26.07.10: Aus Sicht der Reichen und der Unternehmen ist die schwerste Wirtschaftskrise in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland überstanden. „Die deutsche Wirtschaft ist wieder in Partylaune“, sagte Hans-Werner Sinn, Präsident des Ifo-Instituts. Völlig überraschend sind die Unternehmensmanager in Deutschland voller Optimismus.
Die Reichen sind schon länger wieder in Partylaune. Sie haben die Verluste der Wirtschaftskrise schon vergessen. Ihr Vermögen an Bargeld, Aktien, Wertpapieren, Fondsanlagen ist im vergangenen Jahr weltweit um 11,5 Prozent auf 111,5 Billionen (eine Billion sind 1.000 Milliarden) gestiegen. Das entspricht ungefähr dem Vorkrisenniveau. Die Gruppe der Superreichen mit einem Vermögen von mehr als fünf Millionen Dollar - weltweit 01, Prozent der Haushalte - konnte ihren Anteil am Gesamtvermögen von 19 auf 21 Prozent erhöhen. (siehe auch Millionäre kennen keine Krise)
Aber nun sind völlig überraschend auch die Unternehmen in „Partylaune“. Der Ifo-Geschäftsklimaindex stieg im Juli um ganze 4,4 Punkte auf 106,2 Punkte und hat damit eine Höhe erreicht, die zuletzt vor dem Ausbruch der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise gemessen wurde. Der Optimismus gründet auf den vollen Auftragsbüchern der in Deutschland für den Export produzierenden Unternehmen. Zum Teil ist dies den „Griechen“ zu verdanken. Der mit der Schuldenkrise der PIGS genanten südeuropäischen Länder einhergehende Kursverfall des Euro wirkte wie ein Jungbrunnen für die Exportindustrie. Weniger als ein Drittel der Umsätze werden inzwischen im Inland erwirtschaftet; Ex- und Importe machen fast 77 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts aus.
Angetrieben von China und Indien, die für 40 Prozent des weltweiten Wirtschaftswachstums zählen, sowie Brasilien hat die Weltkonjunktur wieder angezogen. Die Ausfuhren nach China und Indien sind höher als Anfang 2007. Die USA und Kanada stehen von den kapitalistischen Zentren am Besten da, während die Eurozone nachhinkt. „Europa spart sich kaputt“, sagt der DGB- Wirtschaftsexperte Dierk Hirschel. „Da alle gleichzeitig sparen, dreht sich die Abwärtsspirale immer weiter“, meint er. Dabei werden aus Deutschland Waren für rund 100 Milliarden Euro in den europäischen Süden exportiert.
Und so gibt es auch Stimmen, die vor all zuviel Euphorie warnen. „Dieser Anstieg des Geschäftsklimas passt kaum in die Landschaft, die von Skepsis über die US-Konjunktur, Sorgen um die Staatsfinanzen im Euroraum und der Diskussion um den Bankenstresstest beherrscht wird“, schreibt die Landesbank Baden-Württemberg. Selbst das Ifo-Institut warnt, dass die Lage schnell wieder kippen könnte. Die Erwartungen der Unternehmen und ihr Optimismus muss sich nicht zwangsläufig mit der realen Entwicklung decken.
So ist in den USA der Aufschwung schon wieder zu Ende. Von einer „ungewöhnlichen Unsicherheit“ sprach US-Notenbankpräsident Bernanke vor dem Kongress. Die Aussichten für die USA seinen „ein wenig schlechter“ geworden, warnte er und kündigte an, dass er sich auf schlimmere Zeiten vorbereiten müsse. Die Regierung Obama, die im November Wahlen zu bestehen hat, stellt sich und die Öffentlichkeit auf neue Konjunkturprogramme ein. „Wir halten uns bereit, notfalls weitere Schritte zu unternehmen“, sagte Bernanke. Aber allen Konjunkturprogrammen der US-Regierung zum Trotze, können die Exportunternehmen in Deutschland nicht mehr auf den US-amerikanischen Verbraucher als Nachfrager der letzten Instanz zählen. Selbst boomende Schwellenländer werden diese Lücke nicht füllen können. Das Wachstumsmodell des globalen Kapitalismus, das auf dem Wachstum, dem Konsum und den Profiten in den USA basierte, hat sich erschöpft. Und so kann auf die Partylaune sehr schnell der Katzenjammer folgen. An den Beschäftigten und Arbeitslosen werden von der Partylaune so wie so nicht angesteckt.
txt: lm
foto: reto-fetz