24.03.2025: Auch die Landesregierungen von Mecklenburg-Vorpommern und Bremen, an denen Die Linke beteiligt ist, stimmten im Bundesrat der Mega-Aufrüstung zu ++ Regierungslinke ignorierten die Aufforderung von Mitgliedern und Parteivorstand zu einem "Nein" ++ Linke hätte im Bundesrat Zweidrittelmehrheit verhindern können ++ Parteiführung um Schadensbegrenzung bemüht
"Dass Bundesländer mit Linke-Beteiligung im Bundesrat ihre Zustimmung für das Merz Schulden- & Aufrüstungspaket nicht verweigern, ist ein historisches Versagen! Der Kampf gegen Kriegskredite & Sozialabbau gehört zusammen & zu den drängendsten Aufgaben. Die Geschichte mahnt uns", schrieb die Europaabgeordnete der Linkspartei Özlem Demirel auf X, nachdem der Bundesrat am Freitag (21.3.) dem Aufrüstungsprogramm von SPD, CDU/CSU und Grünen zugestimmt hatte. (Özlem Demirel: https://x.com/OezlemADemirel/status/1902998850316402796)
Die Linke fällt um, BSW stabil
Wie am Dienstag im Bundestag kam auch in der Länderkammer die nötige Zweidrittelmehrheit für die Grundgesetzänderung zustande. 46 Stimmen von 59 wären notwendig gewesen, die Gesetze wurden aber mit 53 Ja-Stimmen beschlossen. Denn auch die Landesregierungen von Mecklenburg-Vorpommern und Bremen, an denen Die Linke beteiligt ist, stimmten im Bundesrat dem Schuldenpaket für Aufrüstung und Infrastruktur zu.
Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt, wo die FDP Regierungspartner ist, enthielten sich. Enthaltungen gab es auch von Brandenburg und Thüringen, wo das BSW mitregiert.
Das in Brandenburg und Thüringen mitregierende Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) blieb stabil bei seiner Ablehnung des Aufrüstungspakets, obwohl sich die dortigen Regierungschefs Dietmar Woidke (SPD) und Mario Voigt (CDU) nach Kräften bemüht hatten, die Koalitionäre noch umzustimmen. Der Brandenburger BSW-Fraktionschef Niels-Olaf Lüders sagte der "Märkischen Allgemeinen", das BSW sei gegen das Finanzpaket, weil es auch Waffenlieferungen enthalte.
Enthaltungen gelten im Bundesrat wie ein Nein.
"Zustimmung nicht leicht gefallen"
"Die Entscheidung zur Zustimmung im Bundesrat ist uns nicht leichtgefallen", heißt es in einer Erklärung der Bremer Linkspartei. "Wir haben nach intensiven Diskussionen und einer sorgfältigen Abwägung dem Paket schließlich zugestimmt, auch wenn wir weiterhin Kritik daran haben", heißt es weiter. Entschuldigend wird darauf verwiesen, es sei "auch immer wieder deutlich geworden, dass die landespolitische Verantwortung unserer Linken Regierungsbeteiligung sich auch auf landespolitische Auswirkungen und die durch das Paket neu entstehenden Spielräume für Landeshaushalte beziehen muss." [1]
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Dem stimmten die Regierungslinken in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern zu.
Im Bundestag beschlossener Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 20/15123: https://dserver.bundestag.de/btd/20/151/2015123.pdf
Die Vertreter:innen der Landesverbände der Linken in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern meinen, mit Protokollnotizen im Bundesrat, in denen sie kritisieren, dass die Schuldenbremse "einseitig für Verteidigungsausgaben geöffnet wird", sich ihrer friedenspolitischen Verantwortung entziehen zu können. Die Zustimmung zum Rüstungs- und Schuldenpaket wird der Partei lange anhängen, meint Wolfgang Hübner in der parteinahen Zeitung nd. "Da helfen auch keine Protokollnotizen im Bundesrat."
"Ja es ist unglaublich, dass sie das so durchziehen, trotz mehrmaliger Aufforderungen Vieler und einer klaren Haltung der Partei!"
