Analysen

17.04.2016: Port of PiraeusChina beginnt künftig in Athen-Piräus. Die staatseigene chinesische Reederei Cosco (China Ocean Shipping (Group) Company) übernimmt einen 67-Prozent-Anteil an Griechenlands größtem Hafen Piräus für die kommenden 36 Jahre. Der Vertrag dazu wurde am 8. April 2016 in Athen unterzeichnet. Cosco zahlt zunächst 280,5 Millionen Euro für einen 51-Prozent-Anteil an der bislang mehrheitlich griechisch-staatlichen Hafengesellschaft  OLP (Piraeus Port Authority). Die Übertragung der Aktien soll im Juni erfolgen. Weitere 16 Prozent erhält die viertgrößte Reederei der Welt in fünf Jahren für 88 Millionen Euro. Davor muss sie allerdings versprochene Investitionen im Hafen im Umfang von 350 Millionen Euro nachweisen. Auch Hafenbetreiber aus Dänemark, den Philippinen, aus den USA und den Vereinigten Arabischen Emiraten hatten sich an der Ausschreibung beteiligt.

Cosco hat mit Piräus Großes vor: Es will Piräus „zu einem der führenden Häfen Europas ausbauen“, versprach Cosco-Chef Xu Lirong, zum größten Containerhafen im Mittelmeerraum. Er soll zur Drehscheibe für den Containerverkehr zwischen Asien und Europa, aber auch für Nahost und Russland werden. Diese Option erscheint angesichts der günstigen geostrategischen Lage des Hafens durchaus realistisch. Es ist der dem Suez-Kanal am nächsten gelegene europäische Hafen. Chinesische Exporte können dadurch 7 bis 11 Tage schneller nach Mitteleuropa gelangen. Zudem hat er den Vorteil, als natürlicher Tiefwasserhafen Containerschiffe aller Größen aufnehmen zu können. Konzerne wie Hewlett Packard, Sony, Huawei und der chinesische Mobilfunkhersteller ZTE schlagen bereits jetzt einen Großteil ihrer aus Asien kommenden Frachten in Piräus um.

Es ist das Ergebnis eines Deals, den Cosco bereits 2009 mit der griechischen Regierung ausgehandelt  hatte. Damals schloss Cosco einen Vertrag zur Teilprivatisierung des Athener Hafens. In einem 35-jährigen Pachtvertrag wurde Cosco der Besitz an Pier II übertragen, mit der Zusage, ein drittes Terminal bauen zu dürfen; Pier I blieb griechisch-staatlich. Seither setzte eine gigantische Entwicklung ein. Wurden 2008 etwa 433.000 Standard-Container auf Pier I und II umgeschlagen, waren es 2015 bereits über drei Millionen. Bis 2016/17 soll die Jahreskapazität auf 6,2 Millionen Container ausgebaut sein. Zusammen mit Pier I wäre das „schon die Liga von Hamburg, Antwerpen und Rotterdam“, schreibt der Spiegel (4.4.15).

Neue Seidenstraße

Die chinesische Strategie für Piräus und Griechenland reicht noch weiter. „Peking sieht Griechenland als Tor nach Europa und will den eurasischen Raum mit Milliardeninvestitionen vernetzen“ (HB, 8.3.16). Das Handelsministerium in Peking hat im Oktober 2015 ein 73 Seiten umfassendes Strategiepapier zu Griechenland und seiner Wirtschaft aufgelegt. „Immer mehr chinesische Firmen investieren in Griechenland“, heißt es in dem Papier. Als Wachstumsbranchen werden der Schiffsbausektor, die Logistik und der Tourismus hervorgehoben (zit. nach HB, 8.3.15). Nebenbei: Piräus ist mit seinen Verbindungen u.a. zu den griechischen Inseln der größte Passagierhafen Europas, mit 18 Millionen Fahrgästen jährlich.

