24.11.2012: Für alle sich entwickelnden Länder der Erde stellt sich die strategische Aufgabe der Entwicklung von eigenständiger Wissenschaft und Technik. Schwer unter der us-amerikanischen Blockade leidend, hat es das sozialistische Kuba schwer, in diesen Bereichen mit den entwickelten Ländern Schritt zu halten. Eine wichtige, vor einigen Jahren begonnene Ausbildungslinie zur Förderung der Ausbildung von akademischen Naturwissenschaftlern zeitigt erste Früchte.
Traditionell werden in Kuba naturwissenschaftliche Hochschulausbildungen wie in Mathematik, Physik, Chemie vernachlässigt. Als ein zentrales Element, um dieses im Interesse des Landes zu verändern, wurde von der Regierung seit 2009 ein Programm aufgesetzt, das darauf zielt, den Übergang von Oberschulen auf die Universitäten zu erleichtern und qualifizierten Studenten dabei besondere Unterstützung zukommen zu lassen.
Der grundlegende Gedanke, Oberschülern den Abschluss im letzten und 12. Schuljahr bereits an einer Hochschule oder Universität zu ermöglichen, ist Teil einer umfassenden Bildungsstrategie, durch die der wissenschaftliche akademische Nachwuchs des Landes gesichert werden soll. Eine der politischen Leitlinien, die vom 6. Parteikongress der Kommunistischen Partei Kubas im letzten Jahr angenommen wurden, formuliert die Notwendigkeit, "die Zahl der Hochschulstudenten der Landwirtschaft, Pädagogik, von technischen universitären Hauptfächern und damit verknüpften Basiswissenschaften zu erhöhen".
Bis heute veranlassen soziale und familiäre Erwartungen, aber ebenso die von den Medien vermittelten Bilder und Vorstellungen viele Studenten, Hauptfächer der Sozialwissenschaften zu studieren. Eine Ausnahme bildet natürlich das Studium der Medizin, welches immer schon ein Traum und ein Lebensziel von vielen Oberschülern war.
Das Programm '12. Schuljahr an der Hochschule' entstand, um dieser für das Land ungünstigen Entwicklung von Wissenschaftlern in den Natur- und exakten Wissenschaften entgegen zu wirken, vor allem in den Fächern Mathematik, Physik, Chemie und Biologie. Die Initiative begann mit Informations- und Werbekampagnen während des akademischen Lehrjahres 2009-2010 an Oberschulen, die für die Hochschulen ausbilden. Interessierte Schüler erhielten die Option zur Wahl von Mathematik, Physik, Chemie, Biologie, Biochemie, Mikrobiologie und - nur damals - Ingenieurwissenschaft als Hauptfach, nach Abschluss ihrer Oberschule an der Universität und einem Aufnahmeexamen.
Tausende von Studenten haben sich in diesem Programm eingeschrieben, welches neben der Universität in Havanna auch die Zentrale Universität von Las Villas in der Provinz Santa Clara - für die zentralen Provinzen Kubas - und die Universität des Ostens in Santiago de Cuba - für die potenziellen Studenten aus den östlichen Landesteilen - anbieten. Das Auswahlverfahren ist streng und die Studenten sind anschließend gut für die Aufnahmeprüfungen der Universitäten vorbereitet, auch wenn die Teilnahme nicht automatisch die Aufnahme in den Universitäten garantiert.
Biologie ist das am meisten nachgefragte Hauptfach, in der Beliebtheit folgen danach Chemie, Mathematik und Physik. Der mit diesen angehenden Studenten zusammen arbeitende Lehrkörper besteht aus universitären Professoren, die mit dem Lehrstoff im Abschlussjahr der Oberschulen vertraut sind und in den von ihnen gelehrten Fachgebieten überaus bewandert sind.
Der Ausbildungsstoff dieser zukünftigen Studenten ist derselbe, wie er in allen vor-universitären Oberschulen verlangt wird, aber die Inhalt werden durch viele mündliche Aktivitäten unterstützt vermittelt. Zusätzlich und ergänzend werden Mathematik und Englisch in Abhängigkeit von dem jeweiligen Hauptfach der Lernenden angeboten.
Bárbara Oviedo Brito, außerordentliche Professorin an der Universität von Havanna erläuterte gegenüber dem KP-Organ GRANMA: "Die zukünftigen Studenten werden in einem Auswahlexamen ermittelt. Das Examen wurde von Universitätsprofessoren entworfen und in der ganzen westlichen Region Kubas durchgeführt. In jedem Hauptfach wurden so 30 Personen ausgewählt." Ergänzend zu diesem Auswahlverfahren erfahren die zukünftigen Studenten eine bewertende Untersuchung hinsichtlich des Lehrstoffs des Abschlussjahres, damit die Lehrer Schwachstellen zur besonderen Förderung und zu intensiverem Lernen feststellen können. "Wir berücksichtigen den Entwicklungsstand der Studenten und arbeiten daran, die Potenziale zu nutzen. Und wir überprüfen fortlaufend die Fortschritte. Wenn die Schüler zu uns kommen, spüren sie den Einfluss der Beurteilungen. Da ihre Erwartungen i.a. zu hoch sind, lernen sie, sich richtig einzuschätzen."
Trotz dieses anfänglichen Schocks, haben das Interesse der Studenten und die Anstrengungen ihrer Lehrer, gepaart mit der erforderlichen Disziplin und einer positiven Grundeinstellung ermutigende Ergebnisse hervor gebracht.
Die ersten Studenten dieses Bildungsprogramms befinden sich nunmehr im dritten Jahr ihrer universitären Studien. Die Zahlen des letzten Jahres belegen, dass 100% der Studenten, die ihren Oberschulabschluss an der Universität von Havanna ablegten, auch die Aufnahmeprüfungen bestanden. Ihre gezielte Förderung hat sich als erfolgreich erwiesen.
Zu Beginn dieses akademischen Jahres studieren jetzt 117 aus dem Förderprogramm hervor gegangene Studenten der Provinzen Pinar del Río, Artemisa, Mayabeque, Havanna und Matanzas, sowie der Insel der Jugend in den Fachbereichen für Physik, Chemie und Biologie.
Vielleicht ist es noch etwas zu früh, von einem vollständigen Erfolg des Projektes zur verstärkten Ausbildung von Naturwissenschaftlern zu sprechen, aber die bisherigen Resultate sind sehr positiv. Die für das Land notwendige erhebliche Zunahme der Zahl der Biologen, Mathematiker und Chemiker verlangt die Stärkung und Absicherung durch alle machbaren Anstrengungen. Zudem gilt es, das Verständnis für die bedeutende Rolle dieser Wissenschaftler in der Gesellschaft zu fördern.
Die strategischen Entscheidungen Kubas zur Restrukturierung der schriftlichen Prüfungsinhalte in Schule, Ausbildung und Studium, zur Förderung von Handwerksberufen und zur Entwicklung nicht-staatlicher Formen des Managements schaffen neue Herausforderungen für das System der Hochschulausbildung des Landes, und zwingen die dort Verantwortlichen, schwerpunktmäßig das Augenmerk auf die 'exakten' Wissenschaften zu legen.
Text: hth / Quelle: GRANMA / Foto: Wiki (Universität von Havanna)