Deutschland

MX Ayotzinapa  Demo12.04.2016: Zum Auftakt für ein deutsch-mexikanisches Jahr kam gestern Mexikos Staatspräsident Enrique Peña Nieto für zwei Tage zu einem Staatsbesuch nach Deutschland. Während deutsche Wirtschaftsvertreter nur die "mangelnde Rechtssicherheit bei Verwaltungsakten" beklagen, verweisen Menschenrechtsorganisationen auf die Verantwortung der mexikanischen Regierung für Folter, willkürliche Verhaftungen, Verschwindenlassen und Morde. John M. Ackerman von der Autonomen Universität Mexikos (UNAM) fordet die deutsche Regierung auf, Mexikos Präsidenten zur Rechenschaft zu ziehen.

 

Mit militärischem Zeremoniell begrüßte Bundespräsident Joachim Gauck am Montag in Berlin den mexikanischen Präsidenten Enrique Peña Nieto. Nach einem Treffen mit Bundeskanzlerin Merkle wird Nieto vor dem Lateinamerika Verein der deutschen Industrie sprechen und für Mexiko als herausragendem Investitionsstandort werben. Im Vorfeld hat der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer, die „mangelnde Rechtssicherheit bei Verwaltungsakten" beklagt und entsprechende Reformen angemahnt. In Mexiko sind rund 1700 deutsche Firmen aktiv. Seit vergangenem Jahr liegt Mexiko als wichtigstes Exportziel in Lateinamerika vor Brasilien. Eric Schweitzer sagte, dass noch mehr deutsche Firmen in Mexiko investieren würden, wenn die dortige Regierung für Verbesserungen bei der Ausbildung von Fachkräften und öffentliche Ausschreibungen sorge.

So sehr sich die deutsche Wirtschaft und die Bundesregierung um die Sicherheit der Investitionen und die Rechte der Unternehmen sorgen, so wenig berühren sie die Unsicherheit der Menschen und die gravierenden Verletzungen der Menschenrechte in Mexiko.

Die Bundestagsabgeordnete der LINKEN, Heike Hänsel, erklärt dazu: "Es ist beschämend, wie die Bundesregierung vor dem Besuch von Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto die katastrophale Menschenrechtssituation unter dessen Regierung ausblendet. Während in Mexiko nach offiziellen Angaben rund 27.000 Menschen verschwunden und politische Morde fast an der Tagesordnung sind, und das Verbrechen von Ayotzinapa mit 43 gewaltsam verschwundenen Studenten noch Gut im öffentlichen Gedächtnis ist, setzt sich Deutschland in der Europäischen Union für die Erneuerung eines Freihandelsabkommens mit diesem lateinamerikanischen Land ein ohne substantielle Änderungen im Bereich Schutz der Menschenrechte. Dass die Behörden fast nichts unternehmen, um diese Verbrechen aufzuklären, wird einfach übergangen."

Auch die deutsche "Menschenrechtskoordination Mexiko" richtet sich in einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin und den Bundespräsidenten, in dem die Verantwortung der mexikanischen Regierung an zahlreichen Fällen von Folter, willkürlichen Verhaftungen und Morden aufgezeigt wird. Die Straflosigkeit von 98 Prozent bei Menschenrechtsverletzungen mache deutlich, dass seitens der Politik kein Interesse besteht, die Situation zu verbessern. Hinzu kommen derzeit rund 27.000 Fälle verschwundener Menschen. Das Vertrauen der Bevölkerung in staatliche Einrichtungen sei daher schon lange nicht mehr gegeben, heißt es in dem offenen Brief.

Auch Amnesty International kritisiert die Anwendung von Folter und anderen Misshandlungen, die bei mexikanischer Polizei und Militär weit verbreitet sind. Polizisten und Soldaten, die foltern, müssen keine Angst vor Strafverfolgung haben, während die Opfer oft trotz des Mangels an Beweisen im Gefängnis sitzen.
Viele der rund 27.000 Verschwundenen sind Opfer des Verschwindenlassens durch Drogenmafia und korrumpierte Sicherheitsbehörden. Amnesty fordert, dass alle Fälle von Folter aufgeklärt, die Verantwortlichen vor Gericht gestellt und die Opfer entschädigt werden. Außerdem muss die mexikanische Regierung entschlossener gegen das Verschwindenlassen vorgehen, fordern die Menschenrechtorganisationen.

Seit Peña Nieto die Regierung übernahm, wurden das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Pressefreiheit sowie Protest- und Versammlungsfreiheit systematisch angegriffen. Studentische Aktivisten, Indigene, Frauen, oppositionelle Politiker und unabhängige Journalisten wurden ins Visier genommen, analysiert das Lateinamerika Portal amerika21. Heute ist Mexiko eines der gefährlichsten Länder der Welt für die Presse, mit häufigen Morden an und Bedrohungen von Journalisten.