Das Piräus-Hafen-Projekt ist Teil des größten außenpolitischen und global-wirtschaftlichen Projekts Chinas: das Mega-Projekt „Neue Seidenstraße“ - „One Belt, One Road“ (ein Gürtel, eine Straße). Wie der englische Titel schon zum Ausdruck bringt, handelt es sich um zwei Projekte. Einen Landweg, entlang der legendären Seidenstraße von China bis nach Westeueropa. Eine ausgebaute Eisenbahnstrecke von China nach Duisburg für schnelle Container-Güter wurde bereits in Betrieb genommen. Über eine „maritime Seidenstraße“ sollen Märkte entlang des Seewegs von China bis Europa, Nahost erschlossen werden. „Die Seidenstraßeninitiative soll die Grundlage einer neuen Art der internationalen  Beziehungen bilden“, schreibt Merics (Mercator Institute for China Studies). Kernbestandteile sind mehr Kollektivität in Eurasien und „Win-Win-Kooperationen“. Insgesamt sollen etwa 100 Milliarden Dollar über einen Fonds, die neue AIIB-Bank und die BRICS-Bank bereitgestellt werden.

Deshalb ist auch in Griechenland das chinesische Logistik-Konzept mit der Übernahme des Hafens noch nicht erschöpft. Wichtig sind die Bahnverbindungen von Piräus über den Balkan nach Mittel- und Osteuropa. „Daher ist Cosco an einer Übernahme des staatlichen Bahnbetreibers Trainose (eine Tochter der griechischen Staatsbahn – F.S.) und des geplanten Logistikzentrums Triassio im Westen Athens interessiert, dessen Herzstück ein großer Containerbahnhof ist“, berichtet das Handelsblatt (8.3.16). Ende 2014 unterschrieben die Regierungschefs aus China, Serbien und Ungarn einen Vertrag zum Ausbau des Schienennetzes zwischen Belgrad und Budapest bis zum Jahr 2017.

Auf der Insel Salamina wiederum, in Sichtweite von Piräus, will Cosco-Statthalter in Piräus, Fu Chenquiu („Captain Fu“), eine Reparaturwerft errichten lassen.

„Cosco go home!“

An „Captain Fu“ wird auch die ganze Problematik und Widersprüchlichkeit des China-Griechenland-Projekts deutlich. Als er 2009 seinen Pier II in Besitz nehmen wollte, wurde er von einem Transparent begrüßt: „Cosco go home“. Die Gewerkschaft der Hafenarbeiter ging in einen sechswöchigen Streik.

Das habe sich inzwischen geändert, erklärt Fu gegenüber dem Spiegel (4.4.15). Die Hafenarbeiter hätten anfangs geglaubt, Fu würde seine eigenen Schauerleute, Lotsen, Monteure aus China mitbringen. Er sei aber nur mit sieben chinesischen Managern gekommen. Alle Bauaufträge seien an griechische Firmen gegangen. Fu: „In fünf Jahren hat Cosco keinen einzigen Euro nach China geschickt. Alles wird investiert! Neue Ladebrücken, elektrisch betriebene Hubanlangen!“.

Auch das „Handelsblatt“ berichtet nicht nur von Kürzungen der Löhne und Sozialleistungen – ein Hafenarbeiter verdient etwa1200 Euro monatlich, weit über dem Durchschnitt, aber unter den früheren Gehältern. „Inzwischen ist die Kritik aber weitgehend verstummt, denn Cosco hat den zuvor defizitären Hafen in die schwarzen Zahlen geführt und Hunderte neuer Arbeitsplätze geschaffen. Von 166.000 umgeschlagenen TEU (twenty foot equivalent units) im Jahr 2009 stieg der Verkehr auf 3,7 Millionen Einheiten im Jahr 2015. Piräus war damit der weltweit am schnellsten expandierende Containerhafen. Cosco investiert gerade weitere 143 Millionen Euro in den Ausbau der Hafenanlagen. Die Zeichen stehen auf Wachstum: Bis ins kommende Jahr soll der Umschlag auf 6,2 Millionen Einheiten steigen. Damit wäre Piräus dann der größte Containerumschlagplatz im Mittelmeer“ (HB, 8.3.16).

