06.11.2018: Je näher der geplante Termin zur Unterzeichnung des UN-Paktes für eine "sichere, geordnete und geregelte Migration" am 10. und 11. Dezember in Marrakesch (Marokko) rückt, umso stärker mobilisieren die rechten, nationalistischen Kräfte gegen die Unterzeichnung.
Die UNO-Vollversammlung hat sich im Juli 2018 auf einen 34-seitigen Text (Globaler Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration) geeinigt. Die Zustimmung erfolgte mit 192 von 193 Stimmen. Nur die US-Regierung von Donald Trump machte nicht mit.
Inzwischen haben aber auch die Rechtsregierungen in Ungarn, Polen, Österreich, Kroatien und Australien angekündigt, den UN-Migrationspakt nicht zu unterschreiben. Anzunehmen ist, dass weitere nationalistisch orientierte Regierungen dazukommen werden. Begründet wird die Ablehnung mit dem angeblichen Verlust nationaler Souveränität in der Migrationspolitik und einem Verwischen der Unterschiede zwischen legaler und illegaler Einwanderung.
Scheiden weitere Regierungen der kapitalistischen Zentren aus, dann droht dem UN-Migrationspakt ein Schicksal wie der »UN-Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen«. (UN-Wanderarbeiterkonvention) In ihr sind die Rechte aller Arbeitsmigrant*innen, Saison- und Gelegenheitsarbeiter*innen und ihrer Familienangehörigen niedergelegt. Obwohl sie bereits 1990 erarbeitet wurde und seit dem 1. Juli 2003 in Kraft ist, bleibt sie wirkungslos, denn weder die USA noch ein EU-Mitgliedsland haben diese Konvention unterzeichnet. Unterzeichnet haben nur die Schwellen- und Entwicklungsländer, also die Herkunftsländer der Wanderarbeiter*innen.
AfD: "riesiges Umsiedlungsprogramm für Wirtschaftsflüchtlinge"
In Deutschland hat die AfD das Thema auf die Agenda gesetzt und warnt davor, dass die UNO mit diesem Abkommen eine Völkerwanderung aus Afrika einleiten will, zwischen 200 und 300 Millionen Afrikaner*innen soll die Einwanderung in Europa erlaubt werden.
AfD-Chef Jörg Meuthen schrieb am 21.10.2018 auf seiner Facebook-Seite, dass "Migranten aus aller Welt" nach Deutschland kommen dürften und dann "die gleichen Zugangsrechte zum Sozialsystem haben wie diejenigen, die dieses Sozialsystem schon seit Jahren mit ihrer Arbeit finanzieren, nämlich die Einheimischen". Meuthen schreibt weiter: " Damit ist dieser Pakt der UN nichts anderes als ein riesiges Umsiedlungsprogramm für Wirtschaftsflüchtlinge. Deren - bislang selbstverständlich illegale - Migration wird von den Vereinten Nationen mit legaler Migration gleichgesetzt."
Die Bundestagsfraktion der AfD hat eine Debatte über den Migrationspakt erzwungen, die für kommenden Donnerstag (8.11.) angesetzt ist.
Teile der Unionsfraktion auf AfD-Kurs
Im Vorfeld melden sich jetzt auch die nationalistischen Kräfte in der Unionsfraktion zu Wort. Der CDU-Innenpolitiker Marian Wendt sagte gegenüber der Zeitung »Welt«, dass er sich gemeinsam mit einigen Kollegen in der heutigen Fraktionssitzung "gegen die Unterzeichnung der aktuellen Fassung des Globalen Migrationspaktes aussprechen" werde. Er kritisiert, dass in dem Migrationspakt die Unterscheidung von Flucht- und Arbeitsmigration fehle.
Am Wochenende war bereits Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf Distanz zum UN-Migrationspakt gegangen. "Wichtig ist, dass Deutschland seine Souveränität behält, Migration zu steuern und zu begrenzen."
