10.04.2019: Ende März, hat sich die marxistische linke Frankfurt im DGB Haus Frankfurt mit den aktuellen Schülerprotesten zum Klimaschutz ("Fridays for Future") befasst. Ausgehend von einem kurzen Rückblick auf den Ausgangspunkt der mittlerweile weltweiten Bewegung [1], wurden die bisherigen Aktivitäten der Schülerinnen und Schüler in Frankfurt diskutiert. Sämtliche Aktionen waren von einer erfreulichen und erfrischenden Kreativität, Buntheit und Themenfokussierung gekennzeichnet. Der bisherige Höhepunkt der Schülerproteste in Frankfurt war eine Demo am 15.03.19 mit über 6000 jungen Menschen auf dem Frankfurter Römerberg.
Der Schwerpunkt der Diskussion bei dem Treffen lag jedoch bei der Fragestellung "Was tun eigentliche die Gewerkschaften gegen den Klimawandel"? Anders als bspw. in Belgien, wo Gewerkschaften den globalen Streiktag am 15.03.19 unterstützt haben, ist bisher in Deutschland keine nennenswerte Unterstützung der Schülerproteste durch die bundesdeutschen Gewerkschaften erkennbar.
Dies liegt nach Ansicht der Diskussionsteilnehmer u.a. auch daran, dass sich vor allem die Industriegewerkschaften in den vergangenen Jahrzehnte den industriepolitischen Diskurs, von der Kapitalseite und ihrem politischen Personal im Bund und in den Ländern haben vorgeben lassen und dies unter Verzicht auf die Formulierung einer eigenen progressiven Industriepolitik. So wurde bspw. 2010 die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) als Beratungsgremium der Bundesregierung gegründet, auf die sich die IG Metall in etlichen Veröffentlichungen positiv bezieht. Heike Holdinghausen schreibt hierzu: "Sie haben viel Zeit vertrödelt. Acht Jahre lang hatte fast alles was Rang und Namen hat in der deutschen Automobilindustrie, Gelegenheit, in der NPE den technologischen Wandel voranzutreiben …Besprochen wurde in der NPE … lang und viel, gehandelt wurde kaum".[2] Es ist genau diese Verzögerungsstrategie und Ignoranz, vor allem der maßgeblichen Kapitallobbyisten, die die jungen Menschen nun völlig berechtigt auf die Straßen treibt und zwar weltweit! Auch in den Gewerkschaften gibt es solche Verzögerungsstrategien, was bspw. das unsägliche Agieren der IG BCE vorm letzten DGB Bundeskongress gezeigt hat, mit dem Versuchs eine anspruchsvoll Beschlussfassung zum Thema Klimaschutz zu torpedieren. Weiterhin ist hier auch die Mobilisierung der IG BCE gegen die Aktivisten des Hambacher Forstest zu nennen, Sachverhalte über die separat zu berichten wäre.
Bemerkenswert ist auch, dass es automobilfremde Branchen waren, die die letzten Jahre genutzt haben um im Bereich Elektromobilität entscheidende praktische Schritte zu tun. So entwickelte bspw. die Deutsche Post AG gemeinsam mit der Aachener Hochschulgründung "Streetscooter" ein Elektrofahrzeug und brachten es zur Produktions- und Marktreife. Der "Streetscooter" bietet pragmatische Mobilität nach dem Motto, so groß wie nötig, so preisgünstig wie möglich, eine Philosophie die nicht in die Profitlogik der Automobilkonzerne und ihres damit verbundenen Fokus auf die ressourcenfressenden Premiumklassen und die SUVs passt. Ohne den Bruch mit eben dieser Profitlogik, wird ein substantieller Klimaschutz nicht machbar sein, eine Erkenntnis, der sich auch die Gewerkschaften stellen müssen, wollen sie noch an ihrem gesellschaftspolitischen Mandat festhalten. Dies wäre gerade beim Thema Klimaschutz dringend erforderlich.
Kathrin Hartmann schrieb hierzu in der Ausgabe 41/2018 in "der Freitag" "Dabei ist das Engagement von Gewerkschaftern für einen ökologisch und sozial gerechten Umbau womöglich genau das, was es jetzt für Veränderung braucht. Beim Klimagipfel in Paris forderte der Internationale Gewerkschaftsbund 2015, dass die OECD-Länder bis 2030 aus der Kohle aussteigen, er setzt sich für eine "Just Transition" ein: eine sozialökologische Transformation. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi veröffentlichte 2016 eine Studie mit dem Titel "Sozialverträglicher Ausstieg aus der Kohleverstromung". Darin spricht sich die Gewerkschaft zwar für den Kohleausstieg aus, auf ein Datum legt sie sich aber nicht fest."
Die Gewerkschaften sollten den Schwung, der durch die weltweiten Aktionen der jungen Menschen in die Klimadebatte gekommen ist nutzen, um ihre bisher, im Rahmen des Standortkooperatismus eingenommenen Positionen zum herrschenden kapitalistischen Produktions- und Konsumtionsmodell selbstkritisch zu hinterfragen. Der Gewerkschaftstag der IG Metall (06. -12.10.19) und der ver.di Bundeskongress (22.-28.09.19) bieten hierzu die Gelegenheit.
Darüber hinaus ist es notwendig, auch oder gerade von gewerkschaftlicher Seite, Solidarität mit den protestierenden Jugendlichen zu üben, wie dies bisher über 20.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz getan haben.
Auf vielen der weltweiten Fridays for Future Demonstrationen sind Plakate mit der Aufschrift "Systemwandel statt Klimawandel" zu sehen. Hier ist dann auch der Ansatzpunkt für die marxistische Linke insgesamt, gemeinsam mit anderen progressiven linken Kräften ein sozialistisches Gegenmodel zum herrschenden neoliberalen Finanzkapitalismus zu entwickeln, die Zeit drängt!
Falk Prahl, marxistische linke Frankfurt
Anmerkungen
[1] "Fridays for future" Gemeinsam gegen den Klimawandel
[2] Heike Holdinghausen in "Uns stinkt’s – Was jetzt für eine zweite ökologische Wende zu tun ist" 2019 Westend Verlag Frankfurt