Deutschland

Mietendeckel Plakat Linke25.10.2019: Er kommt, der Mietendeckel. Anfang nächsten Jahres werden in Berlin die Mieten gedeckelt. Das hat der rot-rot-grüne Senat am Dienstag (22.10) nach langen Auseinandersetzungen beschlossen.

Nach zähen Verhandlungen hat sich der rot-rot-grüne Senat auf einen klassischen politischen Kompromiss geeinigt.

Die Berliner SPD wusste lange nicht, wie sie mit dem Vorschlag von Bausenatorin Katrin Lompscher (DIE LINKE) umgehen solle. Denn für die Sozialdemokraten taugte der Deckel eigentlich, um von der durch die Initiative »Deutsche Wohnen & Co enteignen« angestoßene Enteignungsdebatte abzulenken. Im Juni hatte sich die Koalition auf ein Eckpunktepapier geeinigt, von dem die SPD dann in zentralen Punkten nichts mehr wissen wollte. Noch Ende September erteilt der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) dem Gesetzentwurf in wichtigen Teilen eine Absage. Er gehe davon aus, dass "die gesamten Vorhaben zur Absenkung der Mieten aus dem Gesetz herausgenommen werden", sagte er beim Spitzenverband der deutschen Immobilienwirtschaft ZIA. (siehe kommunisten.de, 4.10.19: Damit der Deckel nicht zum Sieb wird)

Für die Berliner LINKE und Teile der Grünen war der Mietendeckel aber der Startschuss, um eine mögliche Enteignungs- und Rückkaufskampagne überhaupt erst vorzubereiten. Denn mit dem Mietendeckel sinkt der Wert einer Immobilie und die Entschädigung wird billiger.

Mit der jetzt vorliegenden Übereinkunft haben alle - SPD (Mietenstopp), DIE LINKE (Deckel bei Wiedervermietungen und Absenkungen von Wuchermieten auf der Grundlage des Mietspiegels 2013), die Grünen (Modernisierungsumlage und Inflationsausgleich) - ihre besonderen eigenen Vorhaben in dem Beschluss unterbringen können.

Dass eine aktive Mieter*innenbewegung auf der Straße ist und die Initiative »Deutsche Wohnen & Co enteignen« breite Unterstützung in der Berliner Bevölkerung genießt, hat sicher dazu beigetragen, dass es zu diesem Kompromiss gekommen ist. Dazu kommt, dass DIE LINKE aus einer relativen Stärke gegenüber der SPD auftreten kann. Der LINKEN-Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus Udo Wolf bekräftigte, dass sich DIE LINKE nicht mehr erpressen lassen wird. "Geändert hat sich die Art und Weise, wie Konflikte in der Koalition ausgetragen werden. Wir lassen uns nicht mehr erpressen. Eine Dreierkonstellation muss anders funktionieren", sagte er gegenüber dem Tagesspiegel.

Schutz für 1,5 Millionen Haushalte vor Verdrängung und Mietwucher

Auch wenn die ursprünglich geplanten rückwirkenden Absenkungen von Mieten nicht mehr vorgesehen sind, so bekommen die Mieter*innen in Berlin trotzdem einen guten Schutz vor Verdrängung und Wuchermieten.

Kein Wunder, dass Berliner Mieterorganisationen begeistert sind. "Wir begrüßen die Einigung der Regierungskoalition auf einen Landes-Mietendeckel", sagte der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild. Mit der jetzt erzielten Einigung, so Wild, sei der Weg frei für eine öffentlich-rechtliche Mietpreisbegrenzung, die die Mietexzesse der letzten Jahre zumindest teilweise repariere.

"Die Löcher sind zwar nicht alle geflickt, wir können das Ergebnis aber als einen ersten Sieg der Mieter*innen Berlins sehen", erklärte die Initiative »Deutsche Wohnen & Co enteignen«, die innerhalb kurzer Zeit 77.000 Unterschriften für einen Volksentscheid zur Enteignung von privaten Wohnungsunternehmen mit jeweils mehr als 3.000 Wohnungen in der Hauptstadt gesammelt hat.

Mietstopp und Mietendeckel

Einer der Kernpunkte der Vereinbarung ist der Mietenstopp, der ab dem 18. Juni 2019 für fünf Jahre und sechs Monate gelten soll. Allerdings wird Vermieter*innen ab 2022 die Möglichkeit eingeräumt, jährlich 1,3 Prozent als Inflationsausgleich auf die Miete aufzuschlagen. Zudem dürfen Modernisierungsmaßnahmen für mehr Barrierefreiheit oder Klimaschutz ohne Genehmigung bis zu einem Euro je Quadratmeter auf die Miete umgelegt werden. Für höhere Modernisierungskosten sollen Vermieter Fördermittel beantragen können.

Hinzu kommen Obergrenzen von 9,80 Euro Kaltmiete je Quadratmeter, die sich nach Baujahr und Ausstattung der Wohnung richten und bei Neuvermietungen nicht überschritten werden dürfen. »Wuchermieten«, die um mehr als 20 Prozent über der Obergrenze liegen, können auf Antrag der Mieter*in abgesenkt werden. Die Regelungen zur Absenkung von »Wuchermieten« sollen erst neun Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes angewendet werden. Bis dahin sollen insgesamt 250 Mitarbeiter der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vorhanden sein, um die Absenkungsbegehren von Mieter*innen zu überprüfen.

Wichtig ist die mietendämpfenden Regelungen des Deckels bei Wiedervermietungen, wo künftig die Vormiete gelten soll. Bislang ist es so, dass bei Neuvermietung häufig die Mieten besonders erhöht werden, weil die Regelungen der Mietpreisbremse nicht funktionieren. Falls die Vormiete höher ist, sollen die sogenannten Tabellenmieten auf Grundlage des Mietspiegels 2013 gelten. Damals galt der Mietenmarkt in Berlin im Vergleich zu heute noch als einigermaßen bezahlbar.

Der Mietendeckel soll für 1,5 Millionen Wohnungen gelten, die vor dem Jahr 2014 gebaut wurden.

 

Kernpunkte des Mietendeckels

  1. Es wird ein Mietenstopp für fünf Jahre eingeführt. Ab 2022 wird die Möglichkeit eines Inflationsausgleichs von 1,3 Prozent pro Jahr geschaffen.
  2. Modernisierungsmaßnahmen dürfen ohne Genehmigung nur in Höhe von einem Euro pro Quadratmeter umgelegt werden. Für darüber hinaus gehende Modernisierungen sollen Förderprogramme aufgelegt werden.
  3. Bei Wiedervermietung gilt die Vormiete. Oder, falls die Vormiete höher ist, die Tabellenmiete, die auf dem Mietspiegel 2013 basiert.
  4. Bei Wiedervermietung dürfen besonders niedrige Mieten von unter fünf Euro pro Quadratmeter um höchstens einen Euro auf maximal fünf Euro pro Quadratmeter angehoben werden.
  5. Sogenannte Wuchermieten in Höhe von mehr als 120 Prozent der Miettabelle werden auf 120 Prozent abgesenkt. Dabei werden Zu- und Abschläge für einfache Lage (minus 28 Cent pro Quadratmeter), mittlere Lage (minus 9 Cent pro Quadratmeter) und gute Lage (plus 74 Cent pro Quadratmeter) berücksichtigt. Die Regelungen zur Absenkung von »Wuchermieten« sollen erst neun Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes angewendet werden. Bis dahin soll auch das nötige Personal vorhanden sein.
 

 

Aufseiten der Immobilienlobby sorgt der Mietendeckel weiter für scharfen Widerspruch. "Die Berliner Landesregierung kehrt zurück zur sozialistischen Wohnungspolitik", sagt Jürgen Michael Schick, der Präsident des Immobilienverbandes IVD. FDP und CDU stllen sich nicht überraschen auf die Seite der Immobilienlobby. "Der Mietendeckel wird maximalen Schaden anrichten2, sagt der CDU-Landesvorsitzende Kai Wegner. Die Berliner CDU werde alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, um dieses "Wahnsinnsgesetz" so schnell wie möglich zu Fall zu bringen.

Demgegenüber fordert der LINKEN-Vorsitzende Bernd Riexinger das Berliner Beispiel auf andere Städte und Bundesländer zu übertragen. "Die Mieten gehen vielerorts durch die Decke. Der Mietenwahnsinn ist kein reines Berliner Problem", sagt Riexinger Auch in anderen Städten und Ballungsräumen, wie beispielsweise München, Hamburg, Stuttgart oder auch Leipzig, hätten die Mieter*innen Probleme, ihre Miete weiter zahlen zu können und bezahlbaren Wohnraum zu finden. "Deswegen müssen in vielen Bundesländern oder Stadtstaaten die Mieten gedeckelt werden", fordert Riexinger.

Aufgegriffen wurde das Berliner Beispiel inzwischen in Bayern. Die bayerischen Mietervereine haben gemeinsam mit mehreren Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften und Parteien eine Unterschriftenaktion für ein Volksbegehren (https://mietenstopp.de/) gestartet, um die Mieten in einem Großteil des Freistaats für sechs Jahre einzufrieren. Ausgenommen sind Genossenschaftswohnungen und Mieten weit unter dem Durchschnitt. Trotz Unterschieden im Detail sei das Berliner Modell dabei durchaus ein Vorbild, sagt Beatrix Zurek vom Mieterverein München. "Unser Gedanke ist der gleiche."

In Berlin ist das weitere Verfahren nun, dass sich der Rat der Bürgermeister und das Abgeordnetenhaus mit dem Vorhaben beschäftigen müssen und das Abgeordnetenhaus das Gesetz beschließen muss. Anfang 2020 soll das Mietendeckel-Gesetz in Kraft treten.

Absehbar ist, dass das Gesetz vor Gerichten landen wird. Neben der Opposition haben auch Verbände und Einzelvermieter Klagen angekündigt. Aber noch vorher wird sich beim Landesparteitag der Berliner SPD zeigen, ob die Berliner Sozialdemokrat*innen das akzeptiert, was nun vorliegt.

Streit um Volksentscheid

Derweilen geht der Streit um den Volksentscheid weiter.

77.000 Unterschriften hat die Initiative »Deutsche Wohnen & Co enteignen« in Berlin gesammelt und dem Senat übergeben. Doch das Volksbegehren kommt seit Monaten nicht voran. Der Senat prüft und prüft und prüft und … .

Susanna Raab, eine der Sprecherinnen der Initiative, sagt: "Wir warten jetzt schon seit drei Monaten auf die rechtliche Prüfung unseres Volksbegehrens. Das ist keine Ausnahme mit unserem Volksentscheid. Der Senat hat gerade in den letzten Jahren diese Phase oft benutzt, um Volksbegehren in die Länge zu ziehen und diese Initiativen mürbe zu machen."

Das sorgt nun auch in der Landesregierung für Streit: Die Grünen werfen der SPD vor, diese und andere Initiativen absichtlich zu verzögern.

Doch Martin Pallgen, Sprecher des Berliner Innensenators Andreas Geisel (SPD), wehrt sich. Die rechtliche Prüfung sei sehr komplex. "Prozesse zu Volkentscheiden ziehen sich nicht jahrelang. Die rechtliche Prüfung von Volksbegehren ist sehr komplex", sagt er.

Die Grünen wiederum verweisen auf den Koalitionsvertrag, in dem vereinbart ist, dass das sog. »Abstimmungsgesetz« zur Prüfung von Volksbegehren novelliert wird. Die Grünen fordern knappe Fristen für die Verwaltung: einen Monat für die Kostenschätzung und zwei Monate für die Zulässigkeitsprüfung.

Susanna Kahlefeld, Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, kritisiert, dass die SPD diese Novellierung mit Sachen verbindet, die damit nichts zu tun haben und auch nicht im Koalitionsvertrag stehen". "Die haben ein Paket geschnürt mit Forderungen, die nicht im Koalitionsvertrag stehen – eine Verschärfung von Polizeigesetzen – und haben die Erleichterung von Volksentscheiden dran geknüpft, dass wir da zustimmen", so Kahlefeld.

So bleibt der Initiative nichts anderes übrig, als zu warten. Falls die SPD aber darauf setzt, die Initiative damit "mürbe" zu machen, dann dürfte sie sich täuschen.


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