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21.10.2025: In Bolivien gehen zwei Jahrzehnte linker Regierungen zu Ende: Der Christdemokrat Rodrigo Paz hat die Stichwahl um das Präsidentenamt gewonnen ++ Ein Projekt der herrschenden Klasse mit zwei Fraktionen ++  Andrónico Rodríguez (MAS): Rechte siegt wegen schlechter Regierungsführung und Selbstsucht von Kandidaten der MAS

 

 

Der Christdemokrat Rodrigo Paz (Christlich-Demokratische Partei PDC) gewann am Sonntag überraschend die Präsidentschaftswahlen gegen den ultrarechten Jorge Quiroga. Ein klarer Sieg mit über 54 % der Stimmen

Rodrigo Paz widerlegt erneut die Prognosen und schafft es, als dritter Präsident seiner Familie (nach Victor Paz und Jaime Paz Zamora) an die Regierung zu kommen und damit den Rekord der mächtigen rivalisierenden Familie Siles einzustellen. Ein klarer Sieg mit über 54 % der Stimmen, den er über den Unternehmer Jorge "Tuto” Quiroga errang, der nach seinen Niederlagen bei den Präsidentschaftswahlen 2005 und 2014 zum dritten Mal eine bittere Pille schlucken musste.

Bo Rodrigo Paz Jorge Quiroga

 

Für Bolivien hätte es eigentlich keinen großen Unterschied gemacht, wer gewonnen hätte. Angesichts des gleichen Ziels – das Land wieder auf den neoliberalen Weg zu bringen – bestand der einzige Unterschied zwischen den beiden darin, wie sie dieses Ziel erreichen wollten: Der Besiegte, ein Vertreter der traditionellen Oligarchie (Banken und Agrarindustrie, Medien und Kirchen), wollte dies mit sofortigen Schockmaßnahmen erreichen. Der ultrarechte Ex-Präsident Jorge "Tuto" Quiroga versprach im Wahlkampf eine Sparpolitik mit der Kettensäge - in Anspielung auf den Präsidenten Javier Milei aus Argentinien.

Der Sieger, Vertreter der neuen Aymara- und Quechua-Elite, "gebleicht” und entpolitisiert, der dank des von den Vorgängerregierungen verfolgten extraktivistischen Modells reich geworden ist, will schrittweise vorgehen.

Mit dem Slogan "Kapitalismus für alle" warb Paz im Wahlkampf für eine soziale Marktwirtschaft: Wachstum durch den Privatsektor fördern, soziale Programme beibehalten, Kampf gegen die Korruption.

Damit konnte Paz nicht nur rechts der Mitte punkten, er holte auch viele Stimmen in einstigen Hochburgen der Sozialisten. Die linke Regierungspartei "Bewegung zum Sozialismus", die Bolivien 20 Jahre lang regiert hatte, erlitt bereits im ersten Durchgang im August eine krachende Niederlage. (siehe kommunisten.de, 22.8.2025: "Zwanzig Jahre Morales sind vorbei, in Bolivien kommt es zu einer Stichwahl zwischen den Rechten") Nun steht Bolivien ein politischer Richtungswechsel bevor.

"Die Stimmen für Paz sind die alten Stimmen für Evo, die Stimmen für den Wandel, die der Wirtschaftskrise und den internen Streitigkeiten überdrüssig sind.“
Der ehemalige Vizepräsident Boliviens, Álvaro García Linera, nach dem ersten Wahlgang

Der neu gewählte Präsident bedankte sich in äußerst gemäßigten Tönen für den Sieg und sprach von "Liebe zum Vaterland”, von der Überwindung von "Hass und Spaltungen” und von der "Fähigkeit, uns alle zu vereinen, um das Land voranzubringen”.

Mit Paz hat sich die scheinbar weichere Linie durchgesetzt, die des "Kapitalismus für alle”, der "internen Neuordnung der öffentlichen Ausgaben”, was besser klingt als "Strukturanpassung”, "Kürzungen” und "Privatisierungen” klingt, aber dennoch die sozialen Errungenschaften zunichte machen wird, ohne das auf dem Export von Rohstoffen basierende Modell in Frage zu stellen – angefangen bei der fast vollständigen Abhängigkeit von den Einnahmen aus dem Verkauf von Erdgas –, das zu einem großen Teil für die Probleme des Landes verantwortlich ist.

Vielen Beobachtern zufolge hat jedoch nicht so sehr Paz gewonnen, sondern vielmehr sein Stellvertreter Edmand Lara, der ehemalige Polizeikapitän, der für seine Anzeigen gegen die Korruption seiner Vorgesetzten bekannt ist und der nicht nur auf breite Unterstützung aus evangelikalen Kreisen zählen kann, sondern auch ausgeprägte Fähigkeiten im Umgang mit sozialen Medien gezeigt hat, indem er sich mit seinen täglichen Posts auf TikTok als "Kandidat des Volkes” präsentiert hat.