Ein vorgeschobenes Argument, denn der UN-Pakt ist rechtlich nicht bindend. "Dieser Globale Pakt stellt einen rechtlich nicht bindenden Kooperationsrahmen dar … und wahrt die Souveränität der Staaten und ihre völkerrechtlichen Pflichten", heißt es in dem Dokument.
UNO: Menschenrechte für Migrant*innen
Die UNO geht davon aus, "dass Migration ein bestimmendes Merkmal unserer globalisierten Welt ist" und will deshalb globale Standards zum Umgang mit Migrant*innen und Flüchtlingen und ihre Verpflichtung festschreiben, "die Menschenrechte aller Migranten ungeachtet ihres Migrationsstatus zu achten, zu schützen und zu gewährleisten".
zum Thema 8. Weltsozialforum der Migration in Mexico: Für eine Welt ohne Mauern |
Es geht um sichere, geordnete und legale Migration, erleichterte Familienzusammenführung, aber auch um bessere Möglichkeiten der Rückkehr in die Heimatländer. Die Ursachen, die zur Migration führen, sollen angegangen werden. Menschenschmuggel und Schlepperwesen wird der Kampf angesagt. Es wird darauf hingewiesen, dass sich der Klimawandel zu einer massiven Fluchtursache entwickelt hat und auch deshalb Migration nicht einfach gestoppt werden könne.
In 23 Punkten werden die Ziele des Abkommens genannt:
Was die rechten Kräfte besonders stört, ist die Verpflichtung, allen Bürger*innen "objektive, faktengestützte und klare Informationen über die Vorteile und Herausforderungen der Migration (zu) vermitteln, um irreführende Narrative, die zu einer negativen Wahrnehmung von Migranten führen, auszuräumen". Dazu müsse "eine unabhängige, objektive und hochwertige Berichterstattung durch die Medien" mit "ethischen Standards der Berichterstattung" gefördert werden und die "öffentliche Finanzierung oder materielle Unterstützung von Medien, die systematisch Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und andere Formen der Diskriminierung gegenüber Migranten" betreiben, eingestellt werden.
"Durch die Umsetzung des Globalen Paktes sorgen wir dafür, dass die Menschenrechte aller Migranten, ungeachtet ihres Migrationsstatus, während des gesamten Migrationszyklus wirksam geachtet, geschützt und gewährleistet werden. Wir bekräftigen außerdem die Verpflichtung, alle Formen der Diskriminierung, einschließlich Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz, gegenüber Migranten und ihren Familien zu beseitigen."
Globaler Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration, Punkt 15.f
Zudem werden Internierungen und Sammelabschiebungen erschwert und "in Partnerschaft mit nationalen Menschenrechtsinstitutionen" sollen Mechanismen geschaffen werden, "um die Behördenpraxis der Erstellung von Migrantenprofilen aufgrund der Rasse, der Ethnie oder der Religion sowie systematische Fälle von Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und allen anderen mehrfachen und sich überschneidenden Formen der Diskriminierung zu verhüten, aufzudecken und zu bekämpfen".
"Arbeitskräftemobilität" fördern
So positiv es ist, dass es in diesem Abkommen darum geht, die Rechte von Migrant*innen überall auf der Welt zu gewährleisten, und dass die Unteilbarkeit der Menschenrechte im Mittelpunkt steht, so verbleibt der "Globale Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration" doch im Rahmen des globalen Kapitalismus. "Er geht nicht an die Wurzel der strukturellen Ursachen der Zwangsmigration", heißt es im Aufruf zum »8. Weltsozialforums der Migration«, das vom 2. - 4. November 2018 in Mexico Stadt stattfand.
Dementsprechend liegt ein Fokus auf Arbeitskräftemobilität - die "regionale und regionenübergreifende Arbeitskräftemobilität erleichtern im Einklang mit den nationalen Prioritäten, den Bedürfnissen des örtlichen Marktes und dem Qualifikationsangebot", heißt es unter Ziel 5.
