05.06.2011: Das 17. Treffens des Foro de Sao Paulo (FSP) war nicht nur eine Veranstaltung wichtiger, inhaltsreicher Vorträge, sondern auch eine Konferenz der Arbeit im Detail. Die Teilnehmer der Veranstaltung teilten sich deshalb am zweiten Tag in 13 Workshops auf, um verschiedene Themenkreise zu diskutieren und konkrete Vorschläge für die weitere Arbeit des Foro festzuhalten. Die Themenpalette reichte dabei von 'Umwelt und Klimawandel' über 'Soziale Bewegungen', 'Frauen', 'Sicherheit und Drogenhandel' bis hin zu 'Nationale Souveränität und Entkolonialisierung'. Ziel jedes Arbeitskreises war es, Lösungsansätze zu entwickeln, die dann Eingang fanden in die zu verabschiedenden Resolutionen und die damit die Grundlage für die weitere politische Arbeit der teilnehmenden Organisationen bilden.
Ein seit längerem bestehendes, zentrales Problem in Mittel- und Südamerika und damit Gegenstand eines eigenen Arbeitskreises war das Thema der Migration.
In Mittelamerika gibt es im Wesentlichen zwei Migrationsströme, einen großen über Mexico in die USA und einen 'kleinen' Richtung Costa Rica. Saúl Escobar von der PRD (Partido de la Revolucion Democratica) aus Mexico schätzte ein, dass momentan allein 30 Millionen Mexikaner in den USA leben. Fernando Martinez (Frente Amplio, Costa Rica) nannte die Zahl von 1 Million registrierter Gastarbeiter aus Nicaragua in seinem Land, die man um 500.000 illegale Einwanderer aus dem Nachbarland ergänzen müsse. Vor allem letztere leben und arbeiten unter sehr schlechten Bedingungen, ohne gültige Dokumente, mit geringem Lohn und ohne soziale Absicherung. Sie arbeiten bevorzugt in der Landwirtschaft und in der Bauindustrie, viele Frauen sind in privaten Haushalten angestellt. Sie sind für die MigrantInnen-Organisationen nur schwer erreichbar.
In Richtung Europa bewegt sich der dritte große Strom von MigrantInnen, in erster Linie aus Südamerika. Aber auch mehr und mehr Menschen aus Mittelamerika suchen hier ihre Zuflucht. Allein in Italien sollen ca. 50.000 Einwanderer aus El Salvador leben.
Die Bedeutung der Migrationsthematik ist in den letzten Jahren gewachsen. Das hängt zum einen mit der tendenziellen Zunahme der MigrantInnenströme zusammen. So berichtete Blanca Flor Bonilla von der FMLN, El Salvador, dass ca. eine Million Salvadorianer während des Bürgerkriegs von 1980 – 1991 das Land verlassen hatten, anschließend sind aber zwei weitere Millionen Menschen ausgewandert. Ursache hierfür sind vor allem das Fehlen von Arbeitsmöglichkeiten und damit die Zunahme von Armut in den Herkunftsländern auf Grund der neoliberalen Politik der Herrschenden, oder - allgemein gesprochen - die Unfähigkeit des kapitalistischen Weltsystems, extrem ungleichmäßige wirtschaftliche Entwicklungen (incl. Verelendung und Kriegen) zu verhindern.
Zum Anderen ist das Thema jetzt stärker an andere Probleme wie den Krieg gegen die Drogenorganisationen im Norden Mexikos gekoppelt und in den USA wird das Immigrationsproblem mit der Frage des Terrorismus und der Nationalen Sicherheit vermischt.
Die Grundlage für die Diskussion in dem Workshop bildete ein Dokument über ein Abkommen zwischen den linken Parteien PRD und PT (Partido del Trabajo) aus Mexico und der FMLN aus El Salvador über die Unterstützung der MigrantInnen Mittelamerikas. Es wurde im Februar dieses Jahres abgeschlossen und ist offen für den Beitritt weiterer politischer Parteien. Alle drei Parteien verfügen über große Erfahrungen in der Arbeit mit MigrantInnen, speziell mit denen in den USA. Die PRD z.B. ist seit gut drei Jahrzehnten auf diesem Gebiet tätig und auch die FMLN ist mit eigenen Organisationsstrukturen vor Ort präsent.
In der weiteren Debatte wurde vor allem diskutiert, wo das Foro de Sao Paulo mit seiner politischen Arbeit ansetzen sollte. Es hat in den USA bereits zwei Konferenzen mit Repräsentanten lateinamerikanischer MigrantInnen organisiert, die erste in Los Angeles und die zweite in San Francisco. Das nächste Treffen soll jetzt Ende September in Chicago stattfinden. Als weitere Arbeitsschwerpunkte wurden die Schaffung eines ständigen Mechanismus der Konsultation zwischen den im FSP organisierten politischen Parteien, die Förderung von Unterstützer-Netzwerken zwischen den MigrantInnen und die Unterstützung der Familien der Ausgewanderten in den Herkunftsländern festgelegt. (Details siehe Anhänge)
Ebenfalls soll mit der Europäischen Linkspartei die Zusammenarbeit intensiviert und der Informationsaustausch kontinuierlicher gestaltet werden. Damit will man an die ersten Konsultationen angeknüpfen, die auf dieser Ebene im März dieses Jahres in Madrid stattfanden.
Zur Realisierung der ganzen Vorschläge ist geplant, beim FSP einen ständigen Arbeitsausschuss zum Thema Migration einzurichten. Damit soll auch auf diesem Gebiet die Strategie des Foro umgesetzt werden, aktiver in die politischen Kämpfe in Lateinamerika einzugreifen und sichtbarer als politischer Akteur in Erscheinung zu treten.
s.a.: 17. Treffens des Foro de Sao Paulo
Text: RASCH / Foto: Squirmelia, Bob Jagendorf (Migrantenarbeiter in den USA)