Özlem Alev Demirel, https://x.com/OezlemADemirel/status/1903016155087827395
"Sagt Nein"
Andere Teile der Partei hatten sich in einem Offenen Brief an die Linken-Senatorinnen und Ministerinnen des Landes Bremen und Mecklenburg-Vorpommern gewandt und sie zu einem "Nein" aufgefordert.
Mehr als 2.600 Parteimitglieder appellierten kurz vor der Abstimmung unter dem Titel "Sage nein" (https://sage-nein.de/) an ihre Genoss:innen in den beiden Bundesländern, dem Hochrüstungsprogramm die Zustimmung zu verweigern.
In dem Appell heißt es u.a.:
"Die Programm- und Beschlusslage unserer Partei ist eindeutig: Wir lehnen Hochrüstung und Militarisierung entschieden ab. Mehr Waffen und Kriegsgerät machen weder Deutschland noch die Welt sicherer, sondern heizen das globale Wettrüsten an. Unsere Bundestagsgruppe hat am 18. März geschlossen gegen das Aufrüstungspaket gestimmt. Die Zeiten, in denen Einzelne glauben, sich über demokratischen Beschlüsse hinwegsetzen zu können, müssen endgültig vorbei sein.
Die geplante Aufrüstung ist eine Verbindlichkeit für zukünftige Haushalte: Kürzungen beim Bürgergeld oder der Rente sind vorprogrammiert. Und es stärkt die AfD: Die zunehmende militärische Durchdringung – von Rheinmetall-Sponsoring beim BVB bis zur möglichen Wiedereinführung der Wehrpflicht – schwächt emanzipatorische Kräfte und fördert autoritäre Tendenzen. Der Klimawandel wird durch den Ausbau der Rüstungsindustrie weiter angeheizt.
Es liegt an uns allen, in den kommenden Wochen gemeinsam mit der Friedensbewegung den Widerstand gegen diesen Rüstungswahnsinn auf die Straße zu tragen. Ein Aufweichen unserer friedenspolitischen Grundsätze schadet unserer Glaubwürdigkeit.
Wir erwarten, dass ihr Euch innerhalb der Koalitionen entsprechend klar positioniert." [2]
Auch der Parteivorstand hatte die linken Regierungsmitglieder in den beiden Bundesländern "zu einer Ablehnung des Finanzpakets" aufgefordert. In der Erklärung heißt es:
"Wir verstehen das Dilemma, in dem sich Verantwortungsträger*innen unserer Partei in den Ländern befinden. Der Finanzdruck insbesondere in Ländern wie Bremen und Mecklenburg-Vorpommern ist enorm. Um eine Ablehnung zu erschweren, hat Friedrich Merz dieses Gesetzespaket mit einem Sondervermögen für Infrastruktur und einer Lockerung der Schuldenbremse für die Länder eingebracht.
Wir setzen darauf, dass die Abwägung zwischen den ganz realen Anforderungen vor Ort und, den verschiedenen Rollen, in denen unsere Partei agiert, zu einer Ablehnung des Finanzpakets in den links mitregierten Ländern führt." [3]
Die Appelle an die Regierungslinken blieben ohne Erfolg. Die Vertreter der beiden Länder stimmten am Freitag zu, obwohl es auf diese sechs Stimmen gar nicht ankam.
Linke hätte im Bundesrat Zweidrittelmehrheit verhindern können
Tatsächlich kam es am Freitag auf die sechs Stimmen aus Bremen und Mecklenburg-Vorpommern für eine Zweidrittelmehrheit nicht mehr an. Die Zweidrittelmehrheit wäre auch ohne die beiden Bundesländer mit den verbleibenden 47 Ja-Stimmen erreicht worden. In Bayern waren die Freien Wähler eingeknickt und der bayerische Ministerpräsident Söder sicherte mit den sechs Stimmen aus Bayern die Zweidrittelmehrheit.
Die Zweidrittelmehrheit wäre allerdings nicht zustande gekommen, wenn Die Linke am Vortag in Sachsen in der Sondersitzung des Landtages dem Antrag auf ein sächsisches "Nein" zum Schuldenpaket zugestimmt hätte. Die Sondersitzung über das vom Bundestag beschlossene Schulden- und Hochrüstungspaket war auf Antrag der AfD zustande gekommen.
