugehaft durch das Ende 2020 novellierte bayerischen Polizeiaufgabengesetz (PAG), das die Präventivhaft bis zu zwei Monaten ohne Anklage, ohne Prozess, ohne Urteil erlaubt. Auf richterliche Anordnung darf die Polizei eine Person in Gewahrsam nehmen, "wenn dies zur Verhinderung einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit oder einer Straftat unerlässlich ist".

Als das neue Polizeiaufgabengesetz im Juli 2017 im Bayerischen Landtag beschlossen wurde, versicherte der bayerische Innenminister Hermann, dass sich die Präventivhaft nur gegen "terroristische Salafisten" und "terroristische Gefährder" richten würde, die möglichst viele "Ungläubige" töten wollten und auf freiem Fuß nicht lückenlos überwacht werden könnten. Der Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember 2016 durch den Dschihadisten Anis Amri wurde zur Begründung herangezogen.,

In der ursprünglichen Form war eine Vorbeugehaft bis zu drei Monate vorgesehen, die nach richterlicher Prüfung immer weiter verlängert werden konnte. Nachdem dies als "Ewigkeitsgewahrsam" bezeichnet wurde und verfassungsrechtliche Zweifel bestanden, wurde das Gesetz Ende 2020 entschärft. Jetzt kann eine polizeiliche Vorbeugehaft bis zu 30 Tagen verhängt werden, die um weitere 30 Tage verlängert werden kann.

Doch jetzt trifft die polizeiliche Vorbeugehaft nicht "Terroristen", sondern Klimaaktivist:innen, die ihre Aktionen mit sehr konkreten Forderungen – Tempolimit 100km/h auf der Autobahn sowie ein 9€-Ticket im Nahverkehr – verbinden. Ihre Aktionen haben – wenn überhaupt - ein paar Staus zur Folge, ein in München ein tägliches Ärgernis.

 

Zunächst gilt für zivilen Ungehorsam das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Die strafrechtliche Bewertung der Sitzblockaden ist daher immer im Lichte des Rechts auf Versammlungsfreiheit zu bewerten. Sitzblockaden sind nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durch Art. 8 GG geschützte Versammlungen. Es ist legitim, dass Teilnehmende an Sitzblockaden eine hohe Aufmerksamkeit für ihr Anliegen erreichen wollen.
Rechtsanwältin Adelheid Rupp bei der Kundgebung am 13. November vor der JAV Stadelheim

Zudem sind Sitzblockaden nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durch Art. 8 GG geschützte Versammlungen, sagt die Rechtsanwältin Adelheid Rupp. Es ist juristisch umstritten, ob eine Straßenblockade überhaupt eine Straftat ist, die "ein gewisses Gewicht hat". So entschied ein Berliner Richter für einen Freispruch für eine Klima-Blockiererin, weil ihre Aktion "nicht verwerflich" sei, denn bei der Klimakrise bestehe eine "dringliche Lage". Eine Flensburger Richterin verweigerte die Verurteilung eines Klima-Waldbesetzers mit dem Hinweis, das Bundesfassungsgericht habe den Klimaschutz zum "Staatsziel" erhoben.

 

Letzte Generation Maria B
”Ich bin nicht bereit, weiter zuzusehen, wie meine Generation in Hunger, Leid und Tod geführt wird. Wenn die Regierung meinen friedlichen Widerstand mit gefliesten Zellenwänden bestraft, kann mich das nicht abschrecken. Gemessen an der Zukunft, die uns erwartet, wirkt das Innere von Stadelheim wie die bessere Option.”

Maria Braun, 18 Jahre alt, in München in Präventivhaft

Im Vorfeld der Beschlussfassung über das neue Polizeiaufgabengesetz gab es zahlreiche Proteste, da eine breite Öffentlichkeit die Gefahr sah, sie durch die weitreichenden Befugnisse die Gefahr sahen, dass Politik und Polizei die weitreichenden Befugnisse missbrauchen könnten. 

"Wie wir schon bei der Verabschiedung des neuen PAG gesagt haben, war die Behauptung der Staatsregierung, von der Vorbeugehaft seien nur Terroristen betroffen, von Anfang an falsch", sagt Rechtsanwalt Hartmut Wächtler aus München, der an einer Verfassungsbeschwerde beteiligt ist, über die das höchste deutsche Gericht in Karlsruhe entscheiden soll.

Unterstützung erhalten die Klima-Aktivist:innen u.a vom Münchner Erzbischof Reinhard Marx. Er habe Verständnis dafür, dass junge Menschen den Rahmen des Möglichen "sehr weit ausschöpfen", um "sichtbar zu machen, dass wir an einem Wendepunkt stehen". Der Jesuitenpriester Jörg Alt empört sich auf Twitter: “So etwas kenne ich sonst nur aus afrikanischen Diktaturen.”

  Klimaschuetzer Praeventivhaft SJ Alt  
  https://twitter.com/JoergAltSJ/status/1588535925969104897  

 

Am Sonntag (13.11..) zogen 1.000 Menschen vor die Mauern der Justizvollzugsanstalt Stadelheim, wo die Klima-Aktivist:innen eingesperrt sind, und demonstrierten ihre Solidarität.

MUC Demo 20221113 01
"Klimaschützen ist kein Verbrechen!"
Demonstration gegen die Präventivhaft für Klimaaktivist:innen.

 

 

Hetze gegen Klima-Aktivist:innen

Angesichts der Proteste der Klima-Bewegung und eine eskalierenden Klimakatastrophe hat ein Überbietungswettbewerb für die Verschärfung der Repressionsmaßnahmen begonnen.

