25.09.2014: Zerfallende Imperien bewahren sich bis zuletzt die Macht, Krieg zu führen. Das war im alten Rom nicht anders wie heute im „neuen Rom“ des Metropolenkapitalismus, das sich mit Krieg und Gewalt der Erosion seiner Macht entgegen zu stemmen versucht. Die USA führen permanente Kriege auf sieben Ebenen – allesamt völkerrechtswidrig bzw. gegen die Charta der UNO verstoßend: Interventionskriege wie in Afghanistan und Irak, Luft-Bombardements in Syrien und Irak, heimtückische Drohnenangriffe gegen zivile Menschenziele, wie im Jemen und Pakistan, Stellvertreterkriege mit US-Waffen, z.B. im Irak und in der Ukraine, Einsatz von Södnern und Privatarmeen, wie in der Ukraine, Wirtschaftskriege gegen Russland und Iran und nicht zuletzt der Cyber-War der NSA gegen den Rest der Welt. Selbst im Kampf gegen Ebola in Afrika vermag die „einzige Supermacht“ (Brzezinski) nur noch GIs aufzubieten.
In keinem ihrer Kriege hat die Führungsmacht des Abendlandes noch Werte im Angebot, nicht einmal als Vorwand und hat auch nicht mehr die Fähigkeit zu befrieden. Alles geschieht unter der Fahne „Krieg gegen den Terror“. Selbst George W. Bush schwadronierte, als er diesen Feldzug begann, noch von „state building“ und „Freedom & Democracy“. Am Ende war Chaos, Mord & Totschlag.
In Obamas Rede an die Nation geht es nur noch um „zerstören“, um eine „umfassende und anhaltende Antiterrorstrategie“ mit Luftschlägen zur „Vernichtung des IS“. Wie Bush schwört er die Nation auf einen langen Kampf ein. Doch mit Bombenterror ist der islamistische Terror nicht zu besiegen, aus jedem Bombentrichter kriechen neue islamistische Kämpfer hervor. Für den IS-Terror trifft das gleiche zu, was Arundhati Roy vor gut zehn Jahren im Hinblick auf Bin Laden so formulierte: er „wurde aus der Rippe einer Welt gemacht, die durch die amerikanische Außenpoltik verwüstet wurde“. Im Westen triumphiert nur noch das Militärische.
Bei der neuen „Koalition der Willigen“ im Krieg gegen Irak und Syrien ist diesmal auch die Bundesregierung mit dabei, entgegen dem Mehrheitswillen der Bevölkerung. Mit Waffen vom Sturmgewehr bis zur Milan-Rakete. Und Panzerwesten. Schuss-sichere Westen für die schwarzen Einwohner von Ferguson würden eher einen Sinn machen. Deutschland ist mit diesen Waffenlieferungen in Kriegsgebiet zur Kriegspartei geworden, es ist ein „Kriegseintritt light“ (Stern). In der Tarnuniform „Verantwortung“, wie sie der präsidiale Pastor im Schloss Bellevue laufend predigt. Deutschland droht sich damit in eine Eskalationsspirale zu verstricken, deren Konsequenzen für die Sicherheit Deutschlands nicht absehbar sind.
Gleiches gilt für den Handelskrieg gegen Russland, auf den sich die Bundesregierung eingelassen hat. Groteskerweise wurde die dritte Stufe der Sanktionen gezündet, als in der Ukraine auf Initiative Russlands ein Waffenstillstand zwischen den Kriegsparteien vereinbart wurde. Das zeigt: Den USA und der EU geht es nicht um Frieden in der Ukraine. Russland soll dauerhaft in die Knie gezwungen, das Regime Putin beseitigt werden. Ein Spiel mit dem Feuer. Abgesehen von einer dann zu erwartenden politischen Anarchie in Eurasien, könnte dieser politisch-ökonomische Kamikaze-Kurs die gesamte Weltwirtschaft in den Abgrund reißen. Schon die jetzigen Sanktionen und Gegenmaßnahmen erweisen sich als Gift, auch für die deutsche Wirtschaft. Die Ökonomien des Metropolenkapitalismus sind derzeit äußerst fragil und volatil, sie schlingern zwischen Mini-Wachstum (USA), Stagnation (EU), Rezession (Eurozone) und Deflation (Japan, Südeuropa) hin und her.