"Folter, Verschwindenlassen, Morde und die systematische Bedrohung von Menschenrechtsverteidigern sind in Mexiko an der Tagesordnung. Auch Pena Nieto ist es während seiner Amtszeit nicht gelungen, die Menschenrechtslage zu verbessern und die organisierte Kriminalität in den Griff zu bekommen. Staatliche Einrichtungen wie Polizei und Sicherheitskräfte sind von der Drogenmafia unterwandert und tragen dazu bei, dass in vielen Regionen Mexikos Gewalt und Straflosigkeit herrschen. Daher ist richtig, dass das deutsch-mexikanische Sicherheitsabkommen auf Eis gelegt wurde. Bei jedem Sicherheitsabkommen müssen die Menschenrechte eine zentrale Rolle spielen. Das gilt gerade für Mexiko. Nach den illegalen Waffenlieferungen aus Deutschland müssen wir besonders sensibel sein", erklärte Frank Schwabe, Sprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe der SPD.  

John M. Ackerman, Professor am Institut für Juristische Forschung der Autonomen Universität Mexikos (UNAM), fordert in einem vom Nachrichtenportal amerika21 veröffentlichten Artikel:

Deutschland sollte Mexikos Präsidenten zur Rechenschaft ziehen

Enrique Peña Nieto, Mexikos Präsident, ist nicht derjenige, als der er sich präsentiert. Er ist kein demokratischer Politiker, der eine sich abkämpfende Nation repräsentiert, sondern ein autoritärer Führer, der bei seinem Volk zunehmend auf Ablehnung stößt. Anstatt Peña Nieto an diesem Montag, 11. April, mit offenen Armen in Berlin zu empfangen, sollte er gemieden und über seine zunehmend autoritäre, korrupte und repressive Regierung zur Rede gestellt werden.
Als die Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI), die alte Garde um Peña Nieto, 2012 zurück an die Macht kam, waren viele Kommentatoren schnell dabei, die Möglichkeit von Autoritarismus auszublenden. Die Institutionen des Landes waren angeblich stark genug, seine Wirtschaft offen genug und die regierende Partei ausreichend umgestaltet, um eine Rückkehr auf die Pfade der Vergangenheit zu verhindern. In der Tat präsentierten eine Reihe von lobhudelnden Berichten Peña Nieto sogar als nichts weniger als die Rettung für ganz Lateinamerika.

Anstatt jedoch die Geister der Vergangenheit auszutreiben, ließ der mexikanische Präsident sie faktisch ans Steuer, wie es in den vergangenen drei Jahren deutlich wurde.

Von Beginn seiner Präsidentschaft an sind Peña Nieto und viele seiner engsten Parteifreunde in einer Serie von Korruptionsskandalen auf höchster Ebene versumpft. Unabhängige Journalisten haben jüngst aufgedeckt, dass ein Unternehmen unter Geschäftsführung eines hochrangigen Mitglieds eines der führenden Drogenkartelle in Mexiko Millionen Dollar für Peña Nietos Präsidentschaftskampagne von 2012 zahlte. Und der Mann, der für die Aufstellung von Peña Nieto als Präsidentschaftskandidat der PRI 2012 verantwortlich war, Humberto Moreira, wurde kürzlich in Spanien verhaftet und der Geldwäsche beschuldigt.

Durch die Informationen im Zuge der “Panama Leaks”, welche die Süddeutsche Zeitung unlängst herausgab, wurde aufgedeckt, dass Peña Nietos bevorzugter Auftragnehmer, Juan Armando Hinojosa, im vergangenen Jahr als Reaktion auf eine Reihe von Berichten, die seinen Beziehungen zu Peña Nieto nachgingen, mindestens 100 Millionen US-Dollar auf neun verschiedenen ausländischen Bankkonten zur Seite schaffte. Zuvor kam durch die "Swiss Leaks" ans Licht, dass eines der führenden Mitglieder von Peña Nietos politischer Gruppe, Carlos Hank Rhon, 157 Millionen Dollar auf HSBC-Konten in der Schweiz versteckte. Die New York Times hat ebenso unfassbare Multi-Millionen-Dollar-Anteile an Immobilien in New York und anderen US-Großstädten durch Politiker aus dem Umkreis Peña Nietos aufgedeckt.

Aber das ist nicht alles. Seit Peña Nieto an die Macht kam, wurden das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Pressefreiheit sowie Protest- und Versammlungsfreiheit systematisch angegriffen. Studentische Aktivisten, Indigene, Frauen, oppositionelle Politiker und unabhängige Journalisten wurden ins Visier genommen.

