04.07.2015: Vier französische Gewerkschaftsbünde hatten am vergangenen Donnerstag (2.7.) in Paris zu einer Solidaritätsdemonstration mit dem griechischen Volk aufgerufen, die CGT, Force Ouvrière (FO), FSU und „Solidaire“. An der Demonstration beteiligten sich rund 5000 Menschen. Hinter einem gemeinsamen Spitzentransparent mit der Inschrift „Hilfe für das griechische Volk- Nein zum Sparzwang!“ zogen der CGT-Generalsekretär Philippe Martinez, der FO-Chef Jean-Claude Mailly und weitere führende Gewerkschaftsvertretern zusammen mit den Chefs der linken politischen Parteien (Kommunisten, Linkssozialisten) sowie zahlreichen linken Vereinigungen vom Platz der Bastille zum Platz der Republik.
Die Gewerkschaften hatten ihren Aufruf zu der Demo im Namen der „Achtung der demokratischen Entscheidungen der Völker“ erlassen. Sie verwiesen darin auf die „katastrophale Situation“ Griechenlands, die entstanden sei, weil das Land als „eines der Laboratorien für die Anwendung der von IWF, Europäischer Kommission und Europäischer Zentralbank aufgezwungenen Sparpolitik“ verwendet worden ist. Die Entscheidung eines Volkes für eine andere Politik müsse respektiert werden, sagte FO-Sekretär Mailly.
Am gleichen Tag versammelten sich mehrere hundert Gewerkschafter und Angehörige linker Parteien und Vereinigungen nach einem Aufruf von rund zwanzig Organisationen (den Gewerkschaften CGT, FSU, Solidaire, den Linksparteien PCF und NPA sowie Vereinigungen wie Attac, Actup, Copernic und Friedensbewegung) im Stadtzentrum von Toulouse hinter der Banderole „Unterstützung für das griechische Volk – Von Athen bis Toulouse, in ganz Europa: Nein zum Sparzwang!“
„Unser Nein soll in ganz Europa wiederhallten“
Die französische kommunistische Tageszeitung „Humanité“ veröffentlichte am 1. Juli, vier Tage vor der Abstimmung in Griechenland, den nachfolgenden Text von Alkis Antoniadis, Mitglied der Syriza-Abordnung beim Europäischen Parlament und Assistent des griechischen EU-Abgeordneten Emmanouil (Manolis) Glezos:
„Trotz des von den Medien und den Institutionen ausgeübten Terrors ist für das griechische Volk der entscheidende Punkt klar. Entweder wir stimmen für die Abschaffung der Memoranden und die Öffnung eines neuen Hoffnung bietenden Weg, oder wir stimmen für die Fortsetzung der Austerität (des Sparzwangs), der Armut und der Not für die kommenden fünfzig Jahre.
Entweder wir anerkennen, dass unser Land zum ersten Mal kämpft, um den fehlerhaften Kreislauf der Terror-Politik gegen das Wohl der Völker ganz Europas zu zerbrechen, oder wir billigen durch unsere Abstimmung unsere Unterwerfung unter diejenigen, die unser Leben seit Jahren in einen Alptraum verwandelt haben.
Entweder wir geben ein Mandat, um ohne Schwanken die Bemühungen zugunsten der ärmsten Volksschichten und Klassen, die unser der wilden Sparwut leiden, fortzusetzen, oder wir geben den Regierungen von Samaras, Venizelos, Papandreou, Papadimos recht, die uns bis hierhin geführt haben.
Entweder wir entscheiden uns dafür, die Demokratie in unserem Land wieder herzustellen und selbst direkt und unmittelbar über unsere Zukunft zu entscheiden, oder wir gestatten, dass die Entscheidungen in den geschlossenen Zirkeln der europäischen Institutionen getroffen werden.
Entweder wir machen uns klar, dass unsere Interessen andere sind, entgegengesetzt denen der Reichen, die die Kampagne für das JA organisieren, oder wir entscheiden uns mit unseren Stimmen dafür, die Profite noch mehr aufzublähen, die sie in der Epoche der Memoranden erreicht haben.
Entweder wir entscheiden uns dafür, endlich diejenigen zahlen zu lassen, die jahrelang Vermögen auf Kosten des Volkes machten, oder wir akzeptieren ein für alle Mal alle Forderungen des IWF, die großen Firmen, die Großunternehmen, die Banken nicht mehr anzurühren.
Entweder wir bauen eine andere Gesellschaft auf der Grundlage der Solidarität, der Menschlichkeit, des kollektiven Bemühens und der Hoffnung auf, oder wir übernehmen den sozialen Kannibalismus des Alle gegen Alle und jeder für sich.
Entweder denken wir bei der Abstimmung an unseren Nächsten, den, der wegen der von den Befürwortern des JA praktizierten Politik seine Arbeit und seine persönliche Würde verloren hat, oder wir werden Komplizen jener erniedrigenden Bilder, die uns in den letzten Jahren mit Scham erfüllt haben.
Entweder wir können stolz sein gegenüber unseren Kindern und ihnen sagen, dass wir nicht kapituliert haben, dass wir heute schwierige Entscheidungen gefällt haben, damit sie die Zukunft haben, die sie verdienen, oder wir werden ihnen sagen müssen, dass wir Angst hatten vor Schäuble und Samaras hatten und die Sicherheit eines zum Tode Verurteilten vorgezogen haben.
Letztlich werden wir entweder diejenigen sein, die die Botschaft des Sieges an Europa und die ganze Welt senden, der die anderen Völker inspiriert, die einen Blick voller Hoffnung auf uns richten, entweder wir kämpfen, um auch für sie zu gewinnen, oder wir gehen in die Geschichte ein als jene, die sich von der Angst besiegen ließen.
Alles, was wir gehofft haben, alles, wofür wir gekämpft haben, alles, was wir gefordert haben, steht vor uns. Alles, was man dachte, diskutierte, erwartete, ist hier. Es gibt keine Entschuldigungen mehr. Entweder wir wählen die Hoffnung oder das Elend. Unser NEIN an diesem Sonntag soll in ganz Europa wiederhallen. Laut und stark, mit einer großen Mehrheit.“
Text: Georg Polikeit Foto: pcf
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