28.07.2016: Es ist das größte Fusionsvorhaben, das je ein deutscher Konzern geschmiedet hat. Der Chemie-Multi Bayer mobilisiert gut 60 Milliarden Dollar, um den berüchtigten Agrokonzern Monsanto (USA) zu übernehmen. Allerdings, so deutsch ist der Chemieriese Bayer mittlerweile nicht mehr. Nur 20,6 Prozent des Grundkapitals sind in der Hand deutscher Aktionäre. Es dominieren die Shareholder aus dem angelsächsischen Bereich: 27,6 Prozent des Aktienkapitals sind im Portefeuille US-amerikanischer Fonds, weitere 18,9% werden von britischen Institutionellen (teilweise Dependancen von amerikanischen) gehalten. Es handelt sich also weitgehend um eine Verschmelzung von US-Kapital.
Der Deal ist Teil einer gigantischen Fusions- und Übernahmewelle (Mergers & Akquisitions – M&A), die gegenwärtig über den Globus rollt. Der Übernahmemarkt ist binnen weniger Jahre buchstäblich heiß gelaufen: Waren es 2012 2,7 Billionen Dollar, die für M$As ausgegeben wurden, so wurden 2014 für 3,7 Billionen und 2015 für über 5 Billionen Dollar Unternehmen gekauft und verkauft; eine Steigerung von 85% gegenüber 2012. Fünf Billionen, das ist soviel, wie die Wirtschaftsleistung (BIP) von Deutschland und Italien zusammengenommen.
Dominierend sind allerdings nach wie vor innerstaatliche Übernahmen; allein drei Billionen von den fünf Billionen Dollar wurden in den USA umgesetzt. Von den zehn größten Übernahmen weltweit, wurden sechs inneramerikanisch abgewickelt. Die größte Übernahme 2015 war jene des Pharmaherstellers Allergan durch den Pharmakonzern Pfizer für 160 Milliarden Dollar (FAZ, 9.7.16). Auf Asien entfielen Übernahmen im Wert von knapp 1,5 Billionen Dollar – eine Steigerung von 42 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Grenzüberschreitende Fusionen (cross-border mergers) machten mit 721 Milliarden Dollar erst einen Anteil von 14% am gesamten Fusionsvolumen aus, allerdings stiegen sie gegenüber dem Vorjahr um 67 Prozent und haben sich gegenüber 2013 fast verdreifacht (263 Mrd. $) (UNCTAD, World Investment Report 2016, S. 207).
„Das M&A-Geschäft ist deutlich globaler geworden als früher“, stellt Christian Kames von der Citibank fest. Es ist mittlerweile zum Kerngeschäft internationaler Großbanken, insbesondere der US-Banken geworden. Es entsteht immer mehr ein globaler Markt, auf dem Unternehmen gehandelt werden. Der Löwenanteil der transnationalen Firmenkäufe wird von Industrieländern aus betätigt: 81 Prozent.
Dominierend ist bei transnationalen Akquisitionen im Industriebereich die Einverleibung von Chemiefirmen: 47 Prozent der industriellen M&A sind Chemie-Übernahmen und Fusionen; im Dienstleistungsbereich dominieren die Finance-Services: Sie machen 78% der Firmenkäufe in diesem Bereich aus.
Die Woge von cross-border mergers and acquisitions (M&As) waren der Hauptfaktor bei der globalen Erholung der Direktinvestitionen (FDI) konstatiert UNCTAD. Die globalen ausländischen Direktinvestitionen (inflows) stiegen 2015 gegenüber dem Vorjahr um 38%, bei den Industrieländern um 84 Prozent. Die „entwickelten Ökonomien“ (developed economies) erreichten dadurch wieder einen Anteil bei den DI von über der Hälfte: 56 Prozent.
Die Vermachtung der Märkte
Die globale Summe für M&A in Höhe von fünf Billionen Dollar zeigt, über welch riesige liquide Mittel und Finanzreserven die Großkonzerne verfügen. Mittel, die sich aus den Profiten der vergangenen Jahre generieren, die aber wegen fehlender Nachfrage infolge stagnierender und sinkender Reallöhne nicht mehr lukrativ in Realinvestitionen angelegt werden können. Da die Unternehmen intern keine Wachstumsmöglichkeiten mehr sehen, werden die Gelder auf den Finanzmärkten zu Spekulationszwecken investiert, oder für den Rückkauf eigener Aktien ausgegeben, wie vor allem in den USA oder für den Kauf ganzer Unternehmen verausgabt. Bei letzterem kaufen die Konzerne zusätzliche Umsätze und Marktanteile, was wiederum von den Aktionären honoriert wird.
Geschmiert wird das Fusions-Karussell durch die Politik des billigen Geldes der Notenbanken, insbesondere der Fed und der EZB. Für die Konzerne war es noch nie so günstig, sich Geld zu leihen, zudem kauft die EZB nicht nur Staatsanleihen, sondern jetzt auch Firmen-Obligationen, was den finanziellen Spielraum der Konzerne weiter ausweitet. Allerdings wächst dadurch auch die Verschuldung der Konzerne: Bayer muss für 20 Milliarden Euro Bankkredite aufnehmen und für weitere 25 Milliarden Euro sonstige Anleihen begeben, um den Deal mit Monsanto zu stemmen. Für den Deal muss Bayer Finanzmittel in Höhe des Börsenwertes des Konzerns mobilisieren. Insgesamt entsteht mit der Fusionitis eine zusätzliche Finanzblase.
