Analysen

dkp suedbayern ammerseeseminar 2013 soch 406431.08.2013: Am Samstag, den 24. August, fand das traditionelle Ammersee-Seminar der DKP Südbayern – diesmal im Internationalen Jugendgästehaus in Dachau – statt. Das Thema „Die kapitalistische Krise – Rechtspopulismus in Europa und linke Alternativen“ wurde in drei Themenblöcken – jeweils mit Kurzreferat und Diskussion – behandelt. Nach einer kurzen Vorstellung der Geschichte und der aktuellen Aufgaben und Aktivitäten des Internationalen Gästehauses/Max Mannheimer Studienzentrums durch Katharina Ruland, Mitarbeiterin im Studienzentrum (Foto), begrüßte Walter Listl, Bezirkssprecher Südbayern, die rund 35 Anwesenden – darunter Mitglieder der Partei Die Linke, der Rifundazione Comunista, des örtlichen Sozialforums und v.a. die ReferentInnen Leo Mayer, Sprecher der DKP München und Mitglied des DKP-Parteivorstandes, Walter Baier, Wien, KPÖ, Redaktion „transform!“ sowie Bettina Jürgensen, Mitglied des Parteivorstands.

 dkp suedbayern ammerseeseminar 2013 soch 4066Leo Mayer beschäftigte sich mit der Frage: „Mit welcher Krise haben wir es zu tun?“ Während die Medien versuchen uns Glauben zu machen, die Eurozone erhole sich, sind weder Ernährungs-, Umwelt- und Klimakrise noch die weltweite ökonomische Krise einer Lösung näher – im Gegenteil. Wie vor dem 19. Parteitag erarbeitet, haben wir es nach wie vor mit einer Großen Krise zu tun, einer Krise, die zu neuen Formen des Kapitalismus führen kann oder zu einer demokratischen Veränderung. Kennzeichen der Großen Krise ist dabei, dass es sich sowohl um eine zyklische Krise handelt, als auch um eine Krise der neoliberalen Regulierung, die alle Bereiche umfasst: Kultur, Politik, Ökologie und Ökonomie. Dem gegenüber stehe das Verständnis des 20. PT, der von einer strukturellen Krise, derzeit von einer besonders heftigen zyklischen Überproduktionskrise ausgehe, die ihren Ausdruck auch in Kultur und Politik fände. Dies sei u.a. das Krisenverständnis, das auch im uz-Artikel von Lukas Zeise vom 19.7. zum Ausdruck käme. Dabei wäre z.B. die ökologische oder die Ernährungskrise auch dann nicht gelöst, wenn die ökonomische Krise gelöst wäre. Beate Landefeld dagegen (siehe UZ vom 2.8.) stellt fest, dass die Weltwirtschaftskrise in Wechselwirkung mit anderen Krisen stünde und sich damit von einer „stinknormalen“ Überproduktions- oder Überakkumulationskrise unterscheide.

Welche Unterschiede ergeben sich aus der Krisendefinition für unser Handeln? Eine „zyklische Krise“ wäre normal und ginge vorbei. Leo erläuterte, dass für eine Systemkrise des Kapitalismus die gesellschaftlichen Gegenkräfte fehlten, die Form der kapitalistischen Produktionsweise (der Neoliberalismus) kann aber so wie bisher nicht fortgeführt werden. Wir haben es mit einer organischen Krise – nach Gramsci – mit Widersprüchen in vielen Bereichen zu tun. Der Neoliberalismus muss durch etwas „Neues“ abgelöst werden, einen demokratischen sozialen Ausweg dafür stellt  u.a. das Regierungsprogramm von Syriza dar. Was wir brauchen, ist eine Alternative zur Profitlogik, den Aufbau gesellschaftlicher Gegenmacht und das Einbeziehen der Frage der Mitbestimmung: Was wird wie produziert und wer entscheidet? (Als Beispiel erläuterte Leo, dass es nicht ausreiche, wie die IG Metall zur Standortsicherung die Förderung des Automobilbaus zu fordern.) Für die DKP ist es wichtig, den Zusammenhang zwischen allen Krisen und der kapitalistischen Produktionsweise herauszuarbeiten und alle Gegenkräfte aus den unterschiedlichen Spektren national, europaweit und global zusammen zu führen. Dabei müssen linke Perspektiven ökologisch sein, also die herrschende Ideologie des permanenten Wachstums zurückweisen.

