Europa

FR Reform SNCF04.03.2018: Steht Frankreich in der zweiten Märzhälfte vor einer neuen großen sozialen Protestwelle mit umfassenden Streiks der Eisenbahner und großen landesweiten Demonstrationen, auch zusammen mit anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes?

 

Das ist derzeit noch nicht definitiv vorherzusagen. Doch einige Signale deuten darauf hin. Im Vordergrund steht aktuell die von Staatspräsident Macron gewollte und von seinem rechtskonservativen Regierungschef Philippe am 26. Februar angekündigte "Reform" des staatlichen französischen Eisenbahnunternehmens SNCF (Société Nationale des Chemins de fer).

Die in der SNCF als "repräsentativ" anerkannten vier Gewerkschaftsbünde, nämlich (in der Reihenfolge ihrer Stärke) CGT, UNSA, SUD und CFDT, haben sich am 27. Februar zu einer Absprache über ihre Reaktion getroffen und übereinstimmend erklärt, dass sie das "Reformvorhaben" der Regierung mit den vom Regierungschef angekündigten Inhalten für absolut unakzeptabel halten. Angesichts der sehr unterschiedlichen Grundausrichtung der beteiligten vier Gewerkschaften – CGT und SUD stärker aktions- und kampforientiert, UNSA und CFDT eher auf sozialpartnerschaftliche Verhandlungen ausgerichtet – ist dies eine bemerkenswerte Bekundung der Übereinstimmung und gewerkschaftlichen Einheit.

Macron baut Frankreich neoliberal um

Der angeblich "weder rechts noch links" verortete, aber in der Praxis eindeutig neoliberalen Rezepten folgende Staatschef Macron will nach der im vergangenen Jahr durchgezogenen "Reform des Arbeitsrechts" mit der "SNCF-Reform" nun einen weiteren großen Schritt beim "Umbau Frankreichs" im Sinne der von ihm anvisieren neoliberalen "Modernisierung" tun.

Und wie beim "Arbeitsrecht" will er auch das SNCF-Projekt wieder im Sturmschritt durchsetzen. Noch "vor dem Sommer" soll ein neuer "Eisenbahnpakt" in Kraft treten. Regierungschef Philippe kündigte an, dass dafür möglicherweise erneut von sogenannten "Ordonnanzen" Gebrauch gemacht werden wird. Das sind Erlasse des Staatspräsidenten, die faktisch Gesetzeskraft bekommen, ohne dass sie im Parlament diskutiert und beschlossen worden sind, vorausgesetzt, das Parlament hat zuvor einem entsprechenden "Ermächtigungsgesetz" zugestimmt. Es handelt sich um eine Ausnahmeregelung in der französischen Verfassung, die noch aus der Zeit der autoritären Herrschaft von General de Gaulle stammt, mit der die gewählte Volksvertretung faktisch entmachtet wird.

Dass das französische Eisenbahnwesen reformbedürftig ist, wird auch von Gewerkschaften und Linksparteien nicht bestritten. Sie kritisieren seit Jahren, dass zu wenig Geld für die Reparatur und Modernisierung des maroden Schienennetzes und Wagenparks aufgewendet wird.

Vier Punkte: Privatisierung, Konkurrenz, Gewinn steigern, Arbeiterrechte beseitigen

Aber die "SNCF-Reform" der Regierung geht in die entgegengesetzte Richtung. Angeblich sind die französischen Staatseisenbahnen im Vergleich zu anderen EU Staaten kostenmäßig erheblich teurer, was zu einer immer höheren Verschuldung führe. Deshalb wird mit dem neuen "Eisenbahnpakt" vor allem eine "Steigerung der Produktivität" des Unternehmens durch noch stärkere Konzentration auf wirklich gewinnbringende Aktivitäten angestrebt, bei gleichzeitigen Sparmaßnahmen in anderen Bereichen. Die Regierung folgt damit im Wesentlichen einem Bericht, den der frühere Air-France-Chef Spinetta als von der Regierung beauftragter "Experte" am 15. Februar vorgelegt hat.

Erstens soll demnach der bisherige Status des Unternehmens SNCF als Staatsbetrieb abgeschafft und in eine "nationale Gesellschaft öffentlichen Kapitals", das heißt in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden, deren Aktien allerdings in Staatseigentum bleiben sollen. Obwohl Spinetta und mit ihm die Regierung versichern, dass damit auf keinen Fall eine Privatisierung vorgesehen sei, findet dies bei den Beschäftigten und ihren Gewerkschaften keinen Glauben. Wenn der Staat Aktien besitzt, kann er sie auch verkaufen, vielleicht nicht gleich, aber etwas später. Das ist der Einstieg in einen Privatisierungsprozeß genau nach dem Muster, wie er vor einigen Jahren bei anderen Staatsunternehmen wie Air France, Post (PTT), der Elektrizitätsgesellschaft EDG und der Gasversorgungsfirma GDF sowie bei France Télécom vollzogen hat.

Zweitens soll das Streckennetz der SNCF gemäß EU-Anforderung für die "private Konkurrenz geöffnet" werden. Das heißt, bestimmte Strecken werden an private Konkurrenzunternehmen verpachtet oder verkauft. Natürlich verschärft sich damit im Namen der Konkurrenz der firmeninterne Druck auf Löhne, Arbeitsbedingungen und Sozialleistungen.

Drittens soll die Direktion der SNCF bis Mitte März einen Fahrplan vorlegen, wie sie das Unternehmen gemäß der Vorgabe "mehr Produktivität" umbauen will. Schon in den letzten Jahren verfolgte die SNCF-Direktion den Kurs, den Ausbau des Verkehrsnetzes zwischen Großstädten und Ballungsgebieten durch Hochgeschwindigkeitszüge (TGV mit bis zu 250 km/h) zu bevorzugen, zu Lasten des Regionalverkehrs und der ländlichen "Nebenstrecken", weil damit angeblich mehr Gewinn gemacht werden könne. Allerdings will die Regierung den Spinetta-Vorschlag, gleich auch noch weitere 9000 km Nebenstrecken stillzulegen, einstweilen nicht folgen. Sicher aus taktischen Gründen, um den Widerstand gegen das Projekt und den Zorn der ländlichen Gebiete einschließlich vieler dort tätiger Abgeordneter quer durch alle Parteien nicht zu groß werden zu lassen.

Viertens ist ein Hauptpunkt, dass der Status der Eisenbahner als Staatsbeamte abgeschafft wird. Zwar sollen die bereits bei der SNCF Beschäftigten diesen Status nicht verlieren. Aber Neueinstellungen soll es ab sofort nur noch gemäß dem für alle geltenden Arbeitsrechte geben.

Von wegen "Privilegien"

Zu diesem Punkt haben die regierungsnahen Medien bereits eine massive Stimmungsmache gegen die "Cheminots" wegen der angeblich enormen "Privilegien" durch den Beamtenstatus gestartet. Tatsächlich wurden die nach Status eingestellten Eisenbahner bisher nach einer ein- bis zweieinhalbjährigen Probezeit "auf Lebenszeit" eingestellt, also faktisch nicht mehr aus betriebswirtschaftlichen Gründen kündbar. Außerdem erhielten sie einen Tag mehr Urlaub pro Jahr als andere Beschäftigte, ein um etwa 100 € höheres Gehalt als der Durchschnitt, freie Fahrt bei der SNCF für sie und ihre Angehörigen (in Abstufungen) und die Möglichkeit, eventuell eine normale oder Sozialwohnung aus dem Eigenbestand der SNCF mieten zu können.

In Wirklichkeit wurden diese "Privilegien" aber erst im Lauf der Jahrzehnte von den Eisenbahnergewerkschaften durchgesetzt, um damit einen Ausgleich für die mit diesem Beruf verbundenen besonderen Belastungen zu schaffen. Theoretisch liegt die Arbeitszeit zwar bei 35 Stunden pro Woche. Aber de facto muss der Eisenbahnbetrieb ja während allen 365 Tagen im Jahr über 24 Stunden aufrechterhalten werden. Das hat viel Schichtarbeit, vor allem Sonntags- und Nachtdienste zur Folge, weshalb von einer 35-Stunden-Woche in der Praxis oft keine Rede mehr sein kann.

Gewerkschaften werden aktiv

Es ist also kein Wunder, dass das Macron/Philippe-Vorhaben bei den Betroffenen heftige Gegenreaktionen auslöste. In manchen Medien und Politikerkreisen wurden in diesem Zusammenhang bereits Erinnerungen an das "Syndrom von 1995" wachgerufen. Denn damals hatte schon einmal ein rechtskonservativer Staats- und Regierungschef eine "SNCF-Reform" solcher Art durchzusetzen versucht, Staatspräsident Chirac und Regierungschef Juppé. Das Ergebnis waren wochenlange Streiks der Eisenbahner Ende November bis zum 15. Dezember, die das Land stilllegten - die größte soziale Bewegung in Frankreich seit Jahren, die auch in den Nachbarländern Eindruck machte. Am Ende war Juppé gezwungen, die "Suspendierung" seines "Reformvorhabens" bekanntzugeben. Erst danach nahmen die Eisenbahner die Arbeit wieder auf.

Zunächst einigten sich die vier "repräsentativen" Gewerkschaften bei ihrem Treff am 27. Februar allerdings darauf, eine endgültige Entscheidung, ob sie zum Streik aufrufen werden, erst am 15. März zu treffen. Bis dahin soll bei den von der Regierung vorgeschlagenen "Konzertierungsgesprächen" festgestellt werden, ob die Regierung zu einem echten Dialog und Eingehen auf die gewerkschaftlichen Einwände bereit sein wird. Wohl wissend, dass ihm ein neues °1995" drohen könnte, hatte Regierungschef Philippe nämlich großen Wert darauf gelegt zu betonen, dass er "nicht auf einen Konflikt aus" und zu "Konzertierungen" bereit sei. Allerdings stellte er dabei gleichzeitig die Drohung in den Raum, zum Verfahren der "Ordonnanzen" überzugehen, falls sich die Dinge "in die Länge ziehen" und man auf eine "Blockadehaltung" stoßen sollte.

Die Gewerkschaften wollen sich aber mit den "Konzertierungsgesprächen" nicht an der Nase herumführen lassen. "Wenn wir am 15. feststellen, dass die Regierung auf das Durchziehen per Kraftakt setzt", gebe es Streik, sagte der Vertreter der CGT nach dem Treffen Die CGT hatte schon vorher angekündigt, dass sie notfalls auch einen ganzen Monat streiken werde. Neu ist aber, dass sich auch die Vertreter "sozialpartnerschaftlich" ausgerichteten Gewerkschaften in ähnlicher Weise äußerten. "Wenn sich nichts bewegt, wird eine Streikankündigung übermittelt und das wird dann ein unbefristeter und harter Streik sein", erklärte Didier Aubert, der Generalsekretär der Eisenbahnergewerkschaft der CFDT.

Unabhängig von der Entscheidung über einen Eisenbahnerstreik rufen CGT und SUD die Eisenbahner aber inzwischen schon einmal dazu auf, massiv an dem für den 22. März angesetzten "Aktionstag" des gesamten öffentlichen Dienstes teilzunehmen. Der wird sich landesweit in zahlreichen gewerkschaftlichen Kundgebungen und Demonstration ausdrücken. Er richtet sich in der Hauptsache gegen den von Macron/Philippe angekündigten Stellenabbau im öffentlichen Dienst um rund 120 000 Beschäftigte, das erneue Einfrieren des "Referenzpunktes" für die Festlegung der Höhe der Gehälter und die Einführung eines "Karenztages" im Krankheitsfall.


txt: Georg Polikeit

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