Heute ist Mexiko eines der gefährlichsten Länder der Welt für die Presse, mit häufigen Morden an und Bedrohungen von Journalisten. Mehr als ein Dutzend Journalisten wurden in ganz Mexiko während ihres Dienstes ermordet, seit Peña Nieto sein Amt übernahm. Der Gruppe für die Pressefreiheit "Article 19" zufolge sind in der übergroßen Mehrheit der Fälle von Übergriffen gegen die Presse Regierungsbeamte direkt verwickelt.

Über die direkte Gewalt gegen Journalisten hinaus hat Medienzensur durch den Staat zugenommen. Eine lange Liste von unabhängigen Journalisten ist aus Radio und Fernsehen aufgrund ihrer regierungskritischen Sichtweisen verbannt worden und Mexikos führende Radionachrichtenmoderatorin, Carmen Aristegui, wurde kürzlich willkürlich gefeuert, anscheinend auf direkte Order aus dem Büro des Präsidenten.
Währenddessen ist die Versammlungsfreiheit Ziel systematischer Angriffe, die Zahl der politischen Gefangenen und willkürlicher Verhaftungen von Aktivisten ging in den vergangenen Jahren durch die Decke. Oppositionelle Politiker sind ebenfalls unter Beschuss geraten. Seit Peña Nieto sein Amt antrat, wurden über 40 Bürgermeister oder Bürgermeisterkandidaten ermordet. Bei den bundesweiten Zwischenwahlen 2015 wurden über ein Dutzend Kandidaten während ihrer Wahlkampagne ermordet. Am 1. April dieses Jahres wurde einer der Anführer der neuen Morena-Partei im Bundesstaat Oaxaca, Enrique Quiroz, kaltblütig erschossen. Am selben Tag begann der heiß umkämpfte Gouverneurswahlkampf.

Massaker, die direkt von Sicherheitskräften begangen wurden, sind ebenfalls an der Tagesordnung. Am 6. Januar 2015 mähten mexikanische Sicherheitskräfte im Bundesstaat Michoacán wahllos mehr als ein Dutzend Demonstranten und kommunale Polizisten nieder, die an einer Demonstration für Frieden und Sicherheit in ihrer Stadt teilnahmen. Das war kein Einzelfall. Ähnliche Massaker und exzessiver Gewaltgebrauch ereigneten sich am 30. Juni 2014 in Tlatlaya im Bundesstaat Mexiko; am 26. September 2014 in Iguala, Guerrero; am 22. Mai 2015 an der Grenze zwischen Michoacán und Jalisco; und am 19. Juli 2015 in Ostula, Michoacán.

In jedem einzelnen dieser Fälle wurden die Ermittlungen über staatliches Fehlverhalten auf Bundesebene verschleppt, fokussierten auf die unterste Ebene der offiziell Verantwortlichen und verkauften sogar krasse Lügen. Zum Beispiel fanden Nichtregierungsorganisationen heraus, dass das Massaker von Tlatlaya offenbar als Antwort auf eine offizielle Militärdirektive erfolgte, welche an die Soldaten appellierte, verdächtige Kriminelle "in den späten Nachtstunden zu erledigen". Und zwei aktuelle Studien über das Verschwindenlassen von Iguala, eine von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission und eine von einer Gruppe argentinischer Gerichtsgutachter, haben die Version der Regierung über das, was den 43 studentischen Aktivisten des Ayotzinapa-Lehrerkollegs an diesem Tag passierte, komplett unglaubwürdig erscheinen lassen.

Extreme Gewalt ist für Mexiko nicht neu. Seit der ehemalige Präsident Felipe Calderon im Jahr 2006 seinen militarisierten Drogenkrieg startete, wurden zehntausende Zivilisten getötet. Mehr als 20.000 Menschen wurden während der vergangenen Dekade auch als "verschwunden" verzeichnet. Aber seit ein paar Jahren ist die Lage noch einmal schlimmer geworden. Heutzutage fügt die Gewalt nicht nur unschuldigen Unbeteiligten Schäden zu, sondern richtet sich zunehmend gegen Einzelne, die ein Zeichen gegen Machtmissbrauch setzen.

Die deutsche Regierung wäre gut beraten, hinter die Kulissen der Netzwerke von Konzerneliten und etablierten Politiker zu blicken, die heutzutage die Agenda der Beziehung zwischen Europa und Lateinamerika bestimmen. Die deutschen Führungspersonen sollten besser der mächtigen und dynamischen Zivilgesellschaft Mexikos die Hand reichen und ihr zuhören, die zunehmend die Geduld mit der simulierten Demokratie des Landes und seinen mangelhaften staatlichen Institutionen verliert.

John M. Ackerman ist Professor am Institut für Juristische Forschung der Autonomen Universität Mexikos (UNAM), Herausgeber der Mexican Law Review und Kolumnist bei den mexikanischen Zeitungen La Jornada und Proceso

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Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

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