Deutschland

MUC Hausdurchsuchung 2018 08 1414.08.2018: In München hat die Polizei am frühen Dienstagmorgen (14.8.) die Wohnungen zweier kurdischer Aktivisten durchsucht. Hzrwan Abdal und dem Ko-Vorsitzende des Kurdischen Gesellschaftszentrums in München, Azad Bingöl, wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, auf Kundgebungen Fahnen der syrisch-kurdischen Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG und YPJ getragen zu haben.

Die beiden Kurden sollen die Fahnen auf Demonstrationen gegen den türkischen Angriffskrieg auf den Kanton Afrin in Nordsyrien und auf einer weiteren anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März gezeigt haben.

"Dabei trug er eine grüne Fahne in Wimpelform, welche in der Mitte einen fünfzackigen roten Stern umgeben von den Buchstaben 'YPJ' in gelber Fahne, zeigte, bei sich, sodass diese von anderen Personen, wie er zumindest billigend in Kauf nahm, wahrgenommen werden konnte", heißt es im Durchsuchungsbeschluss der Staatsanwaltschaft.

YPG SZ AbdalBei der Razzia bei Hzrwan Abdal hatten die Staatsschützer den Ausdruck des Facebook-Profils des Betroffenen dabei. Abgebildet war ein Screenshot eines weiterverbreiteten Artikels der Süddeutschen Zeitung vom 2. März, der mit einer YPG-Fahne bebildert war. (Foto)

 

Strafverfahren wegen Teilens eines Facebook-Postings

YPG BayerRundfunk FacebookDies reiht sich ein in die Hunderte von Strafverfahren gegen Personen, die auf Facebook die Fahnen von YPG und YPJ posteten oder bei Antikriegskundgebungen Fahnen der YPG oder YPJ trugen. Besonders absurd ist, dass sogar das Posten eines Berichts des Bayerischen Rundfunks verfolgt wird, weil der Bayerische Rundfunk die YPG-Fahne zeigt.

Allein gegen den Münchner Medienwissenschaftler Kerem Schamberger, dessen Wohnung die Polizei im November letzten Jahres durchsucht hatte, läuft rund ein Dutzend Verfahren wegen des Zeigens von YPG- und YPJ-Symbolen. Auch gegen den Cellisten der Münchner Philharmoniker Johannes König wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, weil er den Beitrag des Bayerischen Rundfunks auf Facebook geteilt hatte. (siehe kommunisten.de: Deutschland: "… enorme Parallelen zur türkischen Staatspolitik"

Inzwischen werden auch die ersten Strafbefehle verschickt. So erhielt Anfang August eine Betroffene einen Strafbefehl in Höhe von 2.250 Euro, weil sie zwei Facebook-Einträge von Kerem Schamberger geteilt hatte, auf denen eine YPG- bzw. YPJ-Fahne abgebildet war. Das Gericht hat dabei 75 Tagessätze in Höhe von 30 Euro festgesetzt; bei 90 Tagessätzen wäre man vorbestraft. Nach Ansicht der Erdoğan-Fans in der bayerischen Justiz also fast vorbestraft wegen Teilens von zwei Facebook-Postings - "enorme Parallelen zur türkischen Staatspolitik".

Geburtstagskarte beschlagnahmt

Bei der heutigen Hausdurchsuchung beschlagnahmten die Polizei neben YPG-Fahnen auch Mobiltelefone, "Schriften mit PKK-Bezug" und Fahnen mit dem Bild des PKK-Vordenkers Abdullah Öcalan. Aus der Wohnung von Bingöl, der auch Mitglied im Münchner Migrationsbeirat ist, nahmen die Beamten selbst Bilder des bekannten kurdischen Regisseurs Yilmaz Güney, der im französischen Exil in den 80er Jahren verstarb, mit. Offenbar genügte dessen markanter Schnauzbart, ihn in den Augen der bayerischen Ermittler verdächtig erscheinen zu lassen. Auch eine Geburtstagskarte von Bingöls kleiner Schwester, die mit einem YPG-Sticker versehen war, wurde als Beweismittel beschlagnahmt und in einem gesonderten Umschlag verpackt.

