23.10.2015: Obwohl die Linke einen Pakt zur Regierungsbildung schloss, hat Staatspräsident Aníbal Cavaco Silva am Donnerstagabend seinen konservativen Parteifreund Pedro Passos Coelho mit der Regierungsbildung beauftragt. Es sei zu riskant, den Linksblock oder die Kommunisten zu nahe an die Macht kommen zu lassen, sagte er. Die Regierung hat keine Mehrheit im Parlament. Die Linke hat bereits Widerstand angekündigt und gibt der neuen Regierung keine lange Lebensdauer.
Bei der Wahl am 4. Oktober hatte die konservative Wahlallianz des alten Regierungschefs Pedro Passos Coelho die bisherige Mehrheit im Parlament verloren. Das rechte Wahlbündnis aus CDS-PP (Centro Democrático e Social – Partido Popular, Volkspartei) und PSD (Sozialdemokratische Partei) kommt mit 39% der Stimmen auf 107 Sitze, 9 weniger als für die absolute Mehrheit von 116 Mandaten erforderlich. Trotzdem hat Staatspräsident Aníbal Cavaco Silva am gestrigen Donnerstagabend den Verlierer Pedro Passos Coelho mit der Regierungsbildung beauftragt. Und dies, obwohl ihm der Vorsitzende der Sozialistischen Partei (PS) António Costa eine Mehrheitsregierung seiner Partei mit dem Linksblock (Bloco de Esquerda, BE) und der Wahlallianz der Kommunisten (Coligação Democrática Unitária, CDU) vorstellte. Die Sozialistische Partei kommt mit 32% der Stimmen auf 86 Abgeordnete, der Linksblock mit 10% auf 19 und die CDU mit über 8% auf 17 Parlamentssitze.
Die portugiesische Verfassung räumt dem Staatspräsidenten weitgehende Rechte bei der Berufung des Premierministers ein: er muss lediglich vorher mit allen im Parlament vertretenen Partei Gespräche führen und die Wahlergebnisse berücksichtigen. Er habe sich für Pedro Passos Coelho entschieden, weil dieser der Führer der Koalition sei, die die Wahl vom 4. Oktober gewonnen habe, sagte Staatspräsident Aníbal Cavaco Silva. "Unter Berücksichtigung, dass in den 40 Jahren portugiesischer Demokratie die Verantwortung der Regierungsbildung immer demjenigen zukam, der die Wahlen gewann, bestimmte ich heute Pedro Passos Coelho zum Premierminister", verkündete er in seiner von allen wichtigen Fernsehkanälen übertragenen Rede an alle PortugiesInnen.
Kategorisch schloss Cavaco Silva eine andere, auf dem Tisch liegende Möglichkeit aus, nämlich eine Regierung unter Führung der Sozialistischen Partei mit Unterstützung durch den Linksblock und die Portugiesische Kommunistische Partei PCP. Diese Variante sei eine "deutlich inkonsistente" Alternative und gebe keine "Garantien für eine alternative, stabile, haltbare und glaubhafte Lösung". "Diese Option entspricht nicht dem Willen, den die PortugiesInnen am 4. Oktober ausdrückten", behauptete der Staatspräsident, um die Entscheidung für seinen Parteifreund zu legitimieren. Mit seiner Entscheidung gehe es ihm darum, "zu verhindern, dass negative Signale an die Finanzinstitutionen, die Investoren und die Märkte gesendet" und "das Vertrauen in das Land gemindert" werden.
Es sei "ein schlechter Moment für einen radikalen Wechsel". “In den 40 Jahren der Demokratie hat keine Regierung in Portugal jemals von der Unterstützung von antieuropäischen Kräften abgehangen, das heißt von Kräften, die für die Ablehnung des Lissabon Vertrags, des Fiskalpakts, des Wachstums- und Stabilitätspakt kämpften, und die die Währungsunion demontieren, Portugal aus dem Euro führen und die Nato auflösen wollen", sagte Cavaco Silva.
Heftige Angriffe richtete er gegen die Sozialistische Partei, die sich zu parteitaktischen Spielen habe hinreißen lassen. Die Sozialistische Partei hatte den Konservativen einen Forderungskatalog für eine gemeinsame Regierung übermittelt, die Verhandlungen aber ergebnislos abgebrochen. "Ich bedauere zutiefst, dass in einer Zeit, in der Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen konsolidiert werden müssen (...), konjunkturellen Interessen der Vorzug vor dem obersten nationalen Interesse gegeben wurde", sagte der Staatspräsident. Jetzt aber trage die PS die Verantwortung für das Überleben der neuen Regierung.
"Brüssel hat wirklich ein Monster erzeugt"
Cavaco Silva nutze "effektiv" seine Position, um "ein reaktionäres Programm aufzuzwingen, im Interesse der Gläubiger und des Eurozonen-Establishments, und verkleidet dies mit einer bemerkenswerten Chuzpe als Verteidigung der Demokratie", kommentiert der britische Telegraph diesen Schlag gegen die Demokratie: "Brüssel hat wirklich ein Monster erzeugt."
"Diese Regierung ist nicht überlebensfähig."
Die linken Parteien kündigten umgehend Widerstand und ein Misstrauensvotum gegen die neue Regierung an. PS-Sprecher João Soares sagte: "Diese Regierung ist nicht überlebensfähig."
Mit der Übertragung der Regierung an seinen konservativen Parteifreund konnte Staatspräsident Silva die Bildung einer linksorientierten Regierung noch einmal verhindern. Aber nicht auf Dauer. Pedro Passos Coelho muss nun eine Regierung bilden und zehn Tage nach deren Amtsantritt ein Programm vorlegen. Da dies in der Fortsetzung der Austeritätspolitik bestehen wird, wird es auf die Ablehnung der Parlamentsmehrheit stoßen.
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