28.11.2020: Die faschistische AfD plant ihren Parteitag und die Tagesschau vom 10.11.20 informiert: "CDU und Linke haben ihre Parteitage wegen der Pandemie bereits verschoben. …. Die AfD habe unterdessen auch ein Corona-Hygienekonzept für den Parteitag vorgelegt, über das derzeit weitere Detailabsprachen getroffen würden. Grundsätzlich haben die Behörden in Kalkar die Versammlung am ersten Advent für zulässig erklärt."
Eine Partei, deren Mitglieder laut Gerichtsbeschluss Faschisten genannt werden dürfen, will einen Parteitag durchführen, will die Kandidaten für die nächste Bundestagswahl aufstellen. Aber nicht die Politik dieser Partei mit Hetze gegen Migrant*innen, Frauenfeindlichkeit, unsozialen Forderungen, Homophobie, Volksverhetzung wird kritisiert, sondern es wird die Frage nach einem Konzept gestellt, damit sich die Anwesenden nicht untereinander anstecken und diese Gefährdung nach draußen tragen.
Passend dazu stellt Wolfgang Bosbach (CDU) fest, eine Versammlung Hunderter Delegierter sei "in der Öffentlichkeit kaum vermittelbar", wenn gleichzeitig ganze Branchen gezwungen seien zu schließen.
Es sind die Versuche, diese Partei wegen ihrer Corona-Politik und der Weigerung die Maßnahmen mitzutragen auszugrenzen. Eine politische Klarstellung folgt aktuell nicht. Parteiübergreifende Vereinbarungen im Umgang mit den Faschisten, z.B. keine Diskussion mit Nazis, führen anscheinend dazu, dass die politischen Argumente gegen die AfD nicht mehr genannt werden.
In diesem Zusammenhang scheint den politischen Akteuren der in den Parlamenten vertretenen Parteien, die strikte und starre Einhaltung der Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie wichtiger.
Dabei treibt der Faschist Björn Höcke in Thüringen weiterhin als Landes- und Fraktionsvorsitzender der AfD sein Unwesen. Aktuell wurde von Höcke ein Bild von Carola Rackete über socialmedia gesendet mit der Zeile: "Ich habe Folter, sexuelle Gewalt, Menschenhandel und Mord importiert". Die Staatsanwaltschaft Mühlhausen hat deshalb die Aufhebung der Immunität Höckes beantragt, da sie eine Volksverhetzung erkennt, mit der Geflüchtete als Kriminelle stigmatisiert werden.
Andreas Kalbitz wurde wegen "erwiesener rechtsextremistischer Umtriebe" aus der AfD ausgeschlossen. Sein Nachfolger als Fraktionschef in Brandenburg ist der "erwiesene Rechtsextremist" Christoph Bernd. Unterstützung erhielt dieser bei seiner Kandidatenkür von Björn Höcke.
Im Landtag Schleswig-Holstein ist die AfD nicht mehr als Fraktion vertreten. Nach dem Rausschmiss der Doris von Sayn-Wittgenstein ist Frank Brodehl aus eigener Initiative aus Partei und Fraktion wegen "Radikalisierung der AfD" ausgetreten. Brodehl nannte als Begründung die Verwendung von Nazi-Vokabular wie "Endsieg" oder der "Krieg des Systems gegen das eigene Volk" in Mitglieder-Mails, aber auch dass ein Landesvorstandsmitglied meinte gewählte Bundes- und Landespolitiker seien "Renegaten, Verräter und Agenten", die "ausgeschwitzt" werden müssten. Was Brodehl politisch nicht ändert.
Der SPD-Fraktionschef Ralf Stegner erklärte zum Austritt: "Wir haben gerade am heutigen Tag eine Debatte über das Thema Flüchtlinge und Ausländer geführt. Da ist der Vorsitzende Nobis aufgetreten, dass eigentlich nur noch die braune Uniform mit Hakenkreuzen gefehlt hat. Das war eine richtige Nazi-Rede", sagte Stegner und fügte an: "Dass eine solche Gruppe dann keinen Fraktionsstatus mehr hat, das ist ein Segen für das Parlament, weil die uns weniger stark werden belästigen können." (25.9.20, NDR)
Nach dem bekannten Motto "Was vorne aufgebaut wird, wirft man mit dem Mors wieder um" wurde dieser "Segen" bereits rückgängig gemacht. Parlamentarische Regeln und Hintertürchen brachten die Anerkennung als "AfD-Gruppe" durch den Ältestenrat des Landtags, womit nun wieder Rederecht besteht. Eine Entscheidung über Finanzmittel ist noch nicht gefallen.