 

MUC Hausdurchsuchung 2018 08 14 2
"Selbstgemalte Geburtstagsglückwünsche meiner kleinen Schwester mit einem YPG/YPJ Sticker scheint für die Münchener Polizei bei der heutigen Hausdurchsuchung bei mir sehr gefährlich erschienen zu sein!
Grund der Hausdurchsuchungen bei mir und einem weiteren Genossen sind übrigens Zeigen und Teilen von YPG/YPJ Symbolen bei denen bereits unsere Personalien festgestellt waren, weil wir das bewusst und öffentlich getan hatten und weiterhin tun werden!
Im Übrigen scheint die Münchener Polizei und Staatsanwaltschaft mit meiner kleinen Schwester nicht derselben Meinung über mich zu sein und auch nicht das gleiche für mich zu wünschen aber mei :)
»Alles Gute für den besten Bruder auf der Welt« steht da

Azad auf Facebook

     

 

In einem Interview mit ANF News sagt Azad Bingöl:

Azad Bingoel"Es wurden alle Gegenstände, die in irgendeiner Weise mit der kurdischen Freiheitsbewegung zu tun haben, beschlagnahmt. Dazu gehören Flugblätter, die wir beispielsweise in der Öffentlichkeit zu Themen wie der Freiheit Abdullah Öcalans, der Forderung zur Aufhebung des PKK-Verbots, dem Mord an Halim Dener, den Morden an den drei kurdischen Frauen Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez und dem Kampf der YPG/YPJ gegen den IS verteilt haben.

Alle Flugblätter und Postkarten wurden gezählt und abgepackt, als sei es eine Straftat, in ihrem Besitz zu sein. Zeitschriften und Zeitungen, unter anderem die in Europa erscheinende Tagezeitung Yeni Özgür Politika und Politika Azad, deren Ausgaben man an jedem Bahnhof kaufen kann, sowie diverse T-Shirts und Kleidungsstücke wie Schals oder Westen mit der Aufschrift »Freiheit für Öcalan«, die wir auf unseren angemeldeten Veranstaltungen trugen, wurden ebenfalls beschlagnahmt. Selbst ein Mosaikstein mit einer Abbildungen des bekannten kurdischen Filmemachers und Schauspielers Yılmaz Güney, der 1984 im Pariser Exil verstorben ist, wurde unter dem Vorwand »PKK-Bezug« beschlagnahmt. Das bloße Berühren dieses Steins meinerseits wurde von der Polizei zum Anlass genommen, mich ohne Vorwarnung wegzuschubsen, während ich lediglich erklärte, um wen es sich dabei handelt.

Selbst eine von meiner kleinen Schwester angefertigte Geburtstagskarte, auf der u.a. ein Sticker der YPG klebte, wurde abfotografiert, in eine gesonderte Tüte gesteckt und wie eine Trophäe als Beweismittel mitgenommen.

Ein Ordner, in dem die Personalien von Schüler*innen der ehemaligen Folklore-Tanzgruppe unseres Vereins abgeheftet waren, wurden im Ermittlungsverfahren gegen mich ebenfalls mitgenommen.

Erlaubte Fahnen, mein Mobiltelefon sowie ein paar defekte Handys, Laptops und sämtlichen Speichermedien wurden auch beschlagnahmt.

Die Räume meiner Familienangehörigen wurden ebenfalls durchsucht, obwohl es hierfür keinen Beschluss und Anlass gab. Ich wurde zwar im Anschluss nicht festgenommen, jedoch durfte ich mich während der stundenlangen Durchsuchung weder frei bewegen noch Kurdisch sprechen. Jeder Versuch, mich mit meiner Familie zu verständigen, wurde auf Anhieb unterbunden.

