Wirtschaft

verdi 2021 06 applaus reicht nicht17.06.2021: Ende April 2021 haben im Handel die Tarifverhandlungen in den Ländern begonnen. Alle ver.di – Tarifkommissionen haben in den wesentlichen Punkten ähnliche Forderungen beschlossen. Mit der selbstbewussten Aussage "Ohne uns kein Geschäft!" werden diese den Kolleg*innen, der Öffentlichkeit und der Kapitalseite der Unternehmen präsentiert.

 

Gemeinsam ist die Forderung nach 4,5 % Entgelterhöhung plus 45 Euro monatlich, außerdem sollen mindestens 12,50 Euro pro Stunde festgeschrieben werden. Damit soll auch der Altersarmut, von der eine große Zahl der Beschäftigten im Handel bedroht ist, entgegengewirkt werden. Denn nur wer im Durchschnitt aller 45 Arbeitsjahre mindestens 2.105 Euro Arbeitsentgelt monatlich erhalten hat, kann von einer Rente über dem Grundsicherungsniveau "träumen".

ver.di - Handel setzt mit diesen Forderungen den Weg der letzten Jahren fort, insbesondere die unteren Entgeltgruppen anzuheben. Der geforderte monatliche Betrag von 45 Euro für Alle in der Entgelttabelle ist ein Schritt, die Schere der höheren und niedrigeren Entgelte nicht weiter auseinandergehen zu lassen. Ebenso zeigt die Forderung nach mindestens 12,50 Euro pro Stunde das Ziel eines tarifvertraglichen Entgelts, das den gesetzlichen Mindestlohn weiter hinter sich lässt und damit deutlich macht: Tarif ist mehr als eine gesetzliche Festlegung! Dafür lohnt es zu kämpfen!

Die Forderungen werden von manchen als "zu moderat" bezeichnet.

Immerhin wurden vom Statistischen Bundesamt für das Jahr 2020 ein reales Umsatzplus von 4,0 Prozent für den Einzelhandel und 20,8% für den Onlinehandel errechnet. Seit 2010 ist der Umsatz stetig angestiegen. Das Jammern des HDE über die Forderung der Gewerkschaft kommt also von einem hohen Niveau. Doch sie jammern und klagen, weisen auf die Bereiche des Textilmodehandels, auf die in der Corona-Pandemie wochenlang geschlossenen oder nur schlecht zugänglichen Läden in den Innenstädten und versuchen damit die finanziell gute Gesamtsituation des Handels zu verschleiern.

Die Forderungen von ver.di sind ein Ziel, um das gekämpft werden muss!

Spätestens nach der ersten Verhandlung in Baden-Württemberg wurde dies deutlich, als Philip Merten vom Handelsverband HDE meinte: "Eine undifferenzierte und selbst für Normallagen nicht zu erwirtschaftende Forderung ist kein gangbarer Lösungsweg" und er ergänzte, dass eine Lösung nur über eine Differenzierung führe.

Laut HDE hat sich der Handel durch die Corona-Pandemie in Profiteure und Pleitekandidaten unterteilt, dem nur mit differenzierten Tariflösungen und Öffnungsklauseln Rechnung getragen werden kann.

Eine klare Position stellt Stefanie Nutzenberger, Bundesvorstandsmitglied und Leiterin des Fachbereich Handel bei ver.di, dem gegenüber: "Öffnungsklauseln und Einmalzahlungen sind Gießkannenprinzip oder Mogelpackungen. Beides sind die falschen Antworten für die Zukunft des Handels" und "Wenn jetzt von Krisenunternehmen geredet wird, fragt sich doch, wo das Geld ist, das in den vergangenen 15 Jahren verdient wurde?Es kann niemand behaupten, dass im Handel kein Geld verdient wird."

Orhan Akman, Bundesfachgruppenleiter Einzelhandel bei ver.di, weist für Unternehmen in der Krise auf die Möglichkeit der Sanierungstarifverträge hin: "Wir gehen in die Betriebe und sind im Krisenfall da". Das zeigte ver.di aktuell bei Adler und Esprit und auch Galeria Karstadt Kaufhof gäbe es ohne die Gewerkschaft längst nicht mehr, so Akman.

Was kommt von den Arbeitgebern? Unmoralische Angebote!

Der Handelsverband versucht einerseits die Differenzierung durchzusetzen – was nichts anderes heißt, als die Beschäftigten im Handel in zwei Kategorien einzuteilen - und wollen außerdem statt der von ver.di geforderten 12-monatigen Laufzeit der Tarifverträge, diese für 36 Monate durchsetzen. Erste "Angebote" wurden nun unterbreitet: für 2021 nach zwei Nullmonaten 1,0 %, in 2022 weitere 1,4 % und nach 24 Monaten noch einmal 2,0 % bis zum 36. Monat.

Außerdem würden sie bei diesem Abschluss eine nicht tabellenwirksame Einmalzahlung von 1,4% des individuellen Bruttomonatsgehalt für 10 Monate drauflegen (in NRW für Verkäufer*in Endstufe G 1 Vollzeit = 37,86 Euro/Monat).

