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22.09.2020: Kalifornien erlebt eine extreme Waldbrandsaison, die Arktis Hitzerekorde und das Eisschild Grönlands eine gigantische Eisschmelze. Im Globalen Süden verlieren schon heute Millionen Menschen aufgrund von Dürren und Stürmen ihre Lebensgrundlage. Die Folgen des verschärften Klimawandels als Auswirkungen des kapitalistischen Raubbaus an der Natur sind beispiellos.
Die Politik muss bei der Klimakrise auf die Wissenschaft hören und endlich entschlossen handeln! Dafür will ein breites Bündnis beim Klimastreik der Fridays for Future-Bewegung am 25. September auf die Straße gehen.
Bundesweit an über 300 Orten soll für "starke EU-Klimaziele, einen Kohleausstieg bis 2030 und eine sozial-ökologische Wende" demonstriert werden. Neben "klassischen" Demonstrationen sollen weitere Aktionen wie Fahrrad-Demos, Menschenketten oder Kunstaktionen durchgeführt werden.
Vor einem Jahr, am 20. September 2019, waren in ganz Deutschland in mehr als 500 Orten rund 1,4 Millionen Menschen für mehr Klimaschutz auf die Straße. Durch die Coroana-Pandemie waren die Klimaschutz-Aktivitäten in diesem Jahr massiv eingeschränkt. Ab März 2020 hatte die Bewegung ihre Proteste ins Netz verlegt und zu modifizierten Aktionen aufgerufen wie z.B. am 24. April zu einer großen Schilderaktion vor dem Bundestag.
Jetzt also quasi der Re-Start der Klimastreiks.
"Nicht nur die Corona-Krise stellt uns vor nie dagewesene Herausforderungen, sondern erst recht die Klimakrise", heißt es im Aufruf des Bündnisses. "Hier gilt wie bei Corona: Die Bundesregierung muss auf die Wissenschaft hören und endlich entschlossen handeln." Gelegenheit dafür bietet der EU-Gipfel im Oktober, bei dem die EU-Staaten über die Anhebung der europäischen Klimaziele entscheiden. Das Bündnis erwartet von Kanzlerin Merkel, als EU-Ratsvorsitzende dafür zu sorgen, dass die EU-Staaten eine Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 65 Prozent beschließen. Nur so kann die EU ihren Teil dazu beitragen, dass die Erderhitzung nicht die kritische 1,5-Grad-Schwelle überschreitet.
Der Protest richtet sich auch gegen das Kohle-Gesetz der Großen Koalition, das einen Kohleausstieg erst für 2038 vorsieht.
Einen Ausweg aus der Klimakrise bietet nur die sozial-ökologische Transformation der gesamten Wirtschaft. Statt Corona-Staatshilfen für klimaschädliche Industrien zu zahlen, gilt es, Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit zu Eckpfeilern aller Investitionen zu machen. "Die klimapolitischen Herausforderungen eröffnen die Chance, Soziales neu zu denken und so mehr Lebensqualität für alle zu schaffen. Wir wollen einen solidarischen Sozialstaat, in dem Strom, Wohnen, Lebensmittel und Mobilität klimafreundlich und für alle bezahlbar sind", heißt es im Aufruf.
Der Aufruf wird insgesamt von 55 zivilgesellschaftlichen Organisationen getragen; darunter von Attac, dem BUND, der NABU, Campact, Greenpeace, den NaturFreunden, um nur einige zu nennen.
von der Leyen macht Bilanztrickserei
Wie notwendig außerparlamentarischer Druck ist, zeigt aktuell die Rede der EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen vor dem Europäischen Parlament am 16.9. Darin hatte sie angekündigt, die EU solle die CO² -Emissionen bis 2030 um "mindestens 55 Prozent" senken. Bisher hatte die EU auf eine Reduzierung um 40 Prozent – verglichen mit 1990 – geplant. Das höhere Klimaziel soll gesetzlich verankert werden. Dafür ist die Zustimmung des EU-Parlaments und der Mitgliedsstaaten notwendig. Der Umweltausschuss des Parlaments hatte sich zuvor für eine stärkere Anhebung auf 60 Prozent ausgesprochen. Sozialdemokrat*innen, Grüne und Linke fordern ein 65-Prozent-Ziel.