Springerpresse und AfD hetzen gegen die Klima-Aktivist:innen und rücken sie in die Nähe der RAF. Die CSU steht nicht nach. "Die Entstehung einer Klima-RAF muss verhindert werden", sagt Alexander Dobrindt, Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag und fordert "deutlich härtere Strafen für Klima-Chaoten". Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bestärkt ebenfalls die Kampagne, dass die Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nensich zu einer "Klima-RAF" wandeln könnten. "Es besteht immer die Gefahr, dass bei einer großen Bewegung ein kleiner Kern beginnt, aggressiver und radikaler zu werden", sagte Söder.

D Bild Klima RAF

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte der Bild am Sonntag (13.11.), sein Ministerium werde genau beobachten, wie die Justiz mit den Angriffen von Kli­ma­de­mons­trant:in­nen auf Kulturschätze umgehe – und gegebenenfalls die Rechtslage verschärfen: "Sollte ich zu dem Ergebnis kommen, dass der rechtliche Rahmen nicht ausreicht, werde ich handeln", sagte Buschmann.

Zwei Jahre Haft ohne Verhandlung

Die Aufforderung zum Handeln des Bundesjustizministers kommt auch von den Justizminister:innen der Länder. Bis zu zwei Jahre Haft auf Bewährung – einfach per Strafbefehl und ohne gerichtliche Verhandlung – dafür haben sich die Justizminister der Länder auf Antrag des rheinland-pfälzischen Justizministers Herbert Mertin (FDP) auf ihrer 93. Herbstkonferenz (JuMiKo) am 11. November in Berlin ausgesprochen. Vorsitzender der 93. Justizministerkonferenz ist der bayerische Justizminister Georg Eisenreich (CSU). Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) wird in dem Beschluss aufgefordert, einen entsprechenden Regelungsvorschlag mit dem Ziel einer Stärkung der Justiz vorzulegen, teilte das Ministerium in Mainz mit.

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) und andere Verbände kritisieren diese Überlegungen aufgrund "der schweren Nachteile für Beschuldigte" und warnen davor, Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird, künftig ohne Hauptverhandlung zu verhängen und ohne dass die Schuld des Beschuldigten feststeht. Denn ein Strafbefehl ist eine Verurteilung ohne Verhandlung.

Der DAV erklärt: "Darin läge eine Gefahr: Sollte es zeitnah zu weiteren Verurteilungen kommen, die die Bildung einer Gesamtstrafe zuließen, wäre die Bewährung plötzlich vom Tisch", heißt es in einer Mitteilung. Auch ein Bewährungsverstoß könne zum Widerruf der Bewährung führen. "Beschuldigten droht damit unter Umständen eine beachtliche Haftstrafe, ohne [dass sie] je einen Gerichtssaal von innen gesehen ... haben."

Es liegt auf der Hand, dass das nur der Anfang der "rauen Jahre…nach innen wie nach außen" ist, die Bundespräsident Steinmeier in seiner Rede angekündigt hat, sagen Aktivist:innen. Es geht dem Staat darum, ein Instrument zu haben, um Protestaktionen und mögliche Streiks in der "kritischen Infrastruktur" schon im Vorfeld zu unterbinden, indem man die Akteur:innen festsetzt und alle einschüchtert.

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Wir sprechen über Palästina

Gazakrieg Grafik Totoe 2024 04 07

mit Rihm Miriam Hamdan von "Palästina spricht"

Wir unterhalten uns über den israelischen Vernichtungskrieg, die Rolle Deutschlands (am 8. und 9. April findet beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag die Anhörung über die Klage Nicaraguas gegen Deutschland wegen Beihilfe zum Völkermord statt), die Situation in Gaza und dem Westjordanland und den "Tag danach".

Onlineveranstaltung der marxistischen linken
Donnerstag, 18. April, 19 Uhr

https://us02web.zoom.us/j/82064720080
Meeting-ID: 820 6472 0080


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Logo Ratschlag marxistische Politik

Ratschlag marxistische Politik:

Gewerkschaften zwischen Integration und Klassenkampf

Samstag, 20. April 2024, 11:00 Uhr bis 16:30 Uhr
in Frankfurt am Main

Es referieren:
Nicole Mayer-Ahuja, Professorin für Soziologie, Uni Göttingen
Frank Deppe, emer. Professor für Politikwissenschaft, Marburg

Zu diesem Ratschlag laden ein:
Bettina Jürgensen, Frank Deppe, Heinz Bierbaum, Heinz Stehr, Ingar Solty

Anmeldung aufgrund begrenzter Raumkapazität bis spätestens 13.04.24 erforderlich unter:
marxlink-muc@t-online.de


 

Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
hier geht es weiter zum Text


 

 

UNRWA Gazakrieg Essenausgabe

UNRWA Nothilfeaufruf für Gaza
Vereint in Menschlichkeit, vereint in Aktion

Mehr als 2 Millionen Menschen, darunter 1,7 Millionen Palästina-Flüchtlinge, zahlen den verheerenden Preis für die Eskalation im Gazastreifen.
Zivilisten sterben, während die Welt zusieht. Die Luftangriffe gehen weiter. Familien werden massenweise vertrieben. Lebensrettende Hilfsgüter gehen zur Neige. Der Zugang für humanitäre Hilfe wird nach wie vor verweigert.
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Das UNRWA fordert den sofortigen Zugang zu humanitärer Hilfe und die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern für bedürftige Palästina-Flüchtlinge.
Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

Spenden: https://donate.unrwa.org/gaza/~my-donation


 

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