03.06.2011: Beinahe wäre ihre Verkaufsmission gescheitert. Der Iran ließ die Kanzlerin in der Luft hängen. Ihrer neuen Regierungsmaschine "Konrad Adenauer" wurde auf dem Weg nach Indien zunächst das Überflugrecht verweigert. Nach zwei Stunden Warteschleifen konnte "Marketing-Managerin Merkel" (Handelsblatt) mit ihrem Tross an Topmanagern deutscher Firmen ihre Handelsreise nach Asien fortsetzen. In Indien stand die Werbung für den Kampfjet "Eurofighter" des deutsch-französisch-spanischen Rüstungskonzerns EADS im Mittelpunkt der Gespräche. Der mitgereiste Verteidigungsminister Thomas de Maiziere kümmerte sich derweil um etwas kleinere Waffengeschäfte des Marine-Rüsters Atlas Elektronik.
Beim Eurofighter geht es um eine Ausschreibung im Volumen von sieben bis zehn Milliarden Euro: 126 Kampfflugzeuge, dazu Wartungsverträge und eine Option auf weitere 63 Exemplare. Der Eurofighter wird von Deutschland, Großbritannien, Spanien und Italien gebaut. Konkurrent um den Mega Deal ist die Rafale des französischen Staatskonzerns Dassault. Die US-amerikanischen Kampfflugzeuge F-16 (Boeing) und F/A Super Hornet (Lockheed) sowie die russische MIG 35 und die schwedische Saab Gripen sind bereits aus dem Rennen. Ganz im Stile einer Verkaufs-Agentin von EADS lobte Merkel den Eurofighter: "Wir sind von unserem Angebot überzeugt", erklärte sie gegenüber dem indischen Premier Manmohan Singh. Und sie sei im Bewusstsein "ein gutes Produkt zu haben", fügte sie an.
Ihre überzeugenden Verkaufsargumente hat Merkel offenbar aus den Bombardierungen der NATO in Libyen gewonnen, denn dort zerfetzt das "gute Produkt" zur Zeit Häuser und Menschen. Der Kriegseinsatz in Libyen kam als Werbe-Feldzug für EADS und seiner Rüstungssparte Cassidian wie gerufen. Denn er Eurofighter ist als Kampfflugzeug nicht gerade taufrisch; 17 Jahre ist es her, dass er seinen Erstflug absolvierte. Doch das Kampfflugzeug hat bisher noch keinen wirklichen Kriegseinsatz hinter sich. Zwar kann sich das primär für Luftkämpfe entwickelte Flugzeug in Libyen in dieser Mission nicht bewähren, da Gaddafis Luftwaffe ausgeschaltet ist. Dafür kann der Eurofighter erstmals mit lasergesteuerten Bomben Bodenziele angreifen. Die Erfahrungen könnten "hilfreich für Verbesserungen" sein, sagt ein Sprecher des Herstellerkonsortiums (nach FTD).
Aber auch für die französische Rafale sei der Einsatz in Nordafrika ein "technologisches Schaufenster" , wie ein Analyst bei Kepler Capital Markets betont (SPIEGEL ONLINE). Die Rafale wurde bislang nur in dem unpopulären Afghanistan-Krieg eingesetzt, der sich nicht so gut für Waffen-Werbekampagnen eignet. Hier in Libyen zeige die Rafale eine "sehr gute Performance" schwärmt ein Firmensprecher im Stil von Finanzmarkt-Analysten.
Für beide Bomberfabrikanten, Dassault und EADS, ist also der Krieg gegen Gaddafi per Saldo ein Bomben-Verkaufsargument. Denn sie erhalten für ihre Kampfjets das Siegel "kriegserprobt". Zumal die Bombardements der NATO jetzt noch bis zum Herbst verlängert wurden. "Der Libyen-Krieg ist eine Leistungsschau für die wehrtechnische Industrie der beteiligten Länder", erklärte Otfried Nassauer, Friedensforscher und Leiter des Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit. "Diesen Werbeeffekt nimmt jeder Hersteller liebend gerne mit". Denn nicht nur in Indien, sondern auch in Brasilien, der Schweiz, Kroatien und einigen asiatischen Ländern stehen Kampfjetkäufe an.
Ob sich die als Staatsbesuch getarnte und vom Steuerzahler finanzierte Verkaufsreise von Merkel & Co gelohnt hat, wird sich ebenfalls in ein paar Monaten zeigen; dann soll in Delhi die Entscheidung fallen.
txt: fs
foto: larryzou