Die AfD nimmt überall die Parlamente als Bühne, über die sie ihre rassistische, volksverhetzende Politik darstellt. Im Bundestag sitzen mit Gauland und Weigel, sowie den anderen Abgeordneten die Vertretung für unmenschliche und unsoziale Politik. Das nun die "Einladung" einer Gegnerin der Corona-Maßnahmen zur Beratung des "Infektionsschutzgesetzes" durch einen AfD-Abgeordneten in den Bundestag so viel Öffentlichkeit bringt, versucht die AfD zu nutzen. Es scheint immer mehr danach zu gehen: Eine schlechte Presse ist besser als keine Presse. Sie geht wohl davon aus, dass Reden allein nicht bewirken, was durch solche Aktionen an Zustimmung aus dem rechten Rand noch geholt wird.
AfD-Verbot?
Der SPD-Abgeordnete Martin Schulz sieht in dieser Frage einen schweren Regelverstoß und fordert: "Wer gegen die Geschäftsordnung des Parlamentes verstößt, muss hart sanktioniert werden". Es bleibt die Frage im Raum, wie seine Sanktionen aussehen sollen.
Der Innenminister Thüringens, Georg Maier (SPD) kann sich aufgrund des Vorfalls im Bundestag auch ein Verbot der AfD vorstellen: "Ein Verbotsverfahren beim Bundesverfassungsgericht ist dabei das allerletzte Mittel. Aber auch das ist nicht mehr auszuschließen, wenn die Partei sich weiter radikalisiert." Dabei sieht Maier die Aufgabe beim Verfassungsschutz für "gerichtsfestes Material" zu sorgen. Auch wenn er feststellt, dass es vor allem eine politische und gesellschaftliche Aufgabe sei, zeigt der Hinweis auf den Bundesinnengeheimdienst, dass die SPD aus dem gescheiterten, wenn auch dilettantisch geführten, Verbotsverfahren gegen die NPD nichts gelernt hat.
Wenn der CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt die AfD auf dem "direkten Weg zur neuen NPD" sieht und der Passauer Neue Presse erklärt: "Die Biedermänner in der AfD haben den Brandstiftern längst das Feld überlassen." dann scheint auch er vergessen machen zu wollen, dass die NPD immer noch aktiv ist. In einigen Regionen dieser Republik wird zunehmend gemeinsame Sache mit der AfD gemacht. Dies nicht nur bei Abstimmungen in Kommunalparlamenten, bei Übertritten von Abgeordneten von einer in die andere Fraktion, sondern auch durch Absprachen, wer in welcher Gemeinde aktiv wird.
Die Aktivenkonferenz 2020 von Aufstehen gegen Rassismus erklärt: Das Superwahljahr 2021 wird zum Schlüsseljahr im Kampf gegen die AfD. |
Gewaltbereitschaft nimmt zu
Neben den durch die Politik der AfD geschürten Angriffen auf Geflüchtete werden Mitglieder der AfD auch immer häufiger gewalttätig gegen Andersdenkende.
In Hennstedt-Ulzburg, Schleswig-Holstein, wurden von Teilnehmern einer AfD-Veranstaltung im Oktober 2020 mehrere Demonstranten von einem Auto angefahren und verletzt.
In Hamburg hat wenige Wochen später ein Security-Mitarbeiter beim Protest gegen den AfD-Landesparteitag, eine Person durch den Einsatz von Pfefferspray verletzt.
Außerdem versuchte auch hier ein AfD-Mitglied sein Auto gegen die Demonstrierenden zu richten. Wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr wird gegen ihn ermittelt.
Faschismus und Geschichtsunterricht
Mit Erstaunen werden von Medien, Politiker*innen und Parteien in den letzten Tagen und Wochen Aussagen junger Frauen/Mädchen wahrgenommen, die ihre aktuellen Lebenssituationen mit denen von Anne Frank und Sophie Scholl vergleichen. Dafür nennen sie eine nicht durchführbare Geburtstagsfeier und das Verteilen von Flugblättern gegen die einschränkenden Corona-Maßnahmen.
Es gibt Erklärungen aus Politik und Medien dazu:
Anne Frank musste 1934 im Alter von fünf Jahren mit ihren Eltern vor den Faschisten in die Niederlande fliehen, sich dort ab 1942 verstecken und wurde Anfang 1945 im KZ Bergen-Belsen ermordet.
