26.07.2020: Nach vier Jahren Verhandlung wird das Oberlandesgericht München am Dienstag, 28. Juli, das Urteil im Münchner Kommunistenprozess wegen Mitgliedschaft in der TKP/ML nach § 129b StBG verkünden. Viele Organisationen rufen zur Protestdemonstration auf.
Nach vier Jahren endet am 28. Juli der Prozess, der nach Verfolgungsermächtigung der Bundesregierung als sogenannter „Kommunistenprozess“ wegen seiner Dauer und seines Umfangs in die deutsche Justizgeschichte eingehen wird. Die Verteidiger*innen bezeichnen den Prozess als "Auftragsarbeit für den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan" durch die deutsche Justiz: Angeklagt sind neun Männer und eine Frau aus Kurdistan und der Türkei. Ihnen werden keine konkreten Straftaten vorgeworfen. Es geht um Mitglieds- bzw. "Rädelsführerschaft" der in Deutschland nicht verbotenen TKP/ML. Als Vorwand dient der konstruierte Vorwurf des "Terrorismus" nach § 129b StBG, wobei eine Einordnung einer Organisation als terroristische Vereinigung oder Befreiungsbewegung keine juristische Frage ist, sondern eine außenpolitische Wertung.
Ohne eine Verfolgungsermächtigung durch das Bundesjustizministerium wäre das Verfahren gar nicht möglich gewesen. Die Verteidiger erklärten, zu dem hohen Verfolgungsdruck gegen die zehn Angeklagten sei es nur wegen der wiederholten Forderungen der Türkei gekommen, juristisch gegen Oppositionelle im europäischen Exil vorzugehen.
Die Angeklagten wurden alle im Jahr 2015 festgenommen und befanden sich mehrere Jahre in Untersuchungshaft. Im Lauf des Mammutprozesses kamen alle auf freien Fuß - bis auf Müslüm Elma, den Hauptangeklagten. Der 60-jährige Müslüm Elma wurde beim Militärputsch 1980 in Amed (türk. Diyarbakir) verhaftet und verbrachte 22 Jahre seines Lebens in türkischen Gefängnissen, wo er schwerster Folter ausgesetzt war und irreversible Gesundheitsschäden davon trug.
"Sie haben uns beschuldigt und beschuldigen uns auch weiterhin, 'Terroristen' zu sein. … Der Vorwurf des 'Terrorismus' ist eine der größten Lügen des 20. und 21. Jahrhunderts. Die wirklichen Terroristen sind diejenigen, die Rüstungsunternehmen leiten, und die ausbeuterische Bourgeoisie, die die großen Monopole und Banken kontrolliert. Sie nehmen die Zerstörung der Erde in Kauf und treiben diese in eine Katastrophe."
Müslüm Elma in seinem Schlusswort
Die vollständige Rede kann auf dem Blog der Anwälte des TKP/ML-Verfahrens nachgelesen werden
Zu erwarten ist ein politisches Urteil. Zu befürchten ist ein Urteil, das dem türkischen Unrechtsstaat gefallen wird. Eine Auflehnung gegen das faschistische AKP/MHP-Regime in Ankara widerspricht den derzeitigen – und seit mehr als 100 Jahren praktizierten – Interessen der deutschen Außenpolitik.
Der Vertreter der Generalbundesanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Heise, fordert für Müslüm Elma sechs Jahre und neun Monate Haft, die er zum größten Teil bereits absaß. Für die anderen neun Angeklagten verlangen die Ankläger zwischen dreieinhalb und fünf Jahren Haft.
Protest-Kundgebung: Dienstag, 28. Juli um 9:30 Uhr
vor dem Gerichtsgebäude, Nymphenburgerstr. 16
Um 14 Uhr startet die Demonstration zum Stachus
15 Uhr Abschlusskundgebung