27.10.2025: Auf Druck der USA enteigneten die Niederlande den chinesischen Chiphersteller Nexperia ++ China reagierte mit Exportverbot ++ Durch den Lieferstopp sind zentrale Komponenten für die Automobilproduktion und deren Zulieferer knapp geworden ++ Peking: "Mal sehen, wer länger durchhält"
"Drohender Produktionsstopp und Kurzarbeit bei VW" alarmierten die Medien am 22. Oktober. Es gebe "Lieferprobleme beim Chiphersteller Nexperia". Der niederländische Chiphersteller "leidet unter Exportbeschränkungen- was zu Produktionsausfällen in der Autobranche führen könnte". Zwei Tage später dann eine vorläufige Entwarnung "Vorerst keine Produktionsstopps bei VW". Zumindest für ein bis zwei Wochen sei die Produktion gesichert.
Nach dem europäischen Autoverband ACEA warnte auch die US-Autolobby vor Störungen der Produktion wegen der Lieferausfälle. Der Verband Alliance for Automotive Innovation, der unter anderem General Motors, Toyota, Ford und Volkswagen vertritt, drängt auf eine schnelle Lösung. "Wenn die Lieferung von Auto-Chips nicht schnell wieder aufgenommen wird, wird dies die Autoproduktion in den USA und vielen anderen Ländern stören und einen Dominoeffekt auf andere Branchen haben", sagte Verbandschef John Bozzella. Einigen Autobauern zufolge könnten US-Werke bereits im kommenden Monat betroffen sein.
Was als "Lieferprobleme beim Chiphersteller Nexperia" bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit das Ergebnis des Handelskrieges der USA gegen die VR China. Nexperia befindet sich im Zentrum eines Tauziehens zwischen China und den Niederlanden um Halbleiter, die zunehmend zu einer Quelle globaler geopolitischer Spannungen werden.
Nexperia ist mit einem Marktanteil von 40 Prozent der weltgrößte Anbieter einfacher Halbleiter wie Dioden oder Transistoren. Der niederländische Chiphersteller, mit Standorten u.a. in Hamburg und China und mit weltweit rund 11.700 Beschäftigten, entwickelt zudem moderne Chips für Batteriemanagement. Das in der Stadt Nimwegen ansässige Unternehmen gibt an, dass seine Chips "praktisch jedes elektronische Design weltweit" antreiben.

Besonders die Automobilindustrie ist stark auf Nexperia-Chips angewiesen, die für elektronische Steuergeräte in Fahrzeugen unerlässlich sind. Nexperia beliefert auch zahlreiche Automobil-Zulieferer wie Bosch, Continental und ZF mit Standard-Halbleitern, die in Steuergeräten, Airbag- und Bremssystemen verbaut sind. Durch den Lieferstopp sind zentrale Komponenten knapp geworden, was auch in den Zulieferbetrieben zu Kurzarbeit und zu Produktionsunterbrechungen führen könnte.
Zwar versuche die Automobilindustrie mit Halbleiterherstellern wie Infineon Alternativen aufzubauen, aber Nesperia habe "15.000 verschiedene Produkte. Das auszugleichen wird schwierig", sagt eine Expertin in einem Bericht des ZDF. [1]
Niederlande übernehmen Kontrolle über Nexperia
Aktuell kommt es zu den Lieferproblemen, nachdem die niederländische Regierung die Kontrolle über die bisher von der chinesischen Konzernmutter geführten Firma übernommen hat. Als Reaktion auf eine Enteignung stoppte China daraufhin die Ausfuhr von Nexperia-Produkten. Das betrifft Wingtech zufolge 80 Prozent der Endprodukte.
Einst Teil des niederländischen Elektronikriesen Philips, wurde Nexperia 2018 für 3,6 Mrd. USD durch die chinesische Wingtech übernommen. Diese steht wegen angeblicher Risiken für die nationale Sicherheit seit 2024 auf einer schwarzen Liste der US-Regierung ("Entity List"), mit denen US-Firmen keine Geschäfte machen dürfen. Die Niederlande gerieten als Knotenpunkt der europäischen Chipproduktion zwischen die Fronten des US-amerikanischen Handelskrieges und chinesischer Industriepolitik.
Mitte Oktober erklärte die niederländische Regierung, die Kontrolle bei Nexperia übernommen zu haben. Die Handelskammer des Amsterdamer Berufungsgerichts habe beschlossen, den chinesische Firmenchef (CEO) Zhang Xuezheng abzusetzen und alle Aktien mit Ausnahme einer einzigen an einen unabhängigen, vom Gericht bestellten Verwalter zu übertragen.
Demnach gebe es "begründete Zweifel an einer soliden Unternehmensführung", die eine "Gefahr für den Schutz wichtiger technologischer Kenntnisse und Fähigkeiten auf niederländischem und europäischem Boden" darstellten. Es bestehe die Gefahr der Weitergabe von Technologie an die chinesische Muttergesellschaft.
Wichtige Entscheidungen bei Nexperia können nur noch mit Zustimmung der niederländischen Regierung und dem eingesetzten Unternehmensleiter getroffen werden.
