Europa

alt20.09.2011:  Seit Errichtung ihres Nationalstaates hat die deutsche Bourgeoisie die deutsche Nationalität außerhalb ihres Machtbereiches stets im Rahmen einer großdeutschen völkischen Ideologie behandelt. Das Staatsbürgerschaftsrecht der BRD ist bis heute davon geprägt. In der Zeit des Kampfes gegen das sozialistische Lager in Osteuropa wurden die Deutschen dort als quasi Fünfte Kolonne bei der Zersetzung der jeweiligen Staatsautorität benutzt (z.B. in Polen) oder es wurden Abwerbungen und Fluchtbewegungen unterstützt, deren Schwerpunkt bis 1961 die DDR war - worauf vor kurzem in einem Beitrag der jungen Welt unser Genosse Steigerwald sehr klar und deutlich hinwies. Ein anderes Beispiel sind die 'Heim ins Reich' - Aktivitäten, die nicht nur seitens der deutschen Faschisten von 1933-1945 betrieben wurden. Auch die BRD setzte diese Politik - wenn auch ohne vordergründige rassische Propaganda - bis in die Jahre nach 2000 in Osteuropa fort.

Eine Aufsehen erregende, kürzlich erschienene Arbeit von Historikern des rumänischen 'Nationalen Rates für das Studium der Securitate-Archive' (CNSAS) räumt diesbezüglich mit liebgewonnenen Legenden auf. Dokumente aus den Archiven des Geheimdienstes 'Securitate' zeigen nämlich auf, dass die Initiative zur Auswanderung der Rumäniendeutschen vor 1989 – entgegen der bisherigen landläufigen Meinung – von Deutschland ausging.
 
Infolge des so genannten Wirtschaftswunders sah sich die westdeutsche Wirtschaft ab Ende der 1950er Jahre mit einem massiven Arbeitskräftemangel konfrontiert. Dem wirkte man mit der Anwerbung von Arbeitskräften aus Südeuropa, Nordafrika und der Türkei entgegen. Die Engpässe verstärkten sich ab 1961 noch, da – bedingt durch den Mauerbau in Berlin – der Arbeitskräftezustrom aus der DDR versiegte. Die BRD unternahm ab diesem Zeitpunkt zahlreiche Demarchen bei allen osteuropäischen Staaten mit deutscher Minderheit. Nach Rumänien schickte die Bundesregierung Emissäre – die Juristen Ewald Garlepp und Heinz Günther Hüsch –, die die Aufgabe hatten, so viele Rumäniendeutsche wie möglich aus Rumänien herauszuholen, da diesen eine außergewöhnliche Arbeitsethik und hohes Integrationspotenzial zugeschrieben wurde.

Trotz der vorgeblichen humanitären Mission (Familienzusammenführung, Heiratsgenehmigungen), wurde Hüsch, wie aus den Aufzeichnungen der Securitate hervorgeht, mitunter deutlich: "Wir wollen die Deutschstämmigen zurück." Dafür war Deutschland gewillt, Ausgleichszahlungen für die dem rumänischen Staat entstandene Kosten durch die Schulbildung der Auswanderer und für den Rumänien entstandenen wirtschaftlichen Schaden zu leisten. Die Initiative ging dabei stets von deutscher Seite aus. Auch nach dem Anwerbestopp 1973 forderte Deutschland von Rumänien mit Nachdruck die Intensivierung der Auswanderungen.

Parallel mit der Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation in Rumänien stieg der Auswanderungswille bei immer mehr Betroffenen an. Seit dem Besuch von Bundeskanzler Helmut Schmidt im Jahr 1978 verfiel die deutsche Minderheit in eine regelrechte Auswanderungspsychose. In seiner Analyse über die Faktoren, die die Massenauswanderung der Rumäniendeutschen beeinflusst haben, identifiziert der Historiker Hans-Christian Maner neben den generellen politischen Rahmenbedingungen vor allem "wirtschaftliche Überlegungen und die Verlockungen des Reichtums der bundesrepublikanischen Gesellschaft".