In Unternehmen mit "Pandemieauswirkungen" soll es 2021 keine Erhöhung geben, erst ab März 2022 soll es 1,0 %, ab November 2022 1,4 % und November 2023 dann 2,0 % geben. Einmalzahlungen sind hier nicht vorgesehen.

Wir lassen uns nicht spalten!

Mit dieser Antwort treten gewerkschaftlich organisierte Kolleg*innen in immer mehr Bundesländern für ihre Forderungen in den Streik. In Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt/Thüringen, Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg hieß es bereits:

Heute ist kein Arbeitstag – heute ist Streiktag!

verdi 2021 06 streik humDas gerade die Gewinner der Corona-Pandemie das gewerkschaftliche gemeinsame Handeln unterlaufen wollen, zeigen die eiligst versprochenen "freiwilligen Lohnerhöhungen". Die Edeka Südbayern bedient die Beschäftigten seit Mai mit monatlich 55 Euro mehr, was in den unteren Lohngruppen rund 3 Prozent entspricht. Dem ist die Schwarz-Gruppe gefolgt und Klaus Gehrig, vom Lidl-Dachkonzern kündigte ebenfalls 3 % mehr an: "Wir wollen unsere Mitarbeiter – gerade im Hinblick auf ihren außergewöhnlichen Einsatz – nicht länger auf eine Einigung der Tarifparteien warten lassen," versucht er seinen Spaltpilz zu erklären.

Und auch Amazon scheint inzwischen die Streiks zu fürchten und gab bekannt, ab Juli an allen deutschen Logistikstandorten mindestens 12 Euro pro Stunde zu zahlen. Im Herbst sollen nochmals 50 Cent dazukommen.

Es kann die Vermutung einer Eingebung in den Sinn kommen, doch damit hat der plötzliche Zahlungswille nichts zu tun. Diese Erhöhungen kommen (vorgezogenen) Streikbruchzahlungen gleich und sollen die Mitglieder der Gewerkschaft davon abbringen für ihre Forderungen die Arbeit niederzulegen. Das dieses Kalkül nicht aufgeht, dafür müssen die Kolleg*innen deutlich und laut werden. Sie müssen es einerseits als ihre Stärke verstehen, dass ihnen "freiwillig" etwas gegeben wird, sie dürfen sich andererseits damit nicht abspeisen lassen, sondern dies als Ermutigung und Aufforderung für den weiteren Kampf um ihre tariflichen Forderungen nehmen.

Geld ist genug da!

Das Geld da ist, um das berühmte "Stück vom Kuchen" abzugeben, zeigen die Zahlen von Krisengewinnlern, deren Profite im Corona-Jahr 2020 gestiegen sind:verdi 2021 06 streik Tarif
Der Edeka-Konzern hat in den Edeka- und Netto Filialen 61 Mrd. Umsatz, damit ein Plus 6% zum Vorjahr, die REWE-Gruppe mit Rewe und Penny-Märkten hat in Deutschland 46,6 Mrd. Euro, damit plus +24,4% VJ Gewinn erzielt.

Die Schwarz-Gruppe mit Lidl / Kaufland hat einen Umsatz von 113,3 Mrd. Euro, davon 41,25 Mrd. in Deutschland, also ein Plus von 8,6% zum Vorjahr gemacht.
Die Aldi-Gruppe bei einem Umsatz von 31,1 Mrd. Euro plus 5,4% Vorjahr, tegut ein Umsatz von 1,26 Mrd. Euro + 17,7% Vorjahr und selbst real/SCP trägt sich trotz Filialschließungen einen Umsatz von 7,8 Mrd. Euro und Plus 0,3% ein.

Während in Zeiten der Corona-Pandemie viele Unternehmen sich also die Taschen vollstopfen konnten, andere aus Steuergeldern finanzierte Mittel erhielten, gingen die Beschäftigten bisher leer aus.

Wir sind der Handel – Ohne uns kein Geschäft!

Branchenübergreifend arbeiten im Handel von den insgesamt mehr als 3,1 Millionen Beschäftigten 26 % als sogenannte "geringfügig Beschäftigte" und 36 % in oft nicht gewollter Teilzeit. Insgesamt sind 2/3 aller Beschäftigten Frauen.

Für Minijobber*innen mit monatlichem Entgelt unter 450.- Euro gab es noch nicht einmal Kurzarbeitergeld. Teilzeitkräfte, die zwar mit Ach und Krach von dem leben können, was sie für ihre Arbeit ausgezahlt bekommen, mussten mit Kurzarbeitergeld jeden Cent dreimal umdrehen, bevor sie ihn einmal ausgeben.

Es wird im Möbelhaus, im Baumarkt, in Drogerien, im Textil- und Lebensmittelhandel oder auch im Online-Handel gearbeitet. Der Handel ist vielfältig. Eines gilt überall: Die Umsätze, die Gewinne und die Verkaufszahlen erarbeiten die dort beschäftigten Menschen.
Auch in der Corona-Pandemie eine Arbeit fast wie immer, jedoch mit Maske rund-um-die-Uhr, mit Desinfektion und Abstand und auch Kund*innen, die sich daran nicht halten wollen.

