27.04.2012: Am 6. Mai wählt Schleswig-Holstein ein neues Landesparlament. Die erfolgreiche Klage der LINKEN vor dem Landesverfassungsgericht gegen das undemokratische Landeswahlgesetz hat zu diesen vorzeitigen Neuwahlen geführt. Die Bilanz der CDU/FDP-Regierung gleicht einem Offenbarungseid: Schleswig-Holstein war das erste Bundesland, das eine sog. "Schuldenbremse" in seine Landesverfassung aufgenommen hat. Mit Ausnahme der LINKEN stimmten alle Fraktionen (CDU, FDP, SPD, Grüne und SSW) zu. Mit dieser Keule wurde eine Politik des sozialen Kahlschlags eingeleitet und in vielen Bereichen schon in die Tat umgesetzt. Einige Schlaglichter:
Ausdruck einer verfehlten Wirtschaftspolitik ist die Tatsache, dass fast ein Viertel der Vollzeitbeschäftigten in Schleswig-Holstein im Niedriglohnbereich arbeiten. Das ist der traurige Spitzenplatz unter den westdeutschen Bundesländern und es werden jedes Jahr mehr. Vor allem Frauen sind davon betroffen, mittlerweile müssen 40 Prozent aller beschäftigten Frauen für einen Lohn arbeiten, wovon frau nicht leben kann.
Jedes sechste Kind in Schleswig-Holstein wächst in Armut auf; in Kiel, Neumünster, Flensburg steigt diese Zahl bis auf 30 Prozent. In Schleswig-Holstein ist schon heute die soziale Herkunft von Kindern stärker als in anderen Bundesländern verantwortlich für die Qualität des Schulabschlusses. Trotzdem soll bei der Bildung weiter gekürzt werden - bis 2020 sollen nach dem Willen von CDU und FDP weitere 3.650 Lehrerinnen- und Lehrerstellen gestrichen werden. Und durch einen faulen Kompromiss mit der SPD ist das mehrgliedrige Schulsystem zementiert worden, das hauptverantwortlich ist für die extrem ungleichen Bildungs- und Zukunftschancen.
Bei den Kindertagesstätten wurde die Beitragsfreiheit des dritten KITA-Jahres abgeschafft. Dabei lagen die Ausgaben für frühkindliche Bildung und Entwicklung in den zurückliegenden Jahren ohnehin weit unter dem Bundesdurchschnitt.
Aber es gibt auch Bereiche, in denen Schleswig-Holstein weit voraus ist: So z. B. im Rüstungsexport. Von Schleswig-Holsteinischen Boden aus werden jährlich Rüstungsgüter im Werte von ca. 1,5 Milliarden Euro in alle Welt exportiert. Ein Verkaufsschlager sind dabei die auf der HDW (zum Thyssen-Krupp-Konzern gehörend) in Kiel gefertigten U-Boote. Abnehmer waren in den zurückliegenden beiden Jahren u.a. Portugal, Griechenland (der deutsch-europäische Fiskalpakt, damit die Rechnungen für die Rüstungsgüter bezahlt werden können?) und Israel. Die Auslieferung an Israel ist insofern zusätzlich inakzeptabel, weil durch die Produktion und Bereitstellung der so genannten „Super-Dolphins“, die von der israelischen Marine mit Flugkörpern mit Nuklearsprengköpfen ausgerüstet werden sollen, die Kriegsgefahr im Nahen und Mittleren Osten zusätzlich angeheizt wird.
Jede Menge Gründe für einen grundsätzlichen Politikwechsel in Schleswig-Holstein. Aber: Den wird es mit Sicherheit durch die Stimmabgabe am 6. Mai nicht geben. Dazu ist die außerparlamentarische Bewegung zu wenig entwickelt, dazu sind die Gewerkschaften zu sehr auf einen Regierungswechsel hin zur SPD fixiert - dazu hat aber auch die Linkspartei innerhalb und außerhalb des Parlaments zu wenig beigetragen, zuwenig Alternativen und Initiativen entwickelt.
Eine Woche vor der Landtagswahl wünschen sich laut jüngsten Umfragen die Hälfte der Bürger eine andere Regierung. 50 Prozent wollen ein SPD-geführtes Kabinett. Nur 31 Prozent wünschen sich eine wieder von der CDU geführte Regierung.
In der Sonntagsfrage der ARD-Vorwahlumfrage erreicht die CDU in Schleswig-Holstein 30 Prozent der Stimmen. Die SPD kommt auf 32 Prozent. Die Grünen liegen bei 13 Prozent. Die FDP erreicht sechs Prozent und würde damit den Wiedereinzug in den Landtag schaffen. Gute Chancen auf den Einzug in den Landtag haben auch die Piraten, die auf neun Prozent der Stimmen kommen. Die Linkspartei liegt nur bei 2,5 Prozent - sie würde damit klar an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW), die Partei der dänischen Minderheit, erreicht 4,5 Prozent. Da der SSW von der Fünf-Prozent-Klausel ausgenommen ist, könnte er bei der Mehrheitsbildung im Landtag eine entscheidende Rolle spielen. Nur mit dem SSW zusammen käme Rot-Grün auf eine Mehrheit der Stimmen. Der SSW hat sich zu einer solchen Koalition bereiterklärt.
„Man darf doch ein Bundesland nicht von einem Dänen regieren lassen.“ So wetterte der CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß 1987 nach dem knappen Ausgang der Landtagswahl in Schleswig-Holstein. Und in die gleiche Kerbe schlägt die CDU auch jetzt wieder und macht in scharfem Ton. Front gegen die „Dänen-Ampel“.
Die Dreierkoalition wäre eine Katastrophe fürs Land, heißt es in CDU-Flugblättern, die seit Mitte der Woche im Umlauf sind. Der SSW mache sich zum „Steigbügelhalter“ für ein linkes Bündnis, schimpft der Spitzenkandidat der CDU, de Jager.
Torsten Albig, SPD-Spitzenkandidat konterte, in dem er die CDU-Kampagne mit der Zeit von Ministerpräsident Uwe Barschel (CDU) verglich, dessen schmutzige Aktionen aus der Staatskanzlei den Wahlkampf 1987 prägten.
Die Umfragen an der Förde lassen ein Dreierbündnis derzeit als einzige realistische Alternative zu einer großen Koalition erscheinen. Wenn es nicht Jamaika (CDU/FDP/Grüne) oder eine Ampel mit den Liberalen (SPD/Grüne/FDP) wird, könnte die Partei, die sich dänisch-skandinavischen Werten verpflichtet fühlt, demnächst tatsächlich mitregieren - zum ersten Mal.
Die große unbekannte Größe ist auch in Schleswig-Holstein die Piratenpartei, die inhaltlich kaum Positionen in den Wahlkampf eingebracht hat – wenn man von ihren Aktivitäten gegen ACTA absieht.
Und vielleicht gelingt ja der LINKEN bis zum Sonntag allen Unkenrufen und Prognosen zum Trotz, den Wiedereinzug in den Landtag zu schaffen.
Die DKP hat in ihrem Wahlmaterial und bei den Infoständen betont, dass es einen Politikwechsel erst dann geben wird, wenn die außerparlamentarischen Bewegungen durch Aktionen vielfältiger Art ihre politischen Ziele mehrheitsfähig und damit durchsetzungsfähig gestalten. Erst ein sich unüberhörbar entwickelnder außerparlamentarischer Kampf und die Orientierung auf antikapitalistische Veränderungen können auch in Parlamenten die Möglichkeiten eröffnen, einen wirklichen Politikwechsel durchsetzungsfähig zu machen.
text/foto: gst