München, 20.11.2021: Seit Oktober finden Anhörungen zur Identitätsklärung einer sierra-leonischen Botschaftsdelegation in der Zentralen Ausländerbehörde in München statt. Viele der Vorgeladenen leben schon über 5 Jahre und länger in Deutschland. Jetzt droht ihnen die Abschiebung.
Seit Oktober finden Anhörungen zur Identitätsklärung einer sierra-leonischen Botschaftsdelegation in der Zentralen Ausländerbehörde in München statt. Diese persönlichen Anhörungen dienen dazu, durch Befragungen über Sprachkenntnisse, Aussprache, Dialekt und über Kenntnisse von Traditionen herauszufinden, ob die Personen aus Sierra Leone stammen.
Werden den vorgeladenen Personen von der Delegation Reisedokumente ausgestellt oder wird ihnen unterstellt, aus einem anderen Land zu kommen, besteht die Gefahr einer baldigen Vollziehung der Abschiebung. Verweigern die betroffenen Personen, bei der Anhörung zu erscheinen, droht ihnen eine Zwangsvorführung durch die Polizei.
Die Anhörungen werden gegen den Willen der Betroffenen durchgeführt, damit wird ein enormer psychischer Druck auf die ohnehin schon häufig traumatisierten Menschen ausgeübt. Allein die Vorladung zu einer solchen Anhörung stellt eine extreme Belastung dar und ruft bei den Personen Ängste, Unsicherheit und Verzweiflung hervor.
"Wir sind aus unterschiedlichen Gründen aus Sierra Leone geflohen, unsere Leben sind in Gefahr. Wir appellieren an alle zuständigen Behörden, die humanitäre Notlage der Menschen aus Sierra Leone anzuerkennen und von Abschiebungen abzusehen. Bei Rückkehr nach Sierra Leone drohen uns Verfolgung und Bestrafung, Folter und im schlimmsten Fall Mord."
Eine der Protestierenden sagt: "Viele von uns leben schon über 5 Jahre und länger in Deutschland. Wir wollen uns integrieren und arbeiten, unsere Kinder besuchen deutsche Schulen. Wir bekommen keine Ausbildungs- und Arbeitserlaubnisse, selbst wenn wir eine Stelle haben und überall händeringend nach Arbeitskräften gesucht wird. Stattdessen möchte man uns abschieben in ein Land, in dem unsere Leben in Gefahr sind.“
Daher ruft die sierra-leonische Gemeinde in Bayern zum friedlichen Protest gegen die Anhörung auf.
Seit dem 18.10.2021 protestieren Geflüchtete in München. Mit einer Demonstration am Freitag (19.11.) vom Protestcamp am Königsplatz zur SPD Zentrale (Georg-von-Vollmar-Haus, Oberanger) stellten die Geflüchteten ihre Forderungen direkt an die SPD als zukünftige Regierungspartei im Bundestag.
"Die Zuschreibung einer Nationalität zum Zweck der Abschiebung gegen den Willen der Betroffenen aufgrund von Befragungen und äußeren Merkmalen beruht allein auf nationalistischen und rassistischen Zuschreibungen", so eine Protestierende vom Camp. "Die zukünftige Bundesregierung, deren Koalitionsparteien sich selbst auf die Fahnen schreiben, gegen Rassismus vorzugehen, müssen solche rassistischen Praktiken abschaffen!“
Unklar ist nun, wie es mit den Betroffenen der Botschaftsanhörung weitergeht.
Unterstützung bekommt das Protestcamp zudem aus der Münchner Zivilgesellschaft und aus dem Stadtrat. Die Landeshauptstadt München hat sich im Juli 2019 zum "Sicheren Hafen" erklärt. Damit verbunden ist die Bereitschaft, aus Seenot gerettete flüchtende Menschen, aber auch Menschen aus Afghanistan oder aus dem Grenzgebiet Polen/Belarus in München aufzunehmen. Deshalb müssen auch diese Anhörungen und drohenden Abschiebungen sofort beendet werden.
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