Dennoch: Als jetzt Anfang April der chinesisch-griechische Deal am Amtssitz von Premierminister Tsipras besiegelt wurde, protestierten und streikten draußen wieder Hafenarbeiter. Sie haben nach wie vor Angst um ihre Arbeitsplätze und befürchten Lohndrückerei. Der Chef der Hafenarbeitergewerkschaft, Giorgos Georgakopoulos, warf der Syriza-Regierung vor, den „Ausverkauf“ in schlimmsten neoliberalen Geist voranzutreiben. Auch einige Minister in Tsipras´ Kabinett sind gegen den Verkauf. So der für die Handelsmarine und die Häfen zuständige Minister Theodoris Dritsas und der für Verkehr, Infrastruktur und Netze zuständige Minister Christos Spirtzis. Sie werfen Tsipras vor, die Politik der neoliberalen Vorgängerregierungen fortzusetzen, obwohl sie in der Opposition gegen die Privatisierung waren.

Kaum ein Schiff würde kommen

Die linke Syriza-Regierung steckt hier zweifelsohne in einem Dilemma. Die Troika zwingt die  Staatsregierung unter dem Druck der hohen Staatsverschuldung, mit finanziellem und fiskalischem waterboarding zur Privatisierung öffentlichen Eigentums, insgesamt in Höhe von 50 Milliarden Euro.

Zudem hätte das bevölkerungsmäßig kleine Land mit 11 Millionen Einwohnern (Bayern: 12 Millionen) und einem Bruttoinlandsprodukt (238 Mrd Euro) weniger als halb so groß als Bayern (522 Mrd. Euro) bei den riesigen Staatsschulden nicht annähernd das Geld, um Piräus auf eigene Faust zu einem hochmodernen Containerhafen auszubauen. Und was noch schwerer wiegt: Griechenland könnte nicht annähernd die nötigen Frachttonnagen und das Container-Aufkommen generieren, wie sie zum rentablen Betrieb der Terminals notwendig wären. China als die größte Handelsmacht der Welt, mit einer Vielzahl Global Player im Rücken kann das.

Das widerspiegelte bereits die Entwicklung der beiden Piers in Piräus seit dem Einstieg der Chinesen im Jahr 2009: Das Containeraufkommen beim  griechisch-staatlichen Pier I (unter Verwaltung der OLP) stieg 433.000 Containereinheiten (TEU) auf 644.000 im Jahr 2013 an, nahm dann aber wieder ab und dümpelte 2015 mit 293.000 TEU vor sich hin. Der Terminal II der Piraeus Container Terminal (PCT) der Chinesen kam fast aus dem Stand auf Millionenhöhe und erreichte 2015 3,03 Millionen TEU.

Auch die vieldiskutierte Renationalisierung der griechischen Wirtschaft wäre keine erfolgversprechende Option: Es würde die nötigen Investitionen infolge noch drückenderer Schuldenlast – bei Abwertung der Drachme – und fehlendem Zugang zu den internationalen Finanzmärkten noch mehr erschweren. Die Chinesen hatten sich für den Fall eines Grexits, bereits umgesehen und sich mit Alternativen, in Genua oder Port Said befasst.

Einzig aussichtsreiche Alternative wäre ein EU-weites, demokratisch geplantes, Infrastrukturprogramm, finanziert mit Geldern der EZB. Das wäre jedenfalls sinnvoller, als Helikopter-Geld abzuwerfen. In einem solchen Projekt müsste ein europäischer Container-Umschlagplatz nahe dem Suez-Kanal seinen Platz finden. Doch das ist bestenfalls Zukunftsmusik.

So bleibt Syriza nichts anderes übrig, als auf die chinesische Karte zu setzen. „Dieser Deal kann zu einem Wendepunkt für die griechische Wirtschaft und die griechisch-chinesischen Beziehungen werden“, sagte der griechische Vizepremier Giannis Dragasakis zu Spiegel Online am Rande der Unterzeichnungsfeier. Auch Tsipras hofft auf weitere chinesische Investitionen, auch um mehr Spielraum und Unabhängigkeit gegenüber der EU zu gewinnen. Der Ministerpräsident wird in den kommenden Wochen zu einem Besuch in der chinesischen Hauptstadt erwartet.

Fred Schmid, isw      Foto: Nikolaos Diakidis

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