02.07.2015: Was in dieser Woche zu lesen und zu hören ist über Griechenland, das hat mit Journalismus, mit Recherchen und dem wiedergeben dessen was ist nichts mehr zu tun. Von Welt über FAZ bis hin zu Artikeln in der Süddeutschen wird der flächendeckende Versuch gestartet die Geschichte der Krise umzuschreiben. Selbst Medien, die sich bisher nicht eine Ecke stellen lassen konnten, geifern nun darüber, dass die Griechen zwar eigentlich abstimmen dürfen, dies aber mit der Bemerkung versagen wollen, dass wir hier (gemeint ist wohl die BRD) auch Demokratie haben! Was soll uns