Keiner der beschlagnahmten Gegenstände steht im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen mich. Auf Nachfrage wurde dies auch nicht geleugnet, im Gegenteil. Nach mehrmaligem Einspruch meinerseits ist dies von den Polizisten sogar bestätigt worden. Der Durchsuchungsbeschluss erlaube ihnen, sämtliche für sie relevant erscheinende Gegenstände mitzunehmen."

(ANF News: Hausdurchsuchungen wegen YPG-Fahnen in München)

Weder die Verbände YPG und YPJ, die in Syrien von den USA im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat unterstützt werden, noch deren Symbole sind in Deutschland verboten. Allerdings hat das Bundesinnenministerium im März letzten Jahres mitgeteilt, dass die Fahnen und Symbole der syrischen Kurden dann unter das PKK-Verbot fallen, wenn sie ersatzweise statt verbotener PKK-Symbole verwendet würden. Da es für die Polizei und Justiz schwierig ist, die diesbezügliche Motivation des jeweiligen Fahnenträgers festzustellen, stellt sich etwa die Berliner Polizei auf den Standpunkt, dass solche Fahnen auf Demonstrationen gegen den Afrin-Krieg keinen PKK-Bezug aufwiesen, sondern tatsächlich Solidarität mit den Verteidigern des angegriffenen Kantons ausdrücken sollten.

Auch mehrere deutsche Gerichte lehnten Strafbefehle gegen Personen ab, die Fahnen der kurdischen Kampfeinheiten YPG oder YPJ auf Facebook gezeigt hatten. Die Münchner Staatsanwaltschaft zeigt sich davon allerdings unbeeindruckt. In Bayern gehen Staatsschutz und Justiz vehement gegen die Träger*innen und Verbreiter*innen dieser Symbole vor. Da jedoch bei keiner der in den Durchsuchungsbeschlüssen aufgeführten Demonstrationen ein irgendwie gearteter PKK-Bezug zu belegen ist, wird nun versucht, diesen fehlenden PKK-Bezug herzustellen, indem man die Wohnungen der Betroffenen durchsucht und alles beschlagnahmt, was nach PKK aussieht.

Kriminalisierung und Einschüchterung

Doch auch bundesweit häufen sich in den letzten Monaten - unter dem Vorwurf der PKK-Unterstützung – Razzien sowohl gegen kurdische Vereine des Dachverbandes »Nav Dem« als auch gegen Zentren der deutschen Linken. Anfang März wurde das Haus des Mezopotamien-Verlages und des Musikproduzenten Mir Multimedia in Neuss von der Polizei besetzt und nach "verbotenen Dokumenten" durchsucht. Bücher, CDs und Materialien zur Musikproduktion wurden beschlagnahmt und mit mehreren Lastwagenladungen abtransportiert. (kommunisten.de: Türkische Verhältnisse - Erdoğans langer Arm reicht bis in die Bundesregierung)

 mehr dazu

 

In Oldenburg durchsuchten 50 Polizeibeamte die Räume des alternativen Zentrums »Alhambra« nachdem auf einer dortigen Kundgebung zum 1. Mai YPG-Fahnen zu sehen waren.

Im Juni durchsuchte die Polizei die Vereinsräume von »Nav Dem Berlin« und stürmte bei dieser Gelegenheit ohne Durchsuchungsbeschluss die Räumlichkeiten des im selben Gebäude untergebrachten kurdischen Zentrums für Öffentlichkeitsarbeit »Civaka Azad«.

Wenige Tage später nahmen rund 100 Polizisten Razzien bei elf Objekten aus dem Umfeld des Arbeitskreises Asyl Cuxhafen vor und beschlagnahmten in großem Umfang Computer und Laptops. Während verschiedener vom AK Asyl angemeldeter Demonstrationen gegen den Afrin-Krieg soll es zu Verstößen gegen das PKK-Verbot gekommen sein, so die Begründung der Ermittler.

Anfang Juli wurden schließlich die Vereinsräume von »Nav Dem« in Bielefeld durchsucht.