Sophie Scholl war aktiv in in der Widerstandsgruppe Weiße Rose, verteilte auch Flugblätter, wurde von den Faschisten gefasst und mit 21 Jahren hingerichtet.
Der Unterschied zwischen dem Widerstand gegen Hitler und seine Schergen und den heutigen Kämpfen ist einfach zu erkennen, aber die Aussagen der Redner*innen auf Demonstrationen und Kundgebungen, die teilweise von rechten und rassistischen Personen angemeldet werden, sollen Wirkung zeigen bei den Zuhörenden.
Es darf vorausgesetzt werden, dass wer die Namen Anne Frank und Sophie Scholl nennt, zumindest eine Grundkenntnis über deren Leben und Sterben im Faschismus gibt.
Deutlich wird dabei, wie diese Aussagen übereinstimmen, sich in einer Linie befinden mit der (falschen) Behauptung, das "Gesetz zum Schutz der Bevölkerung" (Infektionsschutzgesetz) heute sei mit dem Ermächtigungsgesetz der Faschisten von 1933 vergleichbar. Der Widerstand gegen den Faschismus von 1933 – 1945 wird instrumentalisiert und ins Gegenteil gekehrt. Er wird benutzt, um die Aufmerksamkeit auf Verschwörungstheorien, Querfront und rechte Parolen zu lenken. Und benutzt wird dabei auch das vermeintlich eher unpolitische Auftreten von Personen wie den beiden oben Genannten.
Die Politik der AfD und anderer rechter und faschistischer Organisationen zeigt sich seit Jahrzehnten – genauer: seit dem Ende des Faschismus 1945 – oft dort, wo eine vermeintliche "Mitte der Gesellschaft" gesehen wird.
Die Kieler Erklärung gegen Rassismus und Faschismus hat dazu schon vor 20 Jahren festgehalten: "Rassistische Erklärungsmuster und Orientierungen entstehen in der Mitte der Gesellschaft. Sie sind kein Randproblem, nicht jugendspezifisch und nicht regional einzugrenzen. Sie werden gefördert durch gesellschaftliche Verhältnisse, die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit bis zur Vernichtung des Konkurrenten erfordern, Ungleichheit und Abbau sozialer Errungenschaften als Fortschrittsmotor rechtfertigen und damit Entsolidarisierung und Ausgrenzungsbereitschaft notwendig hervorbringen." Dies trifft heute noch zu und auch vor dem Jahr 2000 gab es faschistische Organisationen, die diese Spaltung für ihre Politik benutzten.
Es kann nicht oft genug gesagt werden: Faschisten haben nahtlos nach der Befreiung vom Faschismus 1945 in den Westzonen Deutschlands weiterhin ihre braune Propaganda verbreiten können. "Gestört" wurden sie dabei von denen, die aus den KZ kamen und gleich wieder als Friedenskämpfer*innen, als Kommunist*innen, verfolgt wurden. "Gestört" wurden sie von Antifaschistinnen und Antifaschisten, die sie in Ämtern, Gerichten und als KZ-Ärzte entlarvten. Mitglieder der NSDAP saßen nach 1945 in Gerichten, in Ämtern, in Parteien und in Parlamenten. Helmut Lemke, Karl Carstens, Kurt Georg Kiesinger sind nur drei Namen dazu.
Fehlendes historisches Wissen sind den Parteien der Regierenden, aber auch großen Teilen der sich nun echauffierenden Medien, zuzuschreiben. Denen, die dafür sorgten, dass dass die Aufarbeitung dieser Geschichte verschleppt wurde. Es war in ihrem Interesse, um ihre Politiker zu halten, dass über Jahrzehnte über den Faschismus geschwiegen wurde. Als "Bildung" in diesem Land gilt, was von den Bildungsministerien über Schulen und Hochschulen gelehrt wird. Und tiefere Kenntnisse über geschichtliche Zusammenhänge und erst Recht über die Zeit des Faschismus in Deutschland gehören nicht überall dazu.
Ja – jede/r kann sich selbst informieren und bilden. Doch nun zu fragen, ob denn die Eltern dieser Kinder und jungen Erwachsenen es nicht besser wissen und erzählt haben ist scheinheilig.
Die Unterstützung und finanzielle Förderung von Angeboten aus Nichtregierungs-Organisationen, die Wissen zu diesem Thema vermitteln, müssen immer wieder erkämpft werden. Der Entzug der Gemeinnützigkeit der VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist*innen) ist in diesem Zusammenhang Beleg für den Umgang dieser Regierung mit antifaschistischen Bildungsträgern.
