Aus Bewegungen und Parteien

Bln GerhHauptSchule Kreuzberg 215.01.2018: Im Dezember 2012 besetzten mehrere hundert Flüchtlinge das leerstehende Gebäude der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule in Berlin-Kreuzberg. Im Mai 2014 wollte der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg das Gebäude räumen lassen. Die Räumung scheitert am Protest der Flüchtlinge und ihrer UnterstützerInnen. Im Juli 2014 endete der Konflikt vorerst mit einem Kompromiss, die BesetzerInnen dürfen in einem Teil des Hauses bleiben, neue Bewohner sollen aber nicht dazu kommen. Jetzt hat die Berliner Polizei die Schule geräumt.

"Hier wird das deutsche Asylrecht geräumt" 

Fünf Jahre lang galt die Kreuzberger Gerhart-Hauptmann-Schule als ein verteidigungswürdiger, aus einer Leerstandsbesetzung des Südflügels hervorgegangener Asylort. Als einer, dessen Entwicklungsanspruch von Flüchtlings-Selbstverwaltung und zivilgesellschaftlicher Unterstützung behördlich immer wieder torpediert wurde. Seit dem Anrücken von Gerichtsvollzieherin und Berliner Polizei am 11. Januar frühmorgens steht dieser Gebäudeteil im Kiez an der Ohlauer Straße nun wieder leer. Dass die bis zum Vorabend im festen Quartier verbliebenen elf, zwölf Bewohner in Sicherheit sind, erfuhren an die zweihundert protestierende Menschen bei kaltem, seit der Dämmerung anhaltendem Nieselregen.

Bln GerhHauptSchule Kreuzberg 1"Hier wird das deutsche Asylrecht geräumt", bemerkte im Rollstuhl ein engagierter Helfer aus dem Kiez ins Mikrofon seiner improvisierten Anlage, während die Kameras auf Menschen, die Spruchbänder entrollten und zum Objekt hinüber blitzten. "Die Räumung findet genau wieder in dem Bereich statt, in dem sie 2014 nicht endgültig durchgesetzt werden konnte." Damals, während der starken solidarischen Straßenblockade im April, drohte eine Gruppe von 20 überwiegend afrikanischen Migranten vom Dach der Schule aus, sich notfalls in den Tod zu stürzen. Das zwang die Kreuzberger Behörden einstweils zum Einlenken, obwohl der damalige SPD-CDU-Senat massiv Druck ausgeübt hatte. Während sich einige BewohnerInnen verschanzten, zogen 380 bis 400 andere aus Rückkehrländern mit ihren Familien freiwillig aus. Manche konnten damit zeitweise Duldung bzw. Bleiben durchsetzen. "Das war ein Erfolg. Jetzt aber wurden die Gebliebenen ausgespielt gegen andere Leute, die zeitweise die Räume der Schule nutzen. Deshalb sind wir hier und demonstrieren dagegen."

Keine Ausnahme für Angela Davis

"Als selbst verwaltetes Zentrum ist die Schule gescheitert." Dieses Zitat der jetzt aufatmenden "grünen" Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann stammt schon aus den Maitagen 2015, da sie vor der plötzlich auftauchenden Angela Davis - einst freigekämpfte Ikone weltweiter Solidarität und Aktivistin der US-Bürgerrechtsbewegung - das Security-gesicherte Schulhoftor an der Ohlauer Straße verschlossen halten ließ: "Keine Ausnahme." Dabei hat Herrmann bis heute noch nicht mit Aktivisten der Geflüchteten über Probleme und Projekte "auf Augenhöhe" gesprochen, wie eine Sprecherin der Nachbarschaftsinitiative Ohlauer Straße mitteilt.

In der beim Landgericht Berlin eingereichten Räumungsklage des Bezirksamts hat Herrmann gegen mündliche Zusagen und teils sogar schriftlich fixierte Nutzungsvereinbarungen geltend gemacht, alles sei immer nur zeitlich und ohne Mietvertrag toleriert gewesen: das schließlich bewilligte feste Winterquartier 2012 unter ihrem Amtsvorgänger und Parteikollegen Franz Schulz, sogar schriftliche Vereinbarungen mit Stadträten, um zu Projektentwicklungen in Richtung eines International Refugee Centers zu kommen. Die Geflüchteten wollen "hier wohnen, arbeiten und unser Projekt machen". "Das Ende ist erreicht. Ein weiteres Wohnen im Südflügel ist ausgeschlossen", ließ Herrmann Ende Juli nach dem Gerichtstermin verkünden und zugleich den Räumungstermin ankündigen. Eine Tageszeitung zitierte dazu den Kreuzberger Barden Mark Staiger: "Der Senat hätte nie ein autonomes, gut organisiertes Haus mit europaweiter Ausstrahlung geduldet."