Klatschen vom Balkon war gestern – Heute ist Solidarität!

Der Beifall, der noch vor einem Jahr von den Balkonen auch für die Beschäftigten im Handel kam, war schnell ausgeklatscht.

Das Leben kann damit sowieso nicht bezahlt werden. Dazu braucht es gutes Entgelt.

Tarifbindung gibt es nur noch in 20 Prozent der Unternehmen. Gerade im Einzelhandel ist die Tarifflucht in den letzten Jahren enorm gestiegen, so dass der Anteil der Beschäftigten mit Tariflohn von 50 Prozent im Jahr 2010 auf 28 Prozent 2019 gesunken ist.

verdi 2021 06 streik nettoDeshalb spielt die Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) des Tarifvertrages im Handel auch diesem Jahr wieder eine Rolle und ist eine weitere zentrale Forderung der Tarifkommissionen. Die Gewerkschafter*innen sehen dabei nicht nur ihre Verantwortung gegenüber den Mitgliedern von ver.di, sondern erkennen, dass mit immer weniger Geld durch Arbeit, die Beschäftigten gezwungen werden entweder in Zweit- und Dritt-Jobs zu arbeiten, ihr Leben mit Armutslöhnen organisieren müssen und die Sozialkassen, heute oder morgen in der Rente, für den nichtgezahlten Tariflohn aufkommen müssen. Das bedeutet, dass die Unternehmen durch die Hintertür öffentliche Kassen anzapfen und dauerhaft gesponsert werden. Es bedeutet, dass die Geringverdienenden von ihren Steuergeldern ihre eigene Arbeit finanzieren. "Die Drogerieunternehmen wie dm, Rossmann und Müller haben sich in der Pandemie eine goldene Nase verdient und zahlen keine Tariflöhne" meint Akman und in Richtung des neuen HDE-Mitglieds ohne Tarifbindung Amazon "Es kann doch nicht sein, dass der Tante-Emma-Laden tarifgebunden ist und ein Milliardenkonzern keine Tariflöhne zahlt".

Bezahlen sollen die, die auch die Profite einfahren!

Sollten also in den nächsten Wochen Streikende vor dem Laden stehen, dürfen die dort kämpfenden Kolleg*innen mit Beifall bedacht werden. Dies wird sicher als solidarische Unterstützung gesehen und gern angenommen, denn sie wissen: Wir sind es wert!

txt: Bettina Jürgensen

 

Wir sprechen über Palästina

Gazakrieg Grafik Totoe 2024 04 07

mit Rihm Miriam Hamdan von "Palästina spricht"

Wir unterhalten uns über den israelischen Vernichtungskrieg, die Rolle Deutschlands (am 8. und 9. April findet beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag die Anhörung über die Klage Nicaraguas gegen Deutschland wegen Beihilfe zum Völkermord statt), die Situation in Gaza und dem Westjordanland und den "Tag danach".

Onlineveranstaltung der marxistischen linken
Donnerstag, 18. April, 19 Uhr

https://us02web.zoom.us/j/82064720080
Meeting-ID: 820 6472 0080


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Logo Ratschlag marxistische Politik

Ratschlag marxistische Politik:

Gewerkschaften zwischen Integration und Klassenkampf

Samstag, 20. April 2024, 11:00 Uhr bis 16:30 Uhr
in Frankfurt am Main

Es referieren:
Nicole Mayer-Ahuja, Professorin für Soziologie, Uni Göttingen
Frank Deppe, emer. Professor für Politikwissenschaft, Marburg

Zu diesem Ratschlag laden ein:
Bettina Jürgensen, Frank Deppe, Heinz Bierbaum, Heinz Stehr, Ingar Solty

Anmeldung aufgrund begrenzter Raumkapazität bis spätestens 13.04.24 erforderlich unter:
marxlink-muc@t-online.de


 

Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
hier geht es weiter zum Text


 

 

UNRWA Gazakrieg Essenausgabe

UNRWA Nothilfeaufruf für Gaza
Vereint in Menschlichkeit, vereint in Aktion

Mehr als 2 Millionen Menschen, darunter 1,7 Millionen Palästina-Flüchtlinge, zahlen den verheerenden Preis für die Eskalation im Gazastreifen.
Zivilisten sterben, während die Welt zusieht. Die Luftangriffe gehen weiter. Familien werden massenweise vertrieben. Lebensrettende Hilfsgüter gehen zur Neige. Der Zugang für humanitäre Hilfe wird nach wie vor verweigert.
Unter diesen Umständen sind Hunderttausende von Vertriebenen in UNRWA-Schulen untergebracht. Tausende unserer humanitären Helfer sind vor Ort, um Hilfe zu leisten, aber Nahrungsmittel, Wasser und andere lebenswichtige Güter werden bald aufgebraucht sein.
Das UNRWA fordert den sofortigen Zugang zu humanitärer Hilfe und die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern für bedürftige Palästina-Flüchtlinge.
Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

Spenden: https://donate.unrwa.org/gaza/~my-donation


 

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