15.11.2010: Erst sprach der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck als Hauptredner auf einer antifaschistischen Mahn- und Gedenkveranstaltung der Evangelischen Kirche am Sonntag, den 14.11.10, dann räumte seine Polizei den Platz für eine anschließende NPD-Kundgebung. Seit gut 10 Jahren ziehen am Volkstrauertag in Bretzenheim bei Bad Kreuznach immer wieder alte und neue Faschisten am Mahnmal auf dem Gelände eines ehemaligen amerikanischen Kriegsgefangenenlagers auf, um ihrer "Helden" zu gedenken.
Proteste gegen diese Aufzüge wurden immer von linken Parteien und Gruppierungen, darunter auch die DKP, die PDL und die VVN-BdA, Sozialdemokraten und Grünen sowie Gewerkschaften und Kirchen organisiert. Aus dem Ort selbst gibt es wenig Widerstand, im Gegenteil, wechselnde Ortsbürgermeister ließen erkennen, daß ihnen die Gegendemonstranten mindestens genauso unwillkommen sind wie die Rechten.
Das schien auch die Einsatzleitung der Polizei so zu sehen, zumindest bezüglich dreißig bis vierzig jungen Antifaschistinnen und Antifaschisten. Ihre Personalausweise wurden im Vorfeld der Demo eingesammelt, sie selbst - wie Verbrecher im Krimi: Hände an die Wand und Beine auseinander - Leibesvisitationen unterzogen, Taschen, Brieftaschen und Geldbörsen durchwühlt. Gegenüber protestierenden und die Jugendlichen nicht alleine lassenden älteren Antifaschistinnen und Antifaschisten begründete die Polizei dies mit der Sicherheit des Ministerpräsidenten. Bis dann alle am Kundgebungsplatz ankamen, war Becks Ansprache längst vorüber.
Andere Redner forderten vor gut 300 Anwesenden, das Mahnmal umzuwidmen in eine Gedenkstätte für alle Opfer von Krieg und Faschismus. Das lehnt u. a. die CDU ab, die unter Führung ihrer Ministerpräsidentenkandidatin und Staatsekretärin in Merkels Kabinett Julia Klöckner vor drei Wochen an der Gedenkstätte ein sog. "Stilles Gedenken", aber mit Presseberichterstattung inszenierte. Hier solle einzig der deutschen Soldaten gedacht werden, die hier gelitten hätten und gestorben seien, meinten die Parteichristen.
Neben Beck sprachen der CDU-Landrat, Kirchenvertreter und Jugendliche, die von ihren Eindrücken aus den Gedenkstätten von Auschwitz und Ravensbrück berichteten. Die Gruppe "Dreydele" mit Sonja Gottlieb verlieh der Veranstaltung mit alten und neuen antifaschistischen Liedern einen würdigen künstlerischen Rahmen.
Den Platz nach dem offiziellen Ende der Veranstaltung widerspruchslos den aus anderer Richtung anrückenden NPDlern und "Nationalen Sozialisten Mainz - Bingen" zu überlassen waren viele nicht bereit. Rund 20 Jugendliche stellten sich vor das Mahnmal. "Kein Platz für Nazis!" war zu lesen, siehe Bild. Spontan schlossen sich dem weitere 80 Menschen an, darunter auch Mitglieder der DKP. Sie wichen auch nach den üblichen drei Aufforderungen durch die Polizei nicht. Gewaltfrei widersetzten sie sich, woraufhin sie dann weggetragen oder abgeführt und erkennungsdienstlich behandelt wurden.
Wenn auch der anschließende Aufzug von rund 30 Nazis nicht verhindert werden konnte, so schätzen die Beteiligten die Blockadeaktion dennoch als Erfolg ein, weil Menschen weit über die vom Südwestfunk so bezeichnete "linke Szene" hinaus sich beteiligt hatten und damit das Grundgesetz, insbesondere den Artikel 139 verteidigten.
Text/Foto: Volker Metzroth