Analysen

15.12.2025: Die globale ökonomische Ungleichheit nimmt weiterhin stark zu ++ vom allgemeinen Zuwachs profitieren in erster Linie die Superreichen ++ Ungleichheit zeigt sich nicht nur direkt beim Geld ++ doch der Report bleibt an der Oberfläche: Ungleichheit ist kein Verteilungsfehler, sondern zwangsläufiges Resultat kapitalistischer Produktionsverhältnisse ++ Willy Sabautzki zum "Weltungleichheitsreport 2026" von Thomas Piketty, Lucas Chancel u.a.

 

Der "Weltungleichheitsreport" ist ein von ForscherInnen um Thomas Piketty, Lucas Chancel und weiteren, regelmäßig erstellter Bericht, der die globale Entwicklung von Einkommens- und Vermögensungleichheit auf der Grundlage umfangreicher historischer und aktueller Daten analysiert. Es handelt sich nicht um ein einzelnes Dokument, sondern bezieht sich auf wichtige Berichte, die im Laufe des Jahres veröffentlicht wurden.

Der "Weltungleichheitsreport 2026" (World Inequality Report 2026) bilanziert globale Einkommens- und Vermögensverteilung anhand umfassender Daten der World Inequality Database (WID). Ergänzt durch den Climate Inequality Report 2025 desselben Labors, verknüpft er ökonomische mit klimapolitischen Ungleichheiten.

Der Bericht zeigt, dass die globale ökonomische Ungleichheit weiterhin stark zunimmt, sowohl bei Einkommen als auch bei Vermögen. Die wichtigsten empirischen Befunde lassen sich in mehrere Kernbereiche unterteilen: die Entwicklung der Einkommens- und Vermögensverteilung, regionale Unterschiede, die Rolle von Kapitalrenditen. Erstmalig sind Angaben von Einkommensentwicklung und Klima- und Geschlechterungleichheit mit einbezogen.

Theoretisch bestimmt der Report Ungleichheit als eine ungleich Verteilungsthematik: Das ungleiche Verhältnis von den obersten 10% gegenüber den unteren 50%" scheint eine marxistische Klassenanalyse von Kapital vs. Lohnarbeit mit einem entsprechendem Klassenstandpunkt für politische Konsequenzen zu umgehen. Stattdessen gehen die Autoren davon aus, dass progressive Steuersysteme die Ungleichheit wirksam reduzieren könnten. Allerdings ist in diesem Kontext darauf hinzuweisen, dass die Steuerprogression in den reichen Ländern und vielen Schwellenländern seit Beginn der Phase des neoliberalen Kapitalismus (1970) eine gegenteilige Entwicklung nahmen, indem progressive Erbschaftssteuern ausblieben und ein reformistischer Ausbau von Sozialstaats– Maßnahmen, die den Kapitalismus "effizienter und gerechter" machen sollten, theoretisch blieben und die soziale Ungleichheitsentwicklung nicht aufgehalten haben. ​

Empirische Befunde des Reports: Entwicklung der Einkommen

Die zentralen Daten des Reports 2026 bestätigen eine beispiellose Konzentration: Das oberste Dezil, d. h. die obersten 10 %, die Reichsten einer Gesellschaft, ein wichtiges Maß für die Einkommens- und Vermögensungleichheit, hält weltweit über 75% des Vermögens; das oberste 1 % umfasst nahezu 50% der Einkommen. Trotz eines leichten Rückgangs der weltweiten Einkommensungleichheit zwischen Ländern hat sich die Konzentration von Einkommen und vor allem Vermögen innerhalb vieler Staaten verschärft.

Das folgende Schaubild zeigt den Anteil der obersten 1% je Nationaleinkommen:

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Seit rund vier Jahrzehnten wächst der Einkommensanteil der obersten 1 bis 10 %. Die Einkommen der globalen Spitzengruppen ergeben sich zunehmend aus Kapitalerträgen, was die Kopplung von Einkommens- und Vermögensungleichheit verstärkt. Der Bericht betont, dass vor allem die reichsten 1 % einen unverhältnismäßig großen Teil des Zuwachses an Einkommen und vor allem Vermögen seit der Jahrtausendwende abschöpfen, während die untere Hälfte der Weltbevölkerung nur einen sehr geringen Anteil erhält.