In der folgenden Diskussion wurde u.a. die Frage gestellt, ob ein „Ausweg“ für das Kapital nicht die verschärfte Ausbeutung der Schwellenländer sei. Ob es eine Systemkrise auch ohne den subjektiven Faktor der Gegenwehr geben könne? Das Modell einer „grünen Wachstumsstrategie“ (OECD) wurde angesprochen (dies hieße Verzichten und Bezahlen durch die Bevölkerung). Hingewiesen wurde darauf, dass Kriege immer auch ein Modell der Akkumulation sind, aber auch darauf, dass prozessuales Denken notwendig sei, ein Denken, dass auch Zwischenschritte anstrebe. Leo präzisierte infolge der Diskussionen seine Analyse in „Ende des derzeitigen Wachstumsmodells des neoliberalen Kapitalismus.“

dkp suedbayern ammerseeseminar 2013 soch 4068„Wie weit nutzen rechte Kräfte europaweit die Krise für ihre Demagogie?“, war die Fragestellung, mit der sich Walter Baier befasste. Zwischen Juni 2009 und März 2011 waren rechte Parteien mit 155 von 3066 Sitzen (~ 5%) in 13 europäischen Parlamenten vertreten. (siehe dazu auch www.transform-network.net . Die Ängste und Unsicherheit, die prekären Arbeits- und Lebensbedingungen vieler Menschen sind ein fruchtbarer Boden für rechte Parteien und rechtes Gedankengut. Rechte  Parteien konnten in den letzten Jahren ihre Wählerbasis nennenswert vergrößern.  Wir haben es nicht nur mit parallelen nationalen Erscheinungen zu tun, sondern mit einem europäischen Phänomen. Dabei ist eine Differenzierung erforderlich, einerseits zwischen offen neonazistischen, antisemitischen, gewalttätigen, terroristischen Parteien, die sich unmissverständlich in die Tradition des Nationalsozialismus stellen, und wie Ataka (Bulgarien), Jobbik (Ungarn)  oder  die „Goldene  Morgeröten (Griechenland) über erhebliche Wählerschaften verfügen, also keineswegs nur marginale Kleingruppen darstellen;  und andererseits modernisierten Rechtsparteien wie die FPÖ in Österreich, den Front national in Frankreich die Schwedendemokraten, die Wahren Finnen oder die niederländische PVV von G. Wilders,

Charakteristisch für  diese Gruppe der  populistische Rechtsparteien sind folgende Merkmale: ein autoritäres Gesellschaftsbild, eine scharfe Rhetorik gegen die Eliten, das „System“, Verachtung des Parlamentarismus und des Parteienstaats, sowie Nationalismus, Xenophobie und Anti-Islamismus. Wie das unter anderem Beispiel der ungarischen FIDESZ zeigt, bestehen Berührungspunkte zwischen populistischen Rechtsparteien und den offen nazistischen Gruppierungen einerseits aber auch den traditionellen konservativen Parteien.

Zu konstatieren ist, dass sich die Agenda der populistischen Parteien der Rechten verändert hat. Argumentierten  sie bis in die  90er-Jahre mit dem neoliberalen main-stream gegen Verkrustungen des politischen Systems („Versäulung“, Sozialpartnerschaft, den Sozialstaat), so knüpfen sie seit Beginn der Krise an der gesellschaftlichen Spaltung zwischen Europäisierungs- bzw. Globalisierungs-Gewinnern und –Verlierern an, behaupten den Sozialstaat zu verteidigen – allerdings exklusiv  für „unsere Leute“, das heißt, die die leistungswilligen Inländer, also auf rassistischer Grundlage. Man kann diese Programmatiken nicht mehr als neoliberal bezeichnen. Dort, wo sich populistische, rechte  Parteien mit dieser Agenda an neoliberalen Regierungen beteiligt haben  (z.B. LAOS in Griechenland)  erlitten sie schwere Niederlagen.

Ein gemeinsames Merkmal der populistischen Rechten ist darüber hinaus der Nationalismus, der sie zur  Ablehnung der Europäischen Union führt, in mehreren Fällen auch des Staates, innerhalb dessen sie wirken (Schottland, Katalanien, Norditalien)

Die Frage, die sich im Hinblick auf unsere Strategie stellt, lautet, ob die populistische Rechte mit dem von ihr verkörperten Nationalismus, dem autoritären, ausschließenden Sozialstaatsmodell  und der Ablehnung der europäischen Integration in der Lage ist, den Herrschenden angesichts der Krise, die auch objektiv eine Krise der Europäischen Integration ist, ein hegemonie-fähiges, post-neoliberales politisches Projekt vorzuschlagen.  Diese Frage stellt sich im europäischen Süden anders als im im Norden, und wiederum anders als in Deutschland, wo die Eliten offensichtlich unterschiedliche strategische Optionen erwägen.

Erfolg haben rechte Parteien mit ihren „Lösungen“auch deshalb, weil die Krise den Menschen (genauer den Unterworfenen) eine sehr hohe Interpretationsleistung abverlangt und diese nach Alternativen suchen. Unser Kampf muss also nicht nur ein sozialer, politischer, ökonomischer Kampf sein, sondern auch ein Kampf um die Beurteilung der Krise.  Die Mehrheit „erleidet“ die EU mehr als sie diese erlebt , so  beinhaltete der Neoliberalismus die Zerstörung des Sozialstaatsprinzips als Teil seiner Strategie. Unterschätzen dürfen wir die rechten Kräfte, den Neonazismus, eingeschlossen  auf keinen Fall.

Die Auseinandersetzungen in Berlin-Hellersdorf zeigen die Notwendigkeit antifaschistischen Eingreifens. Diskutiert wurde auch, dass rechte Parteien ein Gefühl der Zusammengehörigkeit bieten können („Wir … gegen die.“ - Dies kommt einem Kampf der Armen gegen die Armen gleich!), während wir als Linke zu schwach sind, um mehr Solidarität zu vermitteln und vorzuleben.

dkp suedbayern ammerseeseminar 2013 soch 4069Bettina Jürgensen behandelte die Frage: „Welche linken Alternativen gibt es zum Europa des Kapitals?“ (siehe Anhang) Sie stellte fest, dass viele, auch positive, Entwicklungen wie etwa der Ausbau alternativer Energien nur im Namen der Wirtschaft erfolgen, während die Bevölkerung zahlt. Für die Linken bedeutet dies, dass Einzelforderungen nicht genügen, sondern ein gemeinsames Ziel der Linken erarbeitet werden muss (allerdings nicht etwa die Zerschlagung der EU).

In der BRD haben wir es mit der besonderen Situation zu tun, dass Armut als persönliches Versagen wahrgenommen wird und dies zu Resignation und Rückzug statt zu Aktivitäten führt. Für uns ist besonders wichtig, eine weitere Entsolidarisierung zu verhindern (Migranten/Ausländer - „Einheimische“ …). Auch in Parlamenten wird es zunehmend notwendig, die inhaltliche Auseinandersetzung mit faschistischen oder rechtspopulistischen Parteien zu führen und nicht einzig auf das Ignorieren ihrer Positionen zu setzen. Für unsere weitere Arbeit ist es besonders wichtig, Erfahrungen der Zusammenführung linker Kräfte in anderen Ländern auszuwerten und zu nutzen (z.B. der Front de Gauche, Syriza, Vereinigte Linke Spaniens …), der jugendpolitische Ratschlag in Hannover zeigte mit den dort geführten offenen Gesprächen, dass eine Vertiefung der Zusammenarbeit linker Kräfte durchaus möglich ist.

Sehr kritisch beurteilte Bettina, dass entgegen einem Antrag (s. Anhang) von Leo M. für die Europawahl 2014 eine Eigenkandidatur beschlossen wurde und dass die im Antrag ausgeführten Argumente in der PV-Tagung nicht diskutiert wurden.

Für den 4. Kongress der EL im Dezember in Madrid erhofft sich Bettina eine starke aktive Beteiligung der DKP. Dort wird es um linke Alternativen gehen, bei denen sich auch die DKP als Diskussionspartnerin unbedingt einbringen sollte.

Walter Listl problematisierte, dass immer mehr Menschen den Kapitalismus als ungerecht empfinden, die DKP aber gleichzeitig kleiner wird und in den Bewegungen allgemein eine Ablehnung gegenüber Parteien dominiert. Die Frage muss also sein, was uns in der Partei (unabhängig vom von außen einwirkenden Antikommunismus) daran hindert, größer zu werden. Dazu warf er einige Fragen auf: Sind wir offen für Bewegungen? Ist eine Partei, in der z.B. ein Papier, wie die Thesen des vorherigen Sekretariats statt in der Partei diskutiert zu werden unter den Generalverdacht des Revisionismus gestellt werden, attraktiv für andere Linke? Ist bzgl. EL unser Parteikonzept gegen den EU-Kapitalismus gerichtet oder immer noch auf den „Hauptfeind im eigenen Land“ fokussiert?

Ein nicht parteigebundener junger Genosse, der v.a. . in der Mieterbewegung und in Antifa-Zusammenhängen aktiv ist  kritisierte, dass es derzeit „in“ sein, sich „ideologiefrei“ zu geben. Beschämend sei allerdings das Niveau der Auseinandersetzungen von DKP-Mitgliedern z.B. in facebook oder diversen Foren, in denen sich „viele Spinner“ tummelten.

Das Ammersee-Seminar regte – wie auch in den Jahren zuvor – mit hochkarätigen ReferentInnen zu interessanten Diskussionen an.

Christiane Schneider

Internat Tag der Solidaritaet ++++++++++++++++++++++++++++++++

Farkha Festival Komitee ruft zu Spenden für die Solidaritätsarbeit in Gaza auf

CfD communist solidarity dt
zum Text hier
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Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

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