CDU und SPD bilden in Sachsen nur eine Minderheitsregierung. Dem Antrag der AfD, dass Sachsen im Bundesrat gegen das Paket stimmen soll, folgte das BSW als einzige Fraktion. Vorher grenzte sich das BSW entschieden von der AfD ab. Während man selbst gegen Aufrüstung und die Schuldenbremse im Grundgesetz sei, mache sich die AfD für ein Fortbestehen der Schuldenbremse und Aufrüstung aus dem laufenden Haushalt heraus stark, warf der BSW-Abgeordnete Lutz Richter der AfD vor.
Die Linke regierte nach dem Motto, eigentlich sind wir gegen Kriegskredite, aber weil die AfD auch dagegen ist, bleibt uns nichts anderes übrig, als nicht dagegen zu sein. Mit Zustimmung der Linken wäre eine Mehrheit von 61 Stimmen erreicht gewesen. (Landtag: 120 Abgeordnete, AfD 40, BSW 15, Linke 6)
Zwar wäre der Beschluss für die Landesregierung nicht bindend, aber als Minderheitsregierung könnte sie sich auch nicht darüber hinwegsetzen.
Bundestag: Nur drei Linke-Abgeordnete für "Nein zur Kriegstüchtigkeit – Ja zur Diplomatie und Abrüstung"
Schon am Dienstag (18.3.) hat Die Linke im Bundestag friedenspolitisch nicht geglänzt, als nur drei Linke-Abgeordnete für den Antrag "Nein zur Kriegstüchtigkeit – Ja zur Diplomatie und Abrüstung" stimmten.
Der Antrag der Gruppe BSW mit dem Titel "Nein zur Kriegstüchtigkeit – Ja zur Diplomatie und Abrüstung" wurde mit den Stimmen der Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, CDU/CSU und AfD sowie der Mehrheit der Abgeordneten der Gruppe Die Linke abgelehnt. Lediglich drei Linke-Abgeordnete - Susanne Ferschl, Gesine Lötzsch und Matthias Birkwald - stimmten mit den Abgeordneten des BSW für den Antrag, in dem u.a.gefordert wird "Diplomatie wieder ins Zentrum der deutschen Außenpolitik zu rücken und eine Politik der Entspannung ... zu verfolgen, ... den von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorgelegten 'Plan zur Wiederaufrüstung Europas', der eine Lockerung der Schuldenregeln sowie Anreize zur Steigerung der Verteidigungsausgaben auf bis zu 800 Milliarden Euro beinhaltet, zurückzuweisen, ... Waffenlieferungen an die Ukraine einzustellen".[4]
Parteiführung bemüht sich um Schadensbegrenzung
Nach der Abstimmung im Bundestag bemüht sich die Parteiführung um Schadensbegrenzung und bekräftigt, dass die Partei gegen die Hochrüstung sei.
Der Bundesgeschäftsführer Janis Ehling postete auf X: "Die heute beschlossenen einseitigen Ausnahmen der Schuldenbremse sind falsch und demokratiefeindlich. Warum gibt es Ausnahmen für Panzer und Raketen, aber nicht für KiTas, Schulen oder Krankenhäuser? Diese Politik geht an der Mehrheit der Menschen im Land vorbei. Wir lehnen diese blinde Rüstungsspirale und diese Absage an eine soziale Demokratie ab. Das die regierenden Parteien das Ergebnis der Bundestagswahl mit der höchsten Wahlbeteiligung seit 1990 ignorieren, ist unverschämt."
(https://x.com/EhlingJanis/status/1903081579208982858)
In den sozialen Medien zirkuliert ein "wording" des Bundesgeschäftsführers verbunden mit dem Wunsch "das Thema nicht größer als nötig zu machen".
Der stellvertretende Parteivorsitzende und Mitglied des Bundestages, Ates Gürpinar, ruft zum Widerstand gegen die Hochrüstung auf:
"Die Entscheidungen in Bundestag und Bundesrat waren fatal:
1) Die Schuldenbremse ist nicht in Frage gestellt, sie ist zementiert.
2) Diese Aufrüstung ist Bedrohung, nicht Sicherheit.
Auch wenn's nach heute nicht leichter wird: Lasst uns dagegen Widerstand organisieren."