"Die angekündigte Verschärfung des EU-Klimaziels für 2030 ist vor allem Bilanztrickserei und keineswegs der eigentlich notwendige Klimaschutz-Turbo. Bisher wurde Klimaschutz im Sektor Landnutzung, Landnutzungsveränderung und Forstwirtschaft (LULUCF) sowohl bei der Berechnung des Basisjahrs 1990 wie auch beim EU-Klimaziel ausgeklammert. Nach dem Vorschlag der EU-Kommission soll LULUCF nun mit berechnet werden. Allein durch diesen Rechentrick werden auf dem Papier in der EU rund fünf Prozent mehr CO2 eingespart.
Solche politischen Spielchen nutzen einzig und allein den EU-Regierungsparteien, Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der deutschen Ratspräsidentschaft – und damit letztlich der CDU im Wahlkampf", erklärt Lorenz Gösta Beutin, energie- und klimapolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. Beutin weiter: "Um die im Pariser Klimaabkommen vereinbarten Ziele zu schaffen und einen fairen Beitrag zu leisten, müssen die EU-Emissionen von klimaschädlichen Treibhausgasen bis 2030 um mindestens 65 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt werden, bis zum Jahr 2050 um 95 Prozent. Bis 2040 muss die Energieversorgung komplett aus erneuerbaren Energien kommen. Statt ausschließlich auf die Ausweitung des Emissionshandels als wichtigstem Klimainstrument zu setzen, sollte die EU ein klares Klima-Ordnungsrecht schaffen, etwa durch ein gesetzliches Ende von Verbrenner-Autos und ein europäisches Ausstiegsgesetz aus Kohle, Öl und Gas. Eine Renaissance der Atomkraft darf es auf keinen Fall geben."
"Das reichste Prozent stößt doppelt soviel CO2 aus, wie die ärmste Hälfte der Menschheit. Der fossile Kapitalismus ist aufgebaut auf der Ausbeutung des globalen Südens. Aber auch innerhalb der einzelnen Staaten gehört Ungleichheit zu seinem Wesenskern. Nicht zufällig nimmt extremer Reichtum gerade in der Corona-Krise zu, während die Ärmsten um ihre Existenz kämpfen müssen. Klimagerechtigkeit heißt: Es reicht nicht, den Kapitalismus grün anzustreichen, auf irgendwelche technischen Lösungen zu warten. Die Klimakatastrophe ist Ergebnis eine Systems, das nur funktioniert, solange es unsere Lebensgrundlagen zerstören, Reiche von Armen abschotten und Menschen ungleich behandeln kann. Wer Klimagerechtigkeit will, muss global für Gleichheit kämpfen." Lorenz Gösta Beutin, energie- und klimapolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE |
Die Dramatik des Klimawandels und deren geopolitische Folgen verdeutlicht aktuell eine Untersuchung des Institute for Economics and Peace (IEP): Danach könnte im Jahr 2050 der Lebensraum von mehr als einer Milliarde Menschen auf der Welt bedroht sein. Besonders bedrohte Hotspots sind demnach die afrikanische Sahelzone, weiter südlich liegende afrikanische Staaten wie Angola oder Madagaskar sowie der Nahe Osten von Syrien bis Pakistan. Die zukünftigen ökologischen und politischen Bedrohungen dürften demnach eine deutlich größere Anzahl an Menschen dazu bewegen, ihre Heimatländer zu verlassen.[1]
Fridays for Future und ver.di für Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs
Neu an den diesjährigen Klimaaktivitäten ist, dass Fridays for Future ihr Blickfeld geweitet hat und stärker sozialpolitische Fragen mit aufnimmt. So fand am 22. Juli 2020 eine gemeinsame Pressekonferenz von Fridays for Future und der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di zum Thema "Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) – Allianz für bessere Arbeitsbedingungen und Klimaschutz" statt. "Als Fridays for Future stellen wir uns solidarisch hinter die Beschäftigten im ÖPNV und werden gemeinsam streiten für eine dringend nötige klimagerechte Verkehrswende und gute Arbeitsbedingungen in den Jobs der Zukunft. Im Verkehrssektor sind in den letzten Jahren die CO2 Emissionen weiter gestiegen. Wir fordern die Bundesregierung auf, dass endlich gehandelt wird und die Weichen gestellt werden für mehr klima-freundlichen ÖPNV, Fahrrad- und Fußverkehr auf unseren Straßen statt Autos", begründete dort Helena Marschall für Fridays for Future die Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft.
txt: gst
Fußnoten
[1] http://visionofhumanity.org/app/uploads/2020/09/ETR_2020_web-1.pdf