 

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In fast allen Regionen war das oberste 1 % wohlhabender als die unteren 90 % zusammen, so das Ergebnis des Berichts, wobei die Vermögensungleichheit weltweit rapide zunimmt. „Das Ergebnis ist eine Welt, in der eine winzige Minderheit über beispiellose Finanzmacht verfügt, während Milliarden Menschen selbst von grundlegender wirtschaftlicher Stabilität ausgeschlossen bleiben“, so die Autoren des Berichts.

Diese Konzentration ist nicht nur anhaltend, sondern beschleunigt sich sogar noch. Seit den 1990er Jahren ist das Vermögen von Milliardären und Multimillionären jährlich um etwa 8 % gewachsen, fast doppelt so schnell wie das der unteren Hälfte der Bevölkerung. Die Ärmsten haben zwar bescheidene Gewinne erzielt, diese werden jedoch von der außergewöhnlichen Anhäufung an der Spitze überschattet. Der Anteil des globalen Vermögens, der sich in den Händen der obersten 0,001 % befindet, ist laut dem Bericht von fast 4 % im Jahr 1995 auf über 6 % gestiegen, während das Vermögen der Multimillionäre seit den 1990er Jahren jährlich um etwa 8 % gewachsen ist – fast doppelt so schnell wie das der unteren 50 %.

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In den USA ist der Anteil des obersten 1% von 10% auf über 20% angestiegen, während der Einkommensanteil der unteren 50% von 21% im Jahr 1980 auf 13% im Jahr 2025 gefallen ist. Ähnliche Entwicklungen sind in Europa, Asien und Lateinamerika zu beobachten, wobei die Geschwindigkeit der Zunahme regional variiert.

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Interaktive Grafik: https://wid.world/world/#sptinc_p99p100_z/US;FR;DE;CN;ZA;GB;WO-PPP/last/eu/k/p/yearly/s/false/3.87/30/curve/false/country

 

Entwicklung der Vermögensverteilung

Die Vermögenskonzentration ist extrem: Die reichsten 10% der Weltbevölkerung besitzen 76% des globalen Vermögens. Die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung verfügt über weniger als 5% des globalen Vermögens.

Die Konzentration von Reichtum und Macht vor allem in den Händen weniger Monopole und Konzerne hat sich weiter verschärft. Eine kleine Zahl von immer größeren Konzernen übt außergewöhnlichen Einfluss auf Wirtschaft und Politik aus, drückt Löhne, übervorteilt Verbraucher und privatisiert öffentliche Güter. Die Weltbevölkerung in ärmlichen und fragilen Ländern wächst stetig, wobei allein in Subsahara-Afrika bis 2030 etwa die Hälfte der globalen Bevölkerung in extremer Armut leben wird.

Die Hauptursache für die wachsende Ungleichheit ist laut Thomas Piketty die ungleiche Verteilung von Kapital. Die Rendite aus Kapital übersteigt regelmäßig das Wachstum der gesamtwirtschaftlichen Einkommen, was bedeutet, dass Vermögen schneller wächst als die Arbeitseinkommen.

Dies führt der Berichts-Analyse zufolge dazu, dass die Schere zwischen Vermögenden und Normalbevölkerung immer weiter auseinandergeht. Besonders die reichsten 10 % profitieren von diesem Trend: Sie erhalten 52 % des weltweiten Einkommens, während die ärmste Hälfte nur 8 % erhält.

Die Studie betont, dass die Ungleichheit zwischen Ländern seit der Jahrtausendwende leicht zurückgegangen ist, während die Ungleichheit innerhalb der Länder weiter steigt. Besonders in Regionen wie Lateinamerika und dem Nahen Osten sind die Unterschiede extrem: Dort erhalten die reichsten 10 % bis zu 55 bis 58 % des Nationaleinkommens, während die ärmsten 50 % nur 9 bis 10 % erhalten.

Thomas Piketty zeigt, dass diese Entwicklungen keine naturgegebenen Gesetze sind, sondern das Ergebnis politischer Entscheidungen, wie Steuersysteme, Bildungspolitik und die Machtverhältnisse im Kapitalismus.

Regionale Unterschiede der Einkommensentwicklung

Für das Jahr 2023 zeigt die World Inequality Database, dass die Einkommensungleichheit zwischen den Regionen erheblich variiert.