(https://x.com/AtesGuerpinar/status/1903054134237901252)
Zu befürchten ist, dass Linke-Wähler:innen und viele neue Parteimitglieder nicht dabei sein werden, wenn es darum geht "Widerstand zu organisieren".
"Die doppelten 72 Prozent würden der Linken ohne Bildungsoffensive nach innen und Aufklärung und Führung nach außen auf die Füße fallen", hat Ingar Solty nach der Bundestagswahl gepostet und sich dabei auf die "Sorgen" der 72 Prozent Linke-Wähler:innen bezogen, dass "der Einfluss Russlands auf Europa weiter zunimmt", und dass "wir Trump und Putin schutzlos ausgeliefert sind". Für nur acht Prozent war das Thema "Friedenssicherung" ausschlaggebend für die Wahl der Linken.
Quelle: https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2025-02-23-BT-DE/umfrage-linke.shtml
Nahezu drei Viertel der Linke-Wähler:innen folgen nach diesen Umfragen dem herrschenden Narrativ, das die ungeheuerliche Militarisierung rechtfertigen soll. 40 Prozent sind sogar für die Lockerung der Schuldenbremse für Ausgaben für die Aufrüstung. Schwarze Aussichten für eine friedensbewegte und wirklich linke Opposition im Bundestag.
Für diejenigen Kräfte in der Linkspartei, die die "Friedenspartei" alter Ordnung beerdigen, in der Frage der Hochrüstung auf Regierungslinie einschwenken und die Integration als systemimmanente Opposition in das gouvernementale Parteienlager abschließen wollen, bestehen nach der Bundestagswahl und dem Zustrom vieler Neumitglieder aus dem liberal-progressiven Milieu günstige Voraussetzungen.
"In wenigen Wochen kommt Die Linke zum Parteitag in Chemnitz zusammen. Eine gemütliche Jubelveranstaltung wird das nun nicht mehr. Denn nach dieser Abstimmung im Bundesrat hat Die Linke nach außen viel zu erklären. Und nach innen viel zu klären. Obwohl es eigentlich nicht schwierig ist: Wenn es um Geld für Krieg und Aufrüstung geht – sage Nein", kommentiert Wolfgang Hübner in der parteinahen Zeitung nd [5].
txt: Leo Mayer
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Künftig Kriegskredite in unbegrenzter Höhe18.3.2025: Mit Zweidrittelmehrheit hat der alte Bundestag Schulden in schwindelerregender Höhe für Aufrüstung und "Infrastrukturmaßnahmen" beschlossen ++ "Kriegskredite mit Klimasiegel": Heftige Kritik von Die Linke und BSW ++ Am Freitag Lackmustest für Die Linke und BSW im Bundesrat |
Anmerkungen
[1] Große Kritik, aber auch landespolitische Verantwortung: Linke Senatorinnen stimmen für Bremer Zustimmung zum Schuldenpaket im Bundesrat
https://www.dielinke-bremen.de/politik/startseite/detail-neu/grosse-kritik-aber-auch-landespolitische-verantwortung-linke-senatorinnen-stimmen-fuer-bremer-zustimmung-zum-schuldenpaket-im-bundesrat/
[2] Nein zur Jahrhundertaufrüstung
https://sage-nein.de/
[3] Ablehnung Finanzpaket, Beschluss 2025/270 des Parteivorstands, 20. März 2025
https://www.die-linke.de/partei/parteidemokratie/parteivorstand/parteivorstand-2024-2026/detail-beschluesse-pv/ablehnung-finanzpaket/
[4] Drucksache 20/15107, Antrag der Abgeordneten ... und der Gruppe BSW: "Nein zur Kriegstüchtigkeit – Ja zur Diplomatie und Abrüstung"
https://dserver.bundestag.de/btd/20/151/2015107.pdf
[5] nd, 23.3.2025: "Mega-Aufrüstung: Die Linke hat ein dickes Problem. Wolfgang Hübner über die Zustimmung im Bundesrat zu Rüstungsmilliarden"
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1189960.ruestungs-und-infrastrukturpaket-mega-aufruestung-die-linke-hat-ein-dickes-problem.html