05.03.2023: Globaler Klimastreik ++ in Deutschland erstmals Fridays for Future gemeinsam mit Streikenden von ver.di: "Seite an Seite für eine ökologische Verkehrswende" ++ öffentlich rechtes ZDF und Kapitalverbände: "rechtswidrige Streiks"
Von Auckland (Neuseeland) über Neu Delhi (Indien), Kampala (Uganda), Madrid (Spanien), Los Angeles (USA) bis Bogotá (Kolumbien) spannt sich der Bogen der Aktionen am Freitag (3.3.). Fridays for Futere hatte unter dem Motto "Morgen ist es zu spät" zum globalen Klimastreik aufgerufen.
Allein in Deutschland fanden in 250 Städten Aktionen zum Klimaschutz statt, nach Angeben der Veranstalter:innen beteiligten sich mehr als 220.000 Menschen. Das Besondere: Fridays for Futere und die Gewerkschaft ver.di gingen gemeinsam auf die Straße. In letzter Zeit war die Debatte geführt worden, wie Akteure wie "Fridays for Future" oder auch die "Letzte Generation" eine breitere gesellschaftliche Verankerung finden könne. Es müssten müssten Schnittstellen gefunden werden, wo Klimaschutz und soziale Themen zusammenkommen.
An diesem Freitag manifestierten sich diese Überlegungen: Die Klimabewegung solidarisierte sich mit den Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes, die für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne kämpfen. Ver.di wiederum rief ihre Gewerkschaftsmitglieder zur Teilnahme am Klimastreik auf. "Seite an Seite für eine ökologische Verkehrswende", ist der gemeinsame Nenner. Beide nutzen den Aktionstag, um darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) beim Kampf gegen die Klimakrise ist.
Die Teilnehmer:innen der Demonstrationen forderten eine Verkehrswende und die Einhaltung der Pariser Klimaziele. Konkret soll Deutschland überall bis 2030 aus der Kohle aussteigen, bis 2035 zu 100 Prozent auf erneuerbare Energieversorgung umsteigen, keine neuen Autobahnen bauen und mehr in Bus und Bahn investieren.
In einigen Städten fiel der Klimastreik mit einem Warnstreik der U-Bahn- und Bus-Fahrer:innen zusammen. Insgesamt 60.000 Beschäftigte legten laut ver.di ihre Arbeit nieder. So stand in München der gesamte U-Bahn und Straßenbahnverkehr still. Trotzdem kamen Tausende zur Kundgebung auf den Odeonsplatz – 25.000 nach Angaben der Polizei. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen ist eine Verkehrswende nötig, sagte Elisabeth Bockler von Fridays for Future München, und "die Verkehrswende braucht zufrieden Beschäftigte im Verkehrsbereich und dafür brauchen wir bessere Arbeitsbedingungen und eine bessere Bezahlung. Deshalb streiken wir heute gemeinsam."
In Berlin nahm die Fridays for Future Aktivistin Luisa Neubauer die Bundesregierung und die Kohle-, Öl- und Gas-Konzerne ins Visier. "Sie haben gedacht, sie kommen mit grünen Worten und grünen Reden durch - ob Parteien, Kanzler oder Konzerne. Sie dachten, uns fällt nicht auf, wenn unter der Hand weitergemacht wird, als hätten wir drei weitere Planeten auf der Autobahnbaustelle rumliegen."
Es blieb dem öffentlich rechten ZDF vorbehalten, das Stichwort für Unternehmer zu liefern. Zur besten Sendezeit um 19 Uhr behauptete eine Birgit Franke von der ZDF-Redaktion Recht und Justiz in den heute-Nachrichten, dass diese Streiks von ver.di verboten seien. In Deutschland seien politische Streik "verboten", denn "Streiks sind dafür da, bessere Arbeitsbedingungen oder mehr Geld durchzusetzen" - und eben kein Mittel der Lohnabhängigen, eigene politische Forderungen durchzusetzen, so die "Rechts-Expertin".
Die Unternehmerverbände griffen die Vorlage dankbar auf. Der Geschäftsführer der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände BDA, Steffen Kampeter, kritisierte die Kooperation von ver.di mit Fridays for Future als "eine gefährliche Grenzüberschreitung". Politische oder auch nur quasi politische Streiks seien in Deutschland schlicht rechtswidrig, so der Kapitalvertreter.
Doch in Wirklichkeit gibt es kein Gesetz in Deutschland, das den politischen Streik verbietet - schon gar nicht das Grundgesetz. "Alles das, was den politischen Streik in der Bundesrepublik einschränkt oder für illegal erklärt, ist nur das Produkt von Gerichtsentscheidungen" hat der ehemalig Vorsitzende der IG Druck und Papier, Detlef Hensche, immer wieder erklärt. Es war ausgerechnet Carl Nipperdey, ein Nazi-Richter, der als erster Präsident des Bundesarbeitsgerichts entscheidend das Streikrecht der BRD nach 1949 prägte. Carl Nipperdey hatte auch das faschistische Arbeitsrecht ab 1933 maßgeblich gestaltet.
Trotz dieser gewerkschaftsfeindlichen Rechtssprechung gab es immer mal wieder politische Streiks in Deutschland, so z. B. gegen die sog. "Nachrüstung" oder 2006 gegen die Pläne der EU-Kommission zur Privatisierung der Seehäfen. Es gab keine juristischen Konsequenzen gegen die Gewerkschaften, weil sich das schlicht niemand getraut hat. So wird es auch bei diesen Streiks bleiben, auch wenn Frau Franke eine gerichtliche Klärung bevorzugt.