22.09.2021: Der Münchner Kommunist Bernd Bücking ist gestorben. Ein Nachruf von Kerem Schamberger:
Gestern Abend ist mein Freund, Genosse und politischer Mentor Bernd Bücking an Corona gestorben. Das macht mich unendlich traurig. Er war einer derjenigen, die mich zum Kommunisten gemacht haben, als ich im Dezember 2001, kurz nach Beginn des Afghanistan-Krieges, ins KommTreff in der Lothringerstr. 6 gekommen bin. Es war die Jahresabschlussfeier der DKP München-Ost. Weihnachtsfeier wurde das natürlich nicht genannt, auch wenn es Plätzchen und Lebkuchen gab.
Bernd wurde am 29. Dezember 1936 in Bremen geboren. Sein Vater wurde wegen "kommunistischer Wühltätigkeit" von den Faschisten zu 10 Jahren Zuchthaus verurteilt. Seine Mutter wegen "Hochverratsvorbereitung" zu 2 Jahren Gefängnis. Beide waren Kommunisten. Und als die KPD am 17. August 1956 in der Bundesrepublik wieder verboten wurde, wurde seine Mutter erneut verurteilt. Vom selben Richter wie schon während der Zeit des Faschismus.
Diese Erzählung von Bernd, der selber dann Mitglied in der illegalen KDP wurde und später in die 1968 gegründete DKP eintrat, prägt mich bis heute in meinem Handeln.
Bernd wurde Graphikdesigner und Illustrator. In den 1960er Jahren kam er nach München. 1970 wurde er fristlos gekündigt, weil er versucht hatte in seiner Werbeagentur einen Betriebsrat zu gründen. Keine linke Zeitung, Flugblatt oder Heft, das nicht seine Graphiken und Zeichnungen trug. Vom Gründungstag des Instituts für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung (isw e.V.) im Jahr 1990 an zeichnete er die Illustrationen und Karikaturen für die Reports. Zuletzt für den diese Woche erschienenen Report 126 "Digitaler Kapitalismus" (geschrieben von Mandy Tröger).
Obwohl er Jahrzehnte aktiv in der kommunistischen Bewegung und das Kämpfen gewöhnt war, konnte er die Tränen oft nicht unterdrücken im Angesicht des vielen unnötigen Leids, das der Kapitalismus in der Welt verursacht. In einer ersten kurzen Nachricht seines Umfelds steht: "Dann hat er seinen Stift gepackt und losgezeichnet". Er war einer, der sein Lachen nie verlor. Trotz alledem.
Als junge SDAJler prägte er uns in den frühen 2000er Jahren mit seinen eindrücklichen Marx-Seminaren und dem Humor, mit der er die Mehrwerttheorie und den grundlegend ausbeuterischen Charakter der kapitalistischen Wirtschaftsweise erklärte. Dabei versuchte er auch unentwegt die historischen Fehler des untergegangenen Sozialismus zu analysieren und den Marxismus auf die Höhe der Zeit zu bringen.
Für Bernd war internationale proletarische Solidarität essentiell. Er beschäftigte sich nicht nur mit dem Klassenkampf in Deutschland, sondern war solidarisch mit den kämpfenden Bewegungen weltweit. Auch mit der kurdischen Freiheitsbewegung.
Im November 2017 traten wir gemeinsam aus der DKP aus, weil wir uns mit der Entwicklung der Partei nicht mehr identifizieren konnten. Für Bernd, der 49 Jahre lang Mitglied war, kein leichter Schritt. Danach war er in der marxistischen linken und der Partei DIE LINKE aktiv. Zuletzt im Wahlkampf für die Bundestagswahl. Er blieb bis zu seinem Tod Kommunist.
Noch am 1. September sprach ich mit ihm auf dem Antikriegstag am Münchener Stachus. Ich wunderte mich, dass er kein selbstgestaltetes Plakat dabei hatte. Als ich ihn fragte, wie es ihm gehe, meinte er "Nicht so gut, ich habe so starken Husten". Drei Tage später kam er ins Krankenhaus und musste kurz danach ins künstliche Koma versetzt werden. Diagnose: Corona. Und das obwohl er doppelt geimpft war. Jetzt ist er, der noch vor drei Wochen topfit war, mit fast 85 Jahren gestorben.
Auf Bernd trifft dieses Gedicht von Bertolt Brecht zu, wie auf keinen anderen:
"Die Schwachen kämpfen nicht. Die Stärkeren kämpfen vielleicht eine Stunde lang. Die noch stärker sind, kämpfen viele Jahre. Aber die Stärksten kämpfen ihr Leben lang. Diese sind unentbehrlich." Bernd war einer von den Unentbehrlichen.
Und er, der Rainer Maria Rilke sehr schätzte, hätte sich über die folgende Zeilen des Dichters auch sehr gefreut:
"Jeder Tag soll und muss einen Sinn haben, und erhalten soll er ihn nicht vom Zufall, sondern von mir."
Ein sinnvolleres Leben, als das von Bernd, kann ich mir nur schwer vorstellen.
Ruhe in Frieden. Wir werden deinen Kampf weiterführen.
PS: Über eine Trauerfeier ist noch nichts bekannt. Ich werde euch informieren, sobald es dazu Nachrichten gibt.