06.01.2011: Die Stromerzeuger greifen den Verbrauchern ab Januar noch tiefer in die Taschen. Schuld sei der "dramatische Anstieg der Kosten", begründet z.B. Vattenfall in dem Schreiben an seine Kunden die fast zehnprozentige Preissteigerung. Auch Deutschlands zweitgrößter Stromgigant RWE langt mit der gleichen Begründung kräftig zu. Insgesamt werden 25 Millionen Haushalte abgezockt. Im Schnitt steigen die Preise um sieben Prozent. Die Stromkonzerne sacken zwei Milliarden Euro zusätzlich ein. Die Begründung für die in schöner Regelmäßigkeit erhöhten Strompreise ist immer die gleiche: Die Steigerung der Ökostromkosten, ausgelöst durch den Boom bei Solaranlagen, mache den Strom immer teurer. Stimmt nicht, sagt Matthias Kurth, Präsidenten der Bundesnetzagentur.
Zwar wurden in den zurückliegenden eineinhalb Jahren so viele Photovoltaikanlagen auf die Hausdächer geschraubt wie nie zuvor. Dementsprechend wächst die gesetzliche Umlage für Erneuerbare Energien (EEG). Allein 2011 stieg sie von 1,5 Cent je Kilowattstunde auf 3,5 Cent. Aber laut Matthias Kurth kein Grund für die Erhöhung der Strompreise. denn durch die steigende Menge an erneuerbarer Energie würden die Strompreise bei langfristigen Lieferverträgen sinken. So hätten die Preise an der Strombörse im Jahr 2010 zwischen 5 und 7 Cent je Kilowattstunde betragen. 2008 hätten diese Preise in der Spitze bei 13 Cent je Kilowattstunde gelegen. Der Einkaufspreis für Strom sei also sogar deutlich gesunken. Die Erhöhung sei "sachlich nicht gerechtfertigt", schlussfolgert Kurth. Der wachsende Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien dämpfe die Preisentwicklung, da sie "sukzessive teure Kraftwerke aus dem Markt verdrängen". So gebe es trotz Erhöhung der EEG-Umlage sogar Spielraum für Preissenkungen.
Vattenfall, RWE, Eon, EnBW war die Förderung des Ökostroms schon immer ein Dorn im Auge. Sie setzen auf Atomkraftwerke und Großanlagen. Jetzt nutzen sie die erhöhte Ökostromumlage, um den Schwarzen Peter an die Solarbranche weiter zu geben und ihre Profite zu steigern. Dabei wird das Jahr 2010 schon zu einem Rekordjahr, insbesondere für die vier großen Strommonopolisten. "Ihr gesamter Jahresgewinn dürfte bei rund 30 Milliarden Euro liegen. Nie zuvor haben sie einen höheren Gewinn eingefahren", sagt Gunnar Harms, stellvertretender Vorsitzender des Bundes der Energieverbraucher. Er hat im Auftrag der Bundestagsfraktion der Grünen eine Studie zu den Strompreisen erarbeitet. Die Studie macht im Wesentlichen die marktbeherrschende Stellung "der etablierten Stromwirtschaft" für die Preissteigerungen verantwortlich. Die Konzerne Eon, RWE, EnBW und Vattenfall besitzen etwa 80 Prozent der Kraftwerkskapazität in Deutschland.
Auch für Raimund Kamm, einem der Sprecher des Netzwerkes der bayerischen Anti-Atom-Initiativen, ist die erhöhte Ökoumlage nur ein Vorwand, um ungerechtfertigte Preiserhöhungen zu kaschieren. Er meint, die Stromkonzerne sollten ehrlich sagen: "Wir wollen unsere Gewinne erhöhen und unsere Marktmacht erlaubt uns dies."
Bärbel Höhn, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, wirft den großen Energiekonzernen eine "eigenwillige Preispolitik" vor. Die Grünen-Politikerin zieht den Schluss, dass die Stromkunden zum Mittel des Anbieterwechsels greifen sollten, um den Wettbewerb in der Stromwirtschaft anzufachen. "Weil zu wenig Kunden den Anbieter wechseln, können die Stromversorger die Preise ohne Schaden hoch halten", kommentierte sie die Studie der Grünen.
Auch der baden-württembergische Verbraucherschutzminister Rudolf Köberle (CDU) appellierte an die Verbraucher, mehr Bereitschaft zum Wechsel des Stromanbieters zu zeigen. Nur so könne der Wettbewerb auf dem Strommarkt angeheizt werden.
Demgegenüber rief Gesine Lötzsch, Vorsitzende der Partei DIE LINKE die Bundesregierung zum Handeln auf: "Faire Energiepreise können nur durch eine funktionierende Preisaufsicht und Sozialtarife garantiert werden." Die Branche müsse verstaatlicht werden. "Energiekonzerne gehören endlich in die öffentliche Hand."
Das ist auch die Position der Vorsitzenden der DKP, Bettina Jürgensen. Sie meint, nicht Anbieterwechsel, sondern Systemwechsel sei erforderlich. "Energieversorgung darf nicht dem Profitprinzip unterworfen bleiben, sondern ist eine gesellschaftliche Aufgabe. Versorgung mit bezahlbarer Energie, eine warme Wohnung - das sind Grundrechte, die nicht dem Spiel der Märkte und der Jagd nach dem Maximalprofit ausgeliefert werden dürfen." Sie fordert die Überführung der Energiekonzerne in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle. Nur so könne der erforderliche Umbau der Energieversorgung auf erneuerbare Energien und Energieeinsparung zu akzeptablen Preisen für die Verbraucher gewährleistet werden.
txt: lm
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