Früh erkannte der Dichter und Vorsitzende des 'Rates der Werktätigen deutscher Nationalität' im Kreis Temesch, Nikolaus Berwanger, die Existenz bedrohenden Folgen, die mit der so genannten Familienzusammenführung für die Deutschen in Rumänien am Horizont sichtbar wurden. Mit historischer Weitsicht warnte er, dass das "großartige Kolonisationswerk des alten Österreich" (sic) zugrunde gehen werde, wenn die Auswanderung nicht gestoppt würde. Berwanger setzte sich vehement für den Verbleib der deutschen Minderheit in Rumänien ein. Er argumentierte, dass die Deutschen, die seit ihrer Ansiedlung mehrmals mit harten Schicksalsschlägen konfrontiert wurden, auch diese Zeit überstehen werden. Diese Perspektive war durchaus realistisch.

Als das Ceausescu-Regime 1989 gestürzt wurde, beteiligte sich die deutsche Minderheit aktiv daran, sie hatte auch Tote und Verletzte aus ihren Reihen zu beklagen. Mit der neu gewonnenen Freiheit wußte sie aber nichts anzufangen; sie sah nur das 'offene Tor'. Unter diesen Umständen verhallten die Appelle der Revoltierenden vom Balkon der Oper in Temeswar, die schon am 20. Dezember 1989 "Gleichheit zwischen allen Nationalitäten" forderten und die Deutschen zum Bleiben aufriefen, vergeblich. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass das eigentliche Interesse der großen Mehrheit der Rumäniendeutschen nicht primär auf den Erhalt der eigenen Identität oder dem Leben in einer freien, demokratischen Gesellschaft galt, sondern auf rein ökonomische Gesichtspunkte, auf den erhofften Wohlstand in Deutschland, fixiert war: gleich nach dem Sieg der 'Revolution' verließen 111.150 Deutsche fluchtartig das Land!
 
Als Ergebnis der 28 Jahre andauernden Zusammenarbeit der deutschen Seite mit der Securitate sind im Zeitraum 1962-1989 ca. 230.000 Deutschstämmige nach Westdeutschland ausgewandert. In den Geheimverhandlungen wurden nicht nur Ausgleichszahlungen an Rumänien in Höhe von – geschätzt – über einer Milliarde DM vereinbart, sondern auch die Lieferung von leistungsfähiger Überwachungstechnik an den rumänischen Geheimdienst. Die Förderung der massiven Auswanderung durch die Praxis der Kopfgeldzahlungen an das Ceausescu-Regime erwies sich als Fortsetzung der Umsiedlungs- und Evakuierungsaktionen in den 1940er Jahren, als im Rahmen von Hitlers "neuer Ordnung der ethnographischen Verhältnisse" in Europa 231.000 Rumäniendeutsche aus Bessarabien, der Bukowina, der Dobrudscha, Nordsiebenbürgen und dem Banat "heim ins Reich" geholt wurden.

Die damaligen Umsiedlungsaktionen hatten ihren Auslöser in Adolf Hitlers Reichstagsrede vom 6. Oktober 1939 zum Zerfall des polnischen Staates infolge der deutschen Besetzung. Darin äußerte er, dass im "Zeitalter des Nationaliätenprinzips und des Rassegedankens" eine "neue Ordnung der ethnographischen Verhältnisse" notwendig sei. Das bezog er nicht nur auf Polen, sondern er sprach auch vom weiteren Osten und Südosten Europas, der mit "nichthaltbaren Splittern des deutschen Volkstums" gefüllt sei. (Wikipedia)

Die staatlichen deutschen Stellen der BRD trugen nun weiterführend und entscheidend zum (fast vollständigen) Verschwinden des deutschen Bevölkerungsanteils Rumäniens bei. Diese Erkenntnis ist für manche vielleicht unbequem – das Buch 'Actiunea Recuperarea' (s.u.) dokumentiert jedoch diesen Sachverhalt unabweisbar und eindrucksvoll auf fast 1.000 Seiten.
 
Quelle und Copyleft: TLAXCALA, Uwe Detemple  /  Foto: Bundesarchiv (Bundespräsident Carstens empfängt Rumäniendeutsche, 1981)


Florica Dobre, Florian Banu, Luminita Banu, Laura Stancu
Actiunea 'Recuperarea'. Securitatea si emigrarea germanilor din România (1962-1989) [Aktion 'Rückgewinnung'. Die Securitate und die Auswanderung der Rumäniendeutschen (1962-1989)].
Bukarest: Editura enciclopedic? 2011. 943 Seiten. ISBN 978-973-45-0628-6.

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