Allerdings will der Pakt auch dem entgegenwirken, dass durch Migration Druck auf die »heimische Arbeiterklasse« ausgeübt wird, indem Arbeitsmigrant*innen dieselben Arbeitsrechte und denselben Arbeitsschutz gewährleistet wird wie allen Arbeitskräften.
"Arbeitsmigranten, die einer bezahlten und vertragsgemäßen Arbeit nachgehen, dieselben Arbeitsrechte und denselben Arbeitsschutz gewährleisten, die allen Arbeitskräften im jeweiligen Sektor gewährt werden, beispielsweise das Recht auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen, auf gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit, auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zu friedlichen Zwecken und auf das erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit, einschließlich durch Lohnschutzmechanismen, sozialen Dialog und Mitgliedschaft in Gewerkschaften." (Ziel 6)
Sahra Wagenknecht sorgt für Irritationen
Für Irritationen sorgte wieder einmal die Vorsitzende der Linksfraktion, Sahra Wagenknecht. In der »Aktionsmail des Team Sahra« vom Sonntagabend (4.11.) verweist sie zustimmend auf einen Artikel von Norbert Häring, der sich mit fragwürdigen Argumenten gegen Migration wendet und linken Parteien, die den Migrationspakt mittragen, den verdienten Untergang wünscht.
Ich empfehle Euch den Artikel zur Lektüre. |
Dabei würde eine linke Position die Stärkung des Status von Migrant*innen begrüßen, die rechte, nationalistische Hetze gegen den Migrationspakt zurückweisen und aus einer klassenorientierten Position die Ursachen der Zwangsmigration benennen und bekämpfen sowie für das gemeinsame Handeln von »einheimischen« und migrantischen Arbeiter*innen wirken.
Der Kongress vermag ein Mittel zur Abhilfe der von der Aus- und Einwanderung für die Arbeiterschaft etwa drohenden Folgen nicht in irgendwelchen ökonomischen oder politischen Ausnahmemaßregeln zu erblicken, da diese fruchtlos und ihrem Wesen nach reaktionär sind, also insbesondere nicht in einer Beschränkung der Freizügigkeit und in einem Ausschluss fremder Nationalitäten oder Rassen. Dagegen erklärt es der Kongress für eine Pflicht der organisierten Arbeiterschaft, sich gegen die im Gefolge der Masseneinwanderung unorganisierter Arbeiter vielfach eintretende Herabdrückung ihrer Lebenshaltung zu wehren, und erklärt es außerdem für ihre Pflicht, die Ein- und Ausfuhr von Streikbrechern zu verhindern. Der Kongress erkennt die Schwierigkeiten, welche in vielen Fällen dem Proletariat eines aus hoher Entwicklungsstufe des Kapitalismus stehenden Landes aus der massenhaften Einwanderung unorganisierter und niederer Lebenshaltung gewöhnter Arbeiter aus Ländern mit vorwiegend agrarischer und landwirtschaftlicher Kultur erwachsen, sowie die Gefahren, welche ihm aus einer bestimmten Form der Einwanderung entstehen. Er sieht jedoch in der übrigens auch vom Standpunkt der proletarischen Solidarität verwerflichen Ausschließung bestimmter Nationen oder Rassen von der Einwanderung kein geeignetes Mittel, sie zu bekämpfen." Resolution des Internationalen Sozialistenkongresses in Stuttgart im Jahr 1907 |
"Die Linke hat die Frage der Konkurrenz immer mit der Forderung nach gesetzlichen Mindestlöhnen, Tarifverträgen für alle und guter Sozialpolitik beantwortet, niemals mit Ausgrenzung. Außerdem haben wir immer zusammen mit den ausländischen Beschäftigten für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne gekämpft", sagt der Vorsitzende der Partei DIE LINKE, Bernd Riexinger.
Jetzt wird spannend, wie die Linksfraktion am Donnerstag im Bundestag argumentieren wird.