Die niederländische Regierung beruft sich dabei auf ein Notfallgesetz von 1952 aus der Zeit des Kalten Krieges über die Verfügbarkeit von Gütern (Güterverfügbarkeitsgesetz "Wet beschikbaarheid goederen"), und gibt selbst zu, dass die Anwendung dieses Gesetzes "höchst außergewöhnlich" sei und dazu diene, sicherzustellen, dass die Chips von Nexperia, die in einer Vielzahl von elektronischen Geräten verwendet werden, im Notfall weiterhin verfügbar bleiben.
USA machten Druck
Wie france24 berichtet – deutsche Medien sind da sehr zurückhaltend -, geht aus Gerichtsdokumenten hervor, dass die US-Regierung die Niederlande zu der Enteignung drängten. [2] Demnach zitierte das Gericht Protokolle von Treffen zwischen niederländischen Beamten und dem US-Amt für internationale Sicherheit und Nichtverbreitung. In den Gerichtsunterlagen findet sich auch ein Ultimatum der US-Regierung: Der für die amerikanischen Beamten "problematische" Kernpunkt war "der chinesische Eigentümer". "Es ist fast sicher, dass der CEO ersetzt werden muss, um für eine Ausnahme von der Entity List in Frage zu kommen", zitierte das Gericht aus dem Protokoll.
Chinesische Gegenreaktionen
China wies die Einmischung in die Geschäftstätigkeit von Nexperia scharf zurück und erklärt, dass die niederländische Seite gegen Marktprinzipien verstoßen habe. "China lehnt es entschieden ab, dass die niederländische Seite das Konzept der nationalen Sicherheit überstrapaziert und sich direkt in die inneren Angelegenheiten des Unternehmens einmischt“, äußerte das chinesische Handelsministerium und fügte hinzu, dass China die notwendigen Maßnahmen ergreifen werde, um die rechtmäßigen Rechte und Interessen chinesischer Unternehmen entschlossen zu schützen.
"Legt man sich mit China an, kann das Land Ihre Hightech-Fabriken lahmlegen."
The Economist, 23.10.2025: Why China is winning the trade war
China reagierte mit Exportkontrollen für Nexperia und hat dem Unternehmen den Export von in China hergestellten Fertigkomponenten und Baugruppen verboten, einschließlich derer, die von seinen Subunternehmern hergestellt werden.
Durch den Lieferstopp sind zentrale Komponenten für die Automobilproduktion und deren Zulieferer knapp geworden, was zu Produktionsunterbrechungen und Kurzarbeit führen könnte. Neben den direkten Produktionsunterbrechungen sind die höheren Kosten und die Unsicherheiten in der Versorgungslage eine zusätzliche Belastung für eine Branche, die sich bereits in einer gewaltigen Struktur- und Absatzkrise mit massivem Stellenabbau befindet.
"Sie sollten es sich gut überlegen, ob sie dieses Spiel mit China spielen wollen."
Kommentatorin aus Peking

"Wenn Europa Wert auf die Versorgungssicherheit mit Seltenen Erden legt, sollte es die langfristige Zusammenarbeit mit China stärken und in lokale Verarbeitungskapazitäten investieren, anstatt zu versuchen, bestehende Beziehungen zu kappen. Wenn es die Sicherheit der Halbleiter-Lieferkette wirklich schätzt, sollte es sich auf die Schaffung eines besseren Geschäftsumfelds konzentrieren, anstatt willkürlich in die Geschäftstätigkeit von Unternehmen einzugreifen", heißt es in einem Leitartikel der chinesischen Zeitung Global Times. [3]
Ein Ende des Handelskonflikts mit China ist nicht abzusehen. Nachdem schon aufgrund der Sanktionen gegen Russland die Energiepreise explodieren und industrielle Arbeitsplätze vernichtet werden, schließt sich die Europäische Union dem US-Handelskrieg gegen China an. Die Leidtragenden sind im aktuellen Fall die Beschäftigten der Autohersteller und die gesamte europäische Zuliefererstruktur.
Aus Peking schreibt eine der Regierung nahestehende politische Kommentatorin: "Chinas Exportverbot für nur eine einzige Nexperia-Fertigungsanlage für ausgereifte Komponenten reicht aus, um die gesamte europäische Autoindustrie lahmzulegen. Das sollte Ihnen einen Hinweis darauf geben, was es bedeutet, ohne China leben zu wollen. Ein Leben ohne amerikanische Software vs. ein Leben ohne chinesische Industrieimporte und Seltene Erden. Mal sehen, wer länger durchhält. Sie sollten es sich gut überlegen, ob sie dieses Spiel mit China spielen wollen."
txt: Willy Sabautzki / lm
Anmerkungen
[1] ZDF, 22.10.2025: So trifft der Handelskrieg VW
https://www.zdf.de/play/magazine/zdfheute-live-102/handelskonflikt-china-usa-vw-chips-video-100
[2] france24, 14.10.2025: Chipmaker Nexperia says banned from exporting from China
https://www.france24.com/en/live-news/20251014-chipmaker-nexperia-says-banned-from-exporting-from-china
[3] Global Times. 23.10.2025: Two calls remind China and Europe of the right way to get along: Global Times editorial
https://www.globaltimes.cn/page/202510/1346295.shtml