Ein Projekt der herrschenden Klasse mit zwei Fraktionen

Die Vereinigung der Journalisten und Sozialkommunikationsfachleute von La Paz erklärte zu den Ergebnissen der zweiten Wahlrunde:
"Nach der ersten Runde am 17. August war die nationale politische Landschaft von zwei sehr ähnlich gelagerten Projekten für das Land geprägt. Auf der einen Seite stand die Christlich-Demokratische Partei (PDC), vertreten durch die Kandidaten Rodrigo Paz Pereira und Edman Lara, Ausdruck einer liberal-demokratischen Strömung; auf der anderen Seite die Bewegung Alianza Libre (AL), vertreten durch Jorge "Tuto" Quiroga, Faschist, Rechtsextremist, Verfechter des Neoliberalismus, des Imperialismus, des Zionismus und der Unterwerfung des Landes unter räuberische ausländische Interessen. (…)

Auf der einen Seite die Kompradorenbourgeoisie, die mit dem transnationalen Kapital verbunden ist und im Osten Boliviens ansässig ist: Santa Cruz, Beni und Tarija, die auf Jorge Quiroga und seine Agenda der Unterwerfung gesetzt hat.

Auf der anderen Seite die bürokratische Bourgeoisie und die Volksschichten, die in der Kandidatur von Paz-Lara die Möglichkeit sahen, den Weg der Neuorganisation der Volksbewegung wieder aufzunehmen.

Die Ergebnisse spiegeln die widersprüchliche soziale Korrelation des Landes wider: Santa Cruz, Beni und Tarija neigten zur extremen Rechten, während La Paz, Cochabamba, Sucre, Potosí, Oruro und Pando einen Sieg für die PDC errangen." [1]

Bo Wahlergebnis 2025 10 19


Evo Morales: Es gibt drei Verlierer

José Llorenti, Leiter der MAS-Kampagne, sieht die Ursache der Niederlage der Linken in einer "Demokratisierung des Konsums”, die von der Bewegung zum Sozialismus (Movimiento al Socialismo) erreicht wurde, die zwar Verdienste in Bezug auf die Umverteilung des Reichtums hatte, aber letztendlich auch die sozialen Organisationen entpolitisierte und entkernte und sie zu "historischen Subjekten ohne Geschichte” machte.

Nach Bekanntgabe der Ergebnisse der Stichwahl sagte der ehemalige Präsident Evo Morales, dass es in dem Land drei Verlierer gebe: die Rassisten, "die die einfachen und armen Menschen hassen“, einige Medien und Präsident Luis Arce von der MAS.

Bo Evo Morales Wahl2025

Außerdem forderte er die gewählten Behörden auf, den plurinationalen Staat zu respektieren. "Was ist Plurinationalität? Es ist Einheit in der Vielfalt. Wir sind vielfältig, und diese Vielfalt, insbesondere die kulturelle, ist der Reichtum unserer Identität, der Reichtum unserer Würde, sie ist grundlegend für die Sozialprogramme", betonte er.

Morales hatte sich aufgrund von mindestens zwei Urteilen des Plurinationalen Verfassungsgerichts (TSE) nicht für die diesjährigen Wahlen registrieren lassen. Keine gewählte Amtsperson kann sich für eine dritte Amtszeit bewerben, sei es kontinuierlich oder unterbrochen. Nach seinem vergeblichen Kandidaturversuch rief auf, den Wahlprozess aus Protest gegen seinen Ausschluss zu boykottieren und startet eine Kampagne für die Abgabe ungültiger Stimmen sowie massive Angriffe auf Regierungschef Luis Arce aus der eigenen Partei. Der Bruch zwischen den ehemaligen Verbündeten der Bewegung zum Sozialismus (MAS), Evo Morales und Luis Arce, spaltete die politische Basis und verunsicherte die Wählerschaft.

Andrónico Rodríguez: "Egoismus und Kleinlichkeit in ihrer höchsten Ausprägung"

Bo Andronico Rodriguez Senator

Im progressiven Lager, oder was davon übrig ist, war der Senator der MAS, Andrónico Rodríguez, der einzige, der ein wenig Selbstkritik übte. Der Präsidentschaftskandidat der Alianza Popular in der ersten Runde im August, kritisierte einerseits die schlechte Regierungsführung von Arce, die Kampagne für die ungültige Stimme von Evo Morales und "Egoismus und Kleinlichkeit in ihrer höchsten Ausprägung", übernahm andererseits auch seinen Teil der Verantwortung.

"Der Wahltag geht zu Ende und die Entscheidung fällt zwischen zwei Kandidaten der Rechten, die dank der Misswirtschaft, Korruption und Spaltung, die die derzeitige Regierung verursacht hat, so weit gekommen sind. Und das dank der ungültigen Stimmen, der Besessenheit von einzelnen Kandidaten, der Selbstsucht und der Kleinlichkeit in ihrer höchsten Ausprägung", schrieb er in seinen sozialen Netzwerken.

Andrónico Rodríguez räumte ein, übereilte Entscheidungen getroffen und bei der Aufgabe, die Linke zu vereinen, versagt zu haben.

"Wir haben versucht, uns zu vereinen, aber es ist uns nicht gelungen; plötzlich haben wir aufgrund der Zeitknappheit sehr übereilte Entscheidungen getroffen, die nicht verstanden wurden. Zweifellos tragen wir alle einen Teil der Verantwortung", erklärte er. Und er fügte hinzu: "Nach dieser harten Lektion und Erfahrung werden wir uns wieder aufrichten und mit neuer Kraft voranschreiten."

Anmerkungen

[1] https://www.resumenlatinoamericano.org/2025/10/20/bolivia-pronunciamiento-de-la-asociacion-de-trabajadores-en-periodismo-y-comunicacion-social-de-la-paz-ante-los-resultados-de-la-segunda-vuelta-electoral/ 


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