In Europa besitzen die obersten 10% etwa 37% des Gesamteinkommens, im Nahen Osten vergleichsweise sogar 61%. In Ländern wie Brasilien verfügen die oberen 10 % bis zu 29-mal mehr als die unteren 50 %, in Frankreich ist das Verhältnis 7 zu 1.​

Die Entwicklung ist in Schwellenländern besonders dynamisch, da dort die Deregulierung der Märkte und die Öffnung für globale Kapitalströme die Ungleichheit verstärkt haben.

Zwischenstaatlich ist ein gewisser Aufholprozess großer Schwellenländer – etwa in Ostasien – erkennbar, was zur Abnahme der globalen Einkommensungleichheit zwischen Ländern beiträgt. Allerdings bleiben insbesondere Subsahara-Afrika und Teile Südasiens deutlich zurück, sodass die Einkommensschere im Weltsystem strukturell bestehen bleibt und künftige Verringerungen der Ungleichheit stark von der Entwicklung dieser Regionen abhängen.

Im folgenden Schaubild sind die Anteile am Nationaleinkommen nach 6 Weltregionen und nach Einkommensgruppen dargestellt.

Anteil am Nationaleinkommen nach Weltregion und Einkommensgruppe

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https://wid.world/news-article/10-facts-on-global-inequality-in-2024/

Klimaungleichheit

Neu im Fokus des Weltungleichheitsberichts 2026 steht die Verbindung mit Klimaungleichheit. Der Bericht widmet erstmals ein eigenes Kapitel der Ungleichheit der CO2-Emissionen. Dem Climate Inequality Report ist zu entnehmen, dass die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung nur 12% der Emissionen verursacht, trägt aber voraussichtlich 75% der relativen Einkommensverluste durch Klimaschäden.

Der UN-Global Multidimensional Poverty Index (MPI) 2025 zeigt, dass weltweit 1,1 Milliarden Menschen (18,3% der untersuchten Bevölkerung) in akuter multidimensionaler Armut leben, wobei die Betroffenen vor allem in Subsahara-Afrika (49,2%) und Südasien (34,1%) konzentriert sind. Die Armut ist dabei nicht nur einkommensbasiert, sondern umfasst Defizite in Bildung, Gesundheit und Lebensstandard wie fehlende Zugänge zu sauberer Kochenergie, sanitären Einrichtungen, Elektrizität oder angemessener Ernährung. Parallel dazu weist der globale Index für mehrdimensionale Armut 2025 darauf hin, dass die in multidimensionaler Armut Lebenden erheblichen Klimarisiken ausgesetzt sind, was die sozial‑ökologische Dimension von Ungleichheit weiter verschärft.

Der Weltungleichheitsbericht macht sichtbar, wie extrem sich Einkommen und Vermögen seit 1980 zugunsten des obersten Prozents verschoben haben. Aus marxistischer Sicht bestätigt er damit empirisch zentrale Thesen über Klassenspaltung, Kapitalakkumulation und die strukturelle Tendenz zur Polarisierung im Kapitalismus. Problematisch ist aus marxistischer Perspektive jedoch, dass der Bericht Ungleichheit vor allem als Verteilungsproblem behandelt und mit steuer- und regulierungspolitischen Reformvorschlägen im Rahmen des bestehenden Systems beantworten will, statt die kapitalistische Produktionsweise, die diese Ungleichheiten gesetzmäßig hervorbringt, selbst in Frage zu stellen.

Forderungen der Autoren …

Die Kernthese von Thomas Piketty lautet: Ohne gezielte politische Maßnahmen – insbesondere eine stärkere Steuerprogression, ein internationales Finanzregister und Investitionen in Bildung – wird die globale Ungleichheit weiterhin dramatisch zunehmen. Der Bericht fordert politische Maßnahmen, um die Ungleichheit zu begrenzen: Dazu gehören ein hoher Spitzensteuersatz, ein internationales Finanzregister zur Transparenz von Vermögen, Investitionen in Bildung und eine gerechtere Besteuerung von Kapital.

Piketty betont, dass die wachsende Ungleichheit die Demokratie gefährdet und soziale Stabilität untergräbt. Nur durch gezielte Umverteilung und politische Reformen könne eine gerechtere, nachhaltigere Gesellschaft entstehen.

… greifen zu kurz

Aus marxistischer Perspektive stellt sich die Frage nicht nur nach deskriptiver Genauigkeit seiner Daten – die zweifellos imposant sind –, sondern primär nach ihrer strategischen Implikation: Dient der Weltungleichheitsreport der Stabilisierung eines regulierten, "grünen" Kapitalismus, indem er extreme Ungleichheiten als korrigierbares Verteilungsdefizit darstellt? Oder eröffnen seine empirischen Befunde Spielräume für eine Analyse jenseits kapitalistischer Vergesellschaftung, die auf Vergesellschaftung der Produktionsmittel abzielt?

Der Weltungleichheitsreport positioniert sich als eine kritische Kompetenz im Lager eines "regulierten, grünen Kapitalismus": Er kritisiert extreme Ungleichheit, stellt aber Privateigentum an Produktionsmitteln, Konkurrenz und Profitlogik nicht zur Disposition.

​Die dokumentierte Konzentration folgt der Dynamik von Mehrwertaneignung, fallender Profitrate und Überakkumulation, die der Report nicht thematisiert.

Besonders anzumerken ist der neu hinzugekommene Bezug zur Klimaentwicklung. Die Krise resultiert nicht primär aus individuellem Fehlverhalten einzelner Emittenten, sondern aus fossiler Kapitalverwertung – Energieinfrastruktur, Rohstoffrendite, Finanzialisierung von "grünen" Assets. Die Finanzialisierung von "grünen" Assets beschreibt den Prozess, bei dem nachhaltige Vermögenswerte wie ökologische Investitionen, grüne Anleihen oder nachhaltig finanzierte Projekte zunehmend als Finanzprodukte gehandelt und in das Finanzsystem integriert werden. Damit werden Umweltziele mit Kapitalströmen verknüpft, um gezielt in Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu investieren und gleichzeitig finanzielle Renditen zu erzielen. Der Report schlägt Bepreisung (CO₂-Steuern) und Kompensation vor, was den Kapitalismus lediglich "vergrünt", ohne die Eigentumsfrage zu stellen.

Ein Fazit

Der Bericht ist ein enorm wichtiges Programm, das außergewöhnlich viele international erhobene Daten methodisch sauber aufbereitet. Anzuzweifeln ist jedoch, ob der Report das Wesen der Ungleichheit adäquat erfasst: Ungleichheit ist kein Verteilungsfehler, sondern zwangsläufiges Resultat kapitalistischer Produktionsverhältnisse: Mehrwertaneignung, fallende Profitrate und Überakkumulation, die der Report nicht thematisiert. Und somit wird die wachsende Ungleichheit nicht als systemimmanentes Ergebnis des Kapitalismus, eher als individualisiertes Ergebnis des existierenden Wirtschaftssystems gesehen.

Die Ausbeutung von Arbeit durch Kapital führt systematisch zu einer Konzentration von Reichtum und Macht in den Händen der besitzenden und herrschenden Klasse. Die kapitalistische Produktionsweise produziert massive Ungleichheit, Reichtum in den Händen weniger, Armut für eine zunehmende Mehrheit.

Dies ist die Ungleichheit, die für das Funktionieren des Kapitalismus von Bedeutung ist – die konzentrierte Macht des Kapitals. Und weil die Ungleichheit des Reichtums aus der Konzentration der Produktionsmittel und der Finanzen in den Händen einiger weniger resultiert und weil diese Eigentumsstruktur unangetastet bleibt, wird jede Umverteilungspolitik, die auf einer Erhöhung der Steuern auf Vermögen und Einkommen basiert, immer daran scheitern, die Verteilung von Vermögen und Einkommen in modernen Gesellschaften nachhaltig zu verändern.

Reformansätze, wofür der Weltungleichheitsbericht plädiert, wie etwa höhere Steuern oder Regulierung von Konzernen greifen zu kurz, weil sie die grundlegenden Klassenverhältnisse nicht verändern. Dabei würde die empirisch belegte Vermögenskonzentration die Vergesellschaftung zentraler Sektoren rechtfertigen: Energie, Finanzwesen, Plattformen, Industrie (z. B. Auto-, Tech-Konzerne). Emissionsdaten fordern demokratisch geplante Investitionen: Öffentliche Energie- und Verkehrswende statt einem marktbasiertem Green New Deal.


Quellen:

Wir werden in unsere Heimat zurückkehren

Palestina Wir werden zurüückkehren

Viva Palästina

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Nach einer längeren Unterbrechung konnten die Genoss:innen der Jugendorganisation der Palästinensischen Volkspartei (PPP) ihre Solidaritätsarbeit in Gaza wieder aufnehmen

Gaza Soliaktion 2024 12 09 5
zum Text hier
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