Kein Fußbreit!
Antifaschistische Bündnisse, Aktionen, Demonstrationen und auch Bildungsangebote werden seit Jahren kriminalisiert. Damit wird dazu beigetragen, dass viele Menschen sich scheuen mit Initiativen gemeinsamen Widerstand zu leisten. Diese gemeinsame Sache aber braucht es gegen faschistische Organisationen. Sich ihren Veranstaltungen, Kundgebungen und Märschen in den Weg zu stellen, ist eine wichtige Form des Protests und zeigt: "Kein Fußbreit den Nazis!" "Stoppt die AfD!"
Wie oft wird gesagt: "Wehret den Anfängen!" und Antifaschist*innen fordern von sich selbst: "Agieren nicht reagieren!"
Das gelingt nicht immer. Es fehlen manchmal die Menschen, die in ihrem Ort aktiv werden, die den braunen Spuk beenden, ehe er richtig begonnen hat. Ein Beispiel soll zeigen dass auch in Corona-Zeiten der antifaschistische Protest organisiert werden kann.
Heikendorf an der Ostsee hat 8.000 Einwohner*innen. In den letzten Monaten sahen Bürger*innen vermehrt faschistische Graffiti. Es wurde auf einer Ratssitzung angesprochen. Einige wurden gemeinsam aktiv, sprachen Antifaschist*innen aus Kiel an mit der Bitte um Unterstützung bei der Planung und Durchführung einer Demonstration. Es nahmen 700 Menschen an der Demonstration teil! Redner*innen kamen unter anderem aus Jamel, von der Kirche, von Antifa-Initiativen aus Kiel, eine Schülerin, Fridays for Future Heikendorf, der DGB-Vorsitzende der Region, ein Ratsherr …. Hier wurde gezeigt: Wir warten nicht – uns reichen die Graffiti um aktiv zu werden – wir wollen keine Nazis!
In Kalkar soll der Parteitag der AfD stattfinden.
Auch hier gibt es ein breites Bündnis gegen diesen Parteitag und gegen die Politik der AfD. Jannik Berbalk, von der Initiative, die gegen den AfD-Parteitag in Kalkar mobilisiert, meint: "Rechtlich spricht erstmals nichts gegen den Bundesparteitag, es ist vielmehr eine moralische Frage und natürlich die Sorge, dass gerade die AfD, welche ja nicht bekannt dafür ist Hygienemaßnahmen einzuhalten, jetzt einen Bundesparteitag durchführen will. Viel mehr spielt natürlich die Grundhaltung der AfD eine wichtige Rolle: Faschismus, Rechtsradikalismus, Populismus, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus – diese und die Straftaten der AfD sind gelinde gesagt, nicht mehr aufzählbar. Seit 2014 ist die Partei stark radikalisiert und versucht mit einfachen Antworten die komplexen Fragen dieser Zeit zu lösen."
An dem Protest werden auch Aufstehen gegen Rassismus Deutschland, die VVN-BDA, die FDP, SPD, GRÜNEN und DIE LINKE teilnehmen, die Kirchen und die lokalen Gewerkschaften haben Ihr Kommen angekündigt. Berbalk stellt fest: "Es wird somit ein breites gesellschaftliches und friedliches Bündnis demonstrieren."
Die marxistische linke sagt in ihrer Satzung: "Zur Erreichung der Ziele arbeitet der Verein mit allen Vereinigungen und Bewegungen zusammen, die sich den Werten und Traditionen der sozialistischen, kommunistischen und klassenorientierten gewerkschaftlichen Arbeiterbewegung, der feministischen Bewegung und der Gleichstellung der Geschlechter, der Umweltbewegung und einer nachhaltigen Entwicklung, des Friedens und der internationalen Solidarität, der Menschenrechte, des Humanismus und des Antifaschismus, des progressiven Denkens im nationalen und internationalen Rahmen verpflichten."
Nicht nur deshalb, aber auch, unterstützen wir "Aufstehen gegen Rassismus", arbeiten wir in antifaschistischen Bündnissen mit.
Wir solidarisieren uns mit dem Protest gegen den AfD-Parteietag!
Wir unterstützen die Initiative von "Aufstehen gegen Rassismus" gegen die AfD zum Bundestag 2021!
Bettina Jürgensen, marxistische linke