Ein weiterer Faktor, der die Fusionen und Übernahmen antreibt: Es entwickelt sich im Fusions-Monopoly inzwischen eine gewisse Eigendynamik. Fressen oder selbst gefressen zu werden, sind häufig realiter oder vermeintlich die Optionen.
Die Folge dieser Beschleunigung ist, dass hier in kurzer Zeit Transnationale Konzerne in neuen Größenordnungen entstehen und damit verbunden eine gewaltige Vermachtung der Märkte. Joseph E. Stiglitz spricht in diesem Zusammenhang von einer „neuen Ära der Monopole“ mit der Folge zunehmender Monopolgewinne. Stiglitz: „Die heutigen Märkte sind durch anhaltend hohe Monopolgewinne gekennzeichnet“ (zit. nach HB, 30.516).
Bayer/Monsanto: Die neuen Feld-Herren
Die Konzentration im Agro-Business ist in den vergangenen Jahren mit einem enormen Tempo vorangeschritten. Hatten 1985 die zehn größten Anbieter von Saatgut einen Markanteil von gerade mal 12 Prozent, so kamen Bayer, BASF, Dupont, Monsanto, Syngenta 2011 schon auf 75,3 Prozent (Coordination gegen Bayer-Gefahren, kommunisten.de 21.5.15). Zwischenzeitlich hat Dupont den Konzern Dow Chemical aufgekauft und Chem-China strebt die Übernahme von Syngenta an. Glückt die Übernahme von Monsanto durch Bayer, so würde der mit Abstand größte Agro-Konzern in der Welt entstehen, mit einem Umsatz von 26,5 Milliarden Dollar in diesem Bereich. An zweiter Stelle käme Düpont-Dow Chemical mit 16,2 Milliarden Dollar. 2015 betrug das Umsatz-Ranking der weltweit größten Agrarchemie-Konzerne: Monsanto 15,0 Mrd. Dollar, Syngenta (Schweiz) 13,4 Milliarden, Bayer 11,5 Milliarden, Dupont 9,8 Milliarden BASF 6,5 Milliarden und Dow Chemical 6,4 Milliarden Dollar.
Während Monsanto bereits jetzt einen dominierenden Anteil bei Saatgut hat – insbesondere in den USA -, wäre nach einem Zusammengehen auch der Pflanzenschutzbereich (Herbizide) beider Konzerne weitgehend marktbeherrschend. Aufgrund des wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnisses von Saatgut und Herbiziden wären die Bauern den beiden Konzernen weitgehend ausgeliefert. Monsanto ist für sein rabiates Vorgehen gegenüber Bauern berüchtigt. Bauernverbände schlagen jetzt schon Alarm. Sie fürchten, dass Saatgut und Pflanzenschutzmittel nach den vollzogenen Fusionen drastisch teurer werden (vgl. FAZ, 1.6.16). In den USA, wo Monsanto den Saatgut-Markt fast total beherrscht, vervierfachten sich in den vergangenen zwanzig Jahren die Preise, die US-Farmer für Saatgut von Mais oder Baumwolle bezahlen mussten.
Die Pläne von Bayer-Vorstandsboss Werner Baumann reichen über ein Preisdiktat hinaus. Er setzt auf das drastische Wachstum der Weltbevölkerung, deren Ernährung nach seiner Ansicht nur mit einer fortschreitenden Industrialisierung der Landwirtschaft gesichert werden könne – vorrangig mit dem Einsatz gentechnisch manipulierter Pflanzen. Monsanto hat auf dem Feld des Einsatzes Gentech-Pflanzen sein Kerngeschäft, insbesondere bei Mais, Baumwolle, Soja und Raps. Der Konzernherr rechnet offenbar damit, dass mit dem ökonomischen und poltischen des neuen Agro-Giganten das weitgehende Verbot zum Anbau von Gen-Pflanzen auch in Europa fallen wird und die großindustrielle Landwirtschaft zum weiteren Siegeszug antreten kann. „Um alle Menschen ernähren zu können, muss die Produktivität Landwirtschaft bis 2050 um 60 Prozent steigen“, rechnet Baumann vor (zit. nach SZ, 4.6.16).
Die Welternährungsorganisation FAO ist von den Segnungen der industriellen Landwirtschaft nicht überzeugt. Sie macht geltend, dass Kleinbauern die Böden sehr viel effektiver und umweltschonender bewirtschaften als Großbetriebe. Zudem würde die totale Industrialisierung der Landwirtschaft Hunderttausende Kleinbauern in Entwicklungs- und Schwellenländern zum Aufgeben zwingen – und in die Migration treiben. Die FAO schreibt dem Erhalt und Förderung kleinbäuerlicher Strukturen, regionaler Ernährungskreisläufe und traditioneller Pflanzenvielfalt eine Schlüsselrolle für die künftige Welternährung zu.
Gefahren bestehen nicht nur für die Kleinbauern. Bei beiden Konzernen ist die Hemmschwelle für den Einsatz unerforschter und giftiger Substanzen sehr niedrig. Gentechnik stufen sie als unbedenklich ein, Glyphosat, das sie beide produzieren als ein harmloses Pflanzengift. Mit Glyphosat, das in Verdacht steht, Krebs zu erzeugen, macht Monsanto fast ein Drittel seines Umsatzes. „Was die Skrupellosigkeit angeht, so verweist die Coordination gegen Bayer-Gefahren (CGB) darauf, dass bayer 1954 bis 1967 mit Monsanto das US-amerkanische Joint Venture MOBAY führte und dort in die Herstellung von Komponenten von Agent Orange für den Vietnamkrieg verwickelt war“.
Fred Schmid, Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung isw