"Es geht nicht um das Gebäude, es geht um die Bedeutung. Wenn ihr diesen Ort räumt, ist das ein Verlust für uns alle. Wir verlieren, was dieser Ort hätte werden können."
(Aktivisten aus der Gerhart-Hauptmann-Schule)

 

Bln GerhHauptSchule Kreuzberg 4"Die Jahre, mit denen die Bewohner eines ganzen Kiezes mit den Menschen auf dem Dach solidarisch waren, sind ein Meilenstein für hoffnungsvolle Entwicklungen in dieser Stadt und in diesem Stadtbezirk." Karin Baumert, Sprecherin des Bündnisses gegen Zwangsräumung, improvisiert am Rollstuhl-Mikrofon einen Auftakt zur Kundgebung. Die wird dort auch fortgeführt, weil die instabile Lautsprecheranlage weiterhin nicht genutzt werden kann.

"Wir lassen es uns nicht nehmen, dass Menschen, die von Teilen der Gesellschaft nicht willkommen geheißen werden – einschließlich des Staates und seiner Institutionen –, hier in Kreuzberg von uns willkommen geheißen werden. Wir haben am Oranienplatz 2012 das anderthalb Jahre bestehende Camp unterstützt, wo das 'OPlatz Berlin Refugee Movements' die Foren moderierte - gegen die Dublin-Regelungen, zur Abschaffung der Residenzpflicht, gegen Abschiebungen und Lagerunterbringung. Wir haben alle für ein besseres Asylsystem gekämpft und waren immer an dieser, damals noch leerstehenden Gerhart-Hauptmann-Schule und bei der Bezirksverwaltung. Dort haben wir gesagt, die Schule ist besetzt, wir wollen das Winterquartier. Und jetzt sagen wir: Für das Geld, das über die Jahre für die Sicherheit ausgegeben wurde, hätte man selbst nach der Logik des Kapitals eine große Wohnung kaufen können, um einen 'No border, no nation'-Ort zu etablieren! Warum vertraut man uns nicht, die naheliegenden Lösungen nach den Häuserbesetzungen zu organisieren, um daraus dann Alternativen zu entwickeln? Warum traut man uns das nicht zu?"

Ein menschenwürdiges Leben für alle!

Eine Kollegin von Baumert nimmt das vorbereitete Thema ausführlicher auf:

"Bei der Räumung der Gerhart-Hauptmann-Schule geht es um mehr als um die Frage: Wer hat hier eigentlich recht. Es geht um die Geschichte von Menschen, die ihre Situation nicht mehr ertragen wollen, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Sie brachen 2012 auf aus Lagern, die diese Gesellschaft für sie bereithält. Sie wanderten durch die ganze Republik und fanden hier in Kreuzberg offene Ohren. Es gab jede Menge Solidarität. Sie besetzten den Oranienplatz und fanden auf der gemeinsamen Suche nach einer Lösung hier an der Ohlauer Straße ein Winterquartier.

Doch der grüne Bezirk hat zusammen mit der Polizei alles getan, um zu verhindern, dass ein selbstorganisiertes internationales Geflüchteten-Zentrum entsteht. In diesen Jahren haben wir alle gelernt. Menschen, die hier sind, weil wir ihre Länder zerstören, springen lieber vom Dach als in die von unserer Gesellschaft ihnen zugewiesenen Positionen zurückzukehren. Ein menschenwürdiges Leben kann nur für alle gelten oder für niemanden.

Der 'grüne' Bezirk und dahinter der Senat haben über Jahre einen zermürbenden Gerichtskampf führen lassen gegen die Geflüchteten. An dessen Ende steht die Zwangsräumung. Jetzt setzen sie die Berliner Polizei ein, um die Drecksarbeit zu machen. Das ist ihre politische Lösung. Diese Rechnung haben sie ohne uns gemacht! Sie wird ihnen auf die Füße fallen."

Bln GerhHauptSchule Kreuzberg 6 MariaMaria aus Rumänien (Bild links) ist gekommen und dankt für die gesamte Unterstützung: "Wir haben uns sehr gut gefühlt, als wir hier zusammen gelebt haben, auch mit meiner Familie. Jetzt sind alle verstreut. Einige von uns sind inzwischen gestorben. Ich würde sehr gern hierher zurückkommen, dass wir uns hier wieder gut fühlen. Dafür müssen wir kämpfen. Wir würden aber auch sehr gern unsere Kinder in die Schule schicken. Das können wir offenbar nicht sehr leicht."

Keine Repressalien!

Englisch- und französischsprachige Geflüchtete aus Afrika verlesen eine gemeinsame Erklärung:

"Die Bezirksregierung hält nicht ihr Wort, ein neues Zentrum für Flüchtlinge zu bauen hier in der Ohlauer Straße. Sie bricht ihre Zusagen mit einem mal, die wir verbinden mit dem Recht auf Wohnraum und uns gemeinsam zu bilden und zu arbeiten. (Orientierungs-Beispiel: Ausnahmeregelung nach § 23 Aufenthaltsgesetz.) Sie können sich nicht vorstellen, was dieser Ort für uns bedeutet. Ohne ein anderes Zuhause wird dieser Winter für uns eine Bln GerhHauptSchule Kreuzberg 5Katastrophe sein. Wir appellieren an alle Aktivisten und Freunde: Dieser Ort wird uns nicht nur von einer weißen deutschen Mehrheit weggenommen, sondern manchmal auch von unseren Freunden. Solidarität zu zeigen ist wichtiger denn je. Die Situation für Menschen mit Fluchterfahrung verschlechtert sich immer weiter. In Libyen werden Menschen interniert, verkauft und versklavt. In Europa wird Migration kriminalisiert, immer mehr Menschen werden abgeschoben. In diesen Zuständen findet die europäische Rechtsdrift ihren Ausdruck. Alle Menschen müssen das Recht haben, zu entscheiden, wo und wie sie leben wollen, unabhängig von ihrem Status und ihrer Herkunft."

Die zum Teil auch tragischen Ereignisse rund um die Gerhart-Hauptmann-Schule - es gab eine tödliche Auseinandersetzung zwischen zwei afrikanischen Bewohnern und einen Brand - in größere Zusammenhänge zu stellen, dafür plädiert Kim Archipova von der Nachbarschaftsinitiative Ohlauer Straße: "Als Nachbarn und Freunde haben wir uns vor diesem Tag gefürchtet, und wir sind froh, dass wir die Repressalien für die Bewohner bei einer Räumung der Schule abwenden konnten. Was ihre persönliche Perspektive betrifft, so hoffen wir, dass die politischen Zusagen zuverlässig sind und in keinem Fall gebrochen werden."

"Die Schulen denen, die sie brauchen!"

Da denken wir wieder an der Bezirksbürgermeisterin und an ihr derzeitiges Versprechen, im Gebäude tatsächlich ein Flüchtlingszentrum aufzubauen. "Diesmal aber unter Aufsicht der Behörden – mit Wohnungen, Deutschkursen, vielleicht Werkstätten", wird sie im "Spiegel" zitiert. Das heißt Sand in die Augen der Öffentlichkeit streuen: "Gewohnt werden muss woanders", hat sie vor der Räumung verlauten lassen. Was den vollmundigen Inhalt ihres Center-Projekts anlangt, nimmt sie scheinbar schon vorhandene Fäden auf und verkehrt die Orientierung ins Gegenteil - weg von einer Selbstorganisation, hin zu einer staatlich verordneten.

"Ein Internationales Refugee-Center (IRC) aufzubauen lief ins Leere", heißt es in der verlesenen Stellungnahme Kreuzberger UnterstützerInnen für das gescheiterte Projekt.

"Wir finden es bedauerlich und kritikwürdig, dass die Chance, den Aufbau eines selbstverwalteten IRC zu fördern, von der Politik nicht mit beiden Händen ergriffen wurde. Es ist ein politisches Versagen, dass der Bezirk nicht in der Lage war, die entsprechenden Initiativen zu fördern und zu ermöglichen. Parallel zu den Verhandlungen über das IRC blockierten nicht eingehaltene politische Versprechen und Verwirrspiele um Zuständigkeiten immer wieder die Entwicklung. Angesichts dessen sprechen wir den Geflüchteten aus der Gerhart-Hauptmann-Schule unseren Respekt für ihr Durchhaltevermögen und ihr Festhalten an den Visionen aus. Wir teilen ihre Enttäuschung. Wie tief sie in den Geflüchteten selbst ist, können wir nicht ermessen. Langfristige und grundsätzliche Veränderungen wollte und will die offizielle Politik scheinbar nicht. Dabei wäre dies die Chance gewesen, etwas Positives, Konstruktives und Zukunftsfähiges zu entwickeln, in enger Kooperation aller Beteiligten."

Dass niemals auf Verhandlungsangebote von BesetzerInnen eingegangen wurde, hat sich im zuletzt im Sommer 2017 bei der Räumung des Kiezklubs "Friedel 54" in der nahen Friedelstraße gezeigt. Als der Demonstrationszug schließlich anlangt vor dem dichtgemachten Ort für linke selbstorganisierte Gruppen, die für eine Stadt von unten kämpfen, stellt ein Redebeitrag die Verbindung zu den Geflüchteten her. Aktivisten aus der "Friedel 54" sind an der Seite von Gruppen wie "Corasol" oder "No border, no nation reloadet Berlin": gegen staatlichen Rassismus, gegen die Abschottungspolitik Europas und für ein Bleiberecht für alle. "Wir können uns nur auf uns selbst verlassen, auf die Solidarität untereinander, nicht auf staatliche Institutionen."

Text und Fotos: Hilmar Franz

 

Farkha Festival Komitee ruft zu Spenden für die Solidaritätsarbeit in Gaza auf

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Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
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Das UNRWA fordert den sofortigen Zugang zu humanitärer Hilfe und die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern für bedürftige Palästina-Flüchtlinge.
Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

Spenden: https://donate.unrwa.org/gaza/~my-donation


 

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