Der Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland »Azadi« sieht diese verstärkte Repression als Folge von Abmachungen zwischen dem damaligen Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) und seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu Anfang des Jahres. Die Razzien dienten nicht der Beweissicherung, sondern vornehmlich der Einschüchterung und Ausspähung, hieß es in einer Mitteilung Ende Juli.

Deutschland an der Seite Erdoğans

Azad Bingöl antwortet in dem ANF-Interview auf die Frage "Wie bewertest du die Hausdurchsuchung, was will der Staatsschutz damit erreichen?":

"Diese Hausdurchsuchungen sind natürlich nur ein Bruchteil der jahrzehntelangen deutschen Kriminalisierungspolitik gegen kurdische Aktivist*innen hierzulande. Es ist nicht meine erste Erfahrung mit der staatlichen Kriminalisierung. Mehrmals wurde ich angeklagt und in einigen Fällen freigesprochen, weil es sich um haltlose Tatvorwürfe handelte. Dies wurde vom Staatsschutz offensichtlich zum Anlass genommen, weitere Ermittlungen aufzunehmen. Vor allem Aktivist*innen, die der Öffentlichkeit bekannt sind bzw. in den kurdischen Strukturen aktiv sind, sollen mit den Repressionen eingeschüchtert werden und so als Beispiel für andere Aktivist*innen gelten. Dieses Vorgehen dient primär zur Durchleuchtung der Strukturen von kurdischen und linken Aktivist*innen.

"Diese Kriminalisierungspolitik ergänzt sich natürlich
mit der Kriegsunterstützung der Bundesregierung
an die Türkei, wie zuletzt in Efrîn."

Diese Kriminalisierungspolitik ergänzt sich natürlich mit der Kriegsunterstützung der Bundesregierung an die Türkei, wie zuletzt in Efrîn. Der Irrtum der Behörden hierzulande liegt jedoch dabei, dass wir weiterhin kritisch sind und unseren politischen Kampf aktiv und entschlossen fortsetzen werden. Ich bin fest davon überzeugt, dass diese Phase der Kriminalisierung gegen kurdische bzw. solidarische Menschen als dunkles Kapitel in die Geschichte eingehen wird.

Vielleicht kommt es dazu, dass uns die Justiz zeitnah verurteilt. Die Geschichte jedoch wird die Kriegstreiber und ihre Handlanger verurteilen. Diese Gewissheit gibt mir Kraft, weiter zu machen, deshalb gilt mein Appell allen Betroffenen, sich zu organisieren und sich nicht einschüchtern zu lassen."

(ANF News: Hausdurchsuchungen wegen YPG-Fahnen in München)

 

fotos: Screenshots Facebook, ANF

Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
hier geht es weiter zum Text


 

 

UNRWA Gazakrieg Essenausgabe

UNRWA Nothilfeaufruf für Gaza
Vereint in Menschlichkeit, vereint in Aktion

Mehr als 2 Millionen Menschen, darunter 1,7 Millionen Palästina-Flüchtlinge, zahlen den verheerenden Preis für die Eskalation im Gazastreifen.
Zivilisten sterben, während die Welt zusieht. Die Luftangriffe gehen weiter. Familien werden massenweise vertrieben. Lebensrettende Hilfsgüter gehen zur Neige. Der Zugang für humanitäre Hilfe wird nach wie vor verweigert.
Unter diesen Umständen sind Hunderttausende von Vertriebenen in UNRWA-Schulen untergebracht. Tausende unserer humanitären Helfer sind vor Ort, um Hilfe zu leisten, aber Nahrungsmittel, Wasser und andere lebenswichtige Güter werden bald aufgebraucht sein.
Das UNRWA fordert den sofortigen Zugang zu humanitärer Hilfe und die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern für bedürftige Palästina-Flüchtlinge.
Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

Spenden: https://donate.unrwa.org/gaza/~my-donation


 

EL Star 150

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.