14.03.2012: Am 17, März ist der bundesweite Aktionstag für die Cuban 5 in sechs deutschen Städten. Für die UZ sprach Günther Pohl mit Tobias Kriehle über die Solidaritätsbewegung. Tobias, Macher des Dokumentarfilms "Zucker und Salz", lebt und studiert in Havanna.
UZ: Tobias, am 17. März findet ja in fünf deutschen Städten vor US-Konsulaten und der Botschaft in Berlin ein Aktionstag für die fünf kubanischen Männer statt, die in den USA festgehalten werden. Wie werden Solidaritätsaktionen wie diese auf Kuba wahrgenommen?
Tobias: Die zahlreichen internationalen Solidaritätsaktionen für die Fünf nehmen einen großen Platz im kubanischen Bewusstsein ein. Eine der Hauptschwierigkeiten der Kampagne ist es ja, nach nun mehr als 13 Jahren immer wieder neuen Schwung aufzunehmen.
Man muss sich darüber im Klaren sein, dass die jungen Kubanerinnen und Kubaner, die heutzutage studieren, sozusagen mit der Tatsache aufgewachsen sind, dass diese fünf Männer gefangen sind. In all diesen Jahren hat es kaum positive Nachrichten über den juristischen Fall gegeben. Umso wichtiger ist es, davon zu wissen, dass Freunde in anderen Ländern, mitunter unter schwierigen Bedingungen, für die Freiheit der fünf Kubaner kämpfen.
Wir konnten dies auf einem großen Hochschulkongress im Februar feststellen, auf dem eine große und gut besetzte Veranstaltung zur aktuellen Situation der fünf Gefangenen stattfand. Unsere Wortmeldung, in der wir die geplanten Aktivitäten am 17. März vor US-amerikanischen diplomatischen Einrichtungen in Deutschland vorstellten, erhielt eine große Resonanz bei den Anwesenden. Diese Erfahrung von internationaler Solidarität hat für das kleine Kuba, das selbst so solidarisch mit anderen Ländern der Dritten Welt ist, eine unschätzbare mobilisierende Bedeutung.
UZ: Welche Rolle spielt der Kampf um die Befreiung der "Miami 5" in Kuba heute?
Tobias: Die Freilassung der Fünf ist die zentrale Forderung der kubanischen Regierung an die USA.
Die Bevölkerung nimmt regen Anteil am Fall, was sich in vielen kleinen, selbstgebauten Monumenten und auf Wandmalereien ausdrückt, die vor allem auf dem Land anzutreffen sind. Am 5. eines jeden Monats finden zahlreiche kleinere und große Veranstaltungen und Aktionen für die Fünf statt. Die ungerechte Inhaftierung der Antiterroristen, wie sie hier genannt werden, ist zu einem Symbol geworden, und zu einer Möglichkeit, die Verbundenheit mit der Revolution auszudrücken. Gleiches kann man wohl von der weltweiten Solidaritätsbewegung sagen.
UZ: Welche Möglichkeiten bieten sich für die Befreiung der fünf Kubaner, nachdem alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft sind? Glaubst du, dass die US-Regierung im Moment - wo international über einen Tausch ihres Spions Alan Gross gegen die fünf Helden debattiert wird, u. a. in "Der Spiegel" vom 19. Februar - besonders empfindlich auf internationalen Druck reagieren könnte?
Tobias: Hier in Kuba wurde der Fall der fünf Männer von Anfang an als politische Geiselnahme verstanden, für die es folglich nur eine politische Lösung geben kann. Dennoch ist natürlich der politische Preis für die US-Regierung offensichtlich höher geworden. Beispielsweise hätte die Obama-Administration über den Weg der Neufestsetzung der Haftstrafen einen eleganteren Ausweg finden können, ohne öffentlich ihr Scheitern eingestehen zu müssen. Diese Tür ist jetzt mit der fast kompletten Zurückweisung aller juristischen Mittel verschlossen. Die Tatsache an sich vermag nicht zu überraschen; man muss aber sehen, dass es eines enormen politischen Drucks bedürfen wird, um eine Freilassung, in welcher juristischen Form auch immer, zu erreichen.
Ich bin mir sicher, dass die kubanische Regierung an allen Fronten für die Freilassung der Fünf arbeitet. Ohne Zweifel würde sie auch den US-Agenten dazu eintauschen, aber ich bezweifle, dass sie an die Sache an sich große Hoffnungen knüpft. Man muss sich immerzu die politische Dimension des Falles vor Augen führen. Es geht längst um viel mehr als um die Freiheit von fünf Gefangenen, es geht vielmehr um eine Veränderung des Kräfteverhältnisses auf dem Kontinent.
Eine Spekulation über den möglichen formalen Weg einer Freilassung ist müßig - was jetzt Not tut, ist Widerstand gegen die aggressive Kuba-Politik der US-Regierung, und da kommen Initiativen wie die Kundgebungen zum 17. März gerade recht.
UZ: Du lebst und studierst jetzt seit sieben Jahren in Kuba. Wie beurteilst du die "Aktualisierung" des sozialistischen Wirtschaftsmodells auf Kuba?
Tobias: Es handelt sich in meinen Augen um einen notwendigen Prozess, dessen Ausgang aber noch nicht entschieden ist. Die Probleme sind in einigen Bereichen nicht weniger geworden, sondern mehr, oder wenigstens deutlicher sichtbar, wie im Falle der Korruption. Die Fragen werden sein: Wie entwickelt sich die Arbeitsproduktivität? Kann das Lohnniveau entscheidend angehoben werden? Ist ein Zustand zu erreichen, in dem die arbeitende Bevölkerung von ihrer Entlohnung sorgenfrei leben kann?
Es gibt gute Nachrichten von großen Infrastrukturprojekten, die Kuba in Angriff nimmt, wie z. B. der in Zusammenarbeit mit Brasilien im Ausbau befindliche Containerhafen Mariel sowie die Inbetriebnahme der ersten kubanischen Bohrinsel im Golf von Mexiko im Joint Venture mit China.
Ansonsten ist zumindest festzustellen, dass die alltägliche Bürokratie merklich zurückgegangen ist und sich die Versorgungslage in einigen speziellen Bereichen verbessert hat. Man hat trotz aller Widersprüche insgesamt den Eindruck, dass die Regierung weiß, was sie tut; und sie handelt nach einem langfristig angelegten Plan. Das sozialistische Kuba hat in dieser Situation mehr denn je das Vertrauen der fortschrittlichen Kräfte in der Welt verdient.
UZ: Ein Gruß an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Aktionen am 17. März ...
Tobias: Zunächst einmal Glückwünsche an die Kuba-AG beim Parteivorstand der DKP für diese Initiative. Aktivitäten wie diese sind Kraftstoff für das sozialistische Kuba, und insbesondere für die Gefangenen selbst, die gute Nachrichten regelrecht aufsaugen.
Allen, die am 17. März auf die Straße gehen, wünsche ich viel Erfolg, und denen, die noch nicht wissen, ob sie an der Kundgebung vor Ort teilnehmen werden, möchte ich zu bedenken geben, dass die Kampagne für die Freiheit der Fünf auf allen Kontinenten präsent ist. Man darf sich an diesem Tag also mit voller Berechtigung als Teil einer weltweiten gerechten Sache fühlen.
¡Volverán! - Sie werden zurückkehren!
(Vorabdruck aus der UZ vom 16.03.12)