Ein Aufschwung ist im Westen nicht in Sicht, nirgendwo. Ein weiteres Drehen an der Sanktionsschraube könnte psychologische Effekte auf die Finanzmärkte zur Folge haben, die zum erneuten Platzen der Immobilien- und Börsen-Blasen führen könnten. Die Trümmer einer explodierenden Finanzwirtschaft würden dann der gesamten Weltbevölkerung um die Ohren fliegen.
Und weshalb das alles. Weil sich die G7-Gruppe und insbesondere die Führungsmacht USA nicht damit abfinden wollen, dass ihre unipolare Weltordnung obsolet und in Frage gestellt wird. Insbesondere die aufstrebenden BRICS-Staaten sollen vom Westen in die Schranken gewiesen werden. Die Stagnation des Westens bei einem gleichzeitigen „Aufstieg des Südens“ in „beispielloser Geschwindigkeit“ (UNDP) ist der eigentliche Grund, weshalb das Imperium so wild um sich schlägt. Betrug der Anteil der G7-Länder am Welt-BIP im Jahr 2000 noch 66,4 %, so verminderte er sich bis 2013 auf 46,4 %; die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) aber erhöhten ihren Anteil im gleichen Zeitraum von 8,6 % auf 21,5 % (vgl. isw-report 94, S. 21ff und isw-report 97, S. 17f).
Der Westen steigert sich beim krampfhaften Kampf um die Erhaltung seiner Hegemonie immer mehr in den Wahn der Waffen. Das Potenzial der US-Wirtschaft ist gerade noch um ein Viertel größer als das BIP der Volksrepublik China, gemessen an Kaufkraft („Factbook“ der CIA, nach SZ, 20.9.14). Die Militärausgaben der USA aber betragen mehr als das Fünffache von China (2013: 600,4 zu 112,2 Milliarden Dollar – nach SIPRI). Die europäische NATO gibt mehr als dreimal soviel für Rüstung und Militär aus, wie das BRICS-Land Russland. Doch mit Waffengewalt lässt sich die Hegemonie des Westens nicht aufrecht erhalten, die Herausbildung einer multipolaren Welt nicht verhindern.
Die BRICS-Staaten rücken immer enger zusammen, sie setzen sich für eine multipolare Weltordnung ein. Sie bauen Alternativstrukturen zu der vom Westen beherrschten Global Governance auf. Bei ihrem Gipfeltreffen in diesem Jahr gründeten sie die „New Development Bank“ (NDB) als Gegenstück bzw. Ergänzung zur Weltbank und das „Contingency Reserve Arrangement (CRA) in Anlehnung an den Internationalen Währungsfonds (IWF) und statteten sie mit zunächst 50 (NDB) bzw. 100 Milliarden Dollar (CRB) aus.
Am 11. und 12. September fand in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe das Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit statt, an dem die Staats- und Regierungschefs der bisherigen Mitgliedsstaaten – Kasachstan, Kirgisien, China, Russland, Tadschikistan und Usbekistan – teilnahmen. Diskutiert wurden heiße Themen wie Syrien und Ukraine, wobei konträre Töne zum Westen angeschlagen wurden, wie die Pekinger Global Times feststellt. In einem Statement wurde erklärt, dass der Versuch zur Ausweitung des Raketenschilds, die globale Sicherheit und Stabilität unterminieren würde. Das wichtigste Ergebnis des Gipfeltreffens war die Annahme von Dokumenten, die Voraussetzungen für eine weitere Aufnahme von Ländern in die Kooperation schaffen. Indien und Pakistan, die bisher Beobachterstatus hatten, sollen im Juli nächsten Jahres aufgenommen werden. Dem 2001 gegründeten Bündnis würde dann fast die halbe Weltbevölkerung angehören. Zu den Hauptzielen der SOZ gehören die Festigung des gegenseitigen Vertrauens und guter Nachbarschaft der Teilnehmerländer, die Förderung ihrer Kooperation in Politik, Handel, Wirtschaft, Kultur, Umweltschutz und auf anderen Gebieten sowie die gemeinsame Gewährleistung und Erhaltung von Frieden, Stabilität und Sicherheit in der Region. Die SOZ könnte ein Schritt zu einer friedlichen und gleichberechtigten Welt sein.
txt: Fred Schmid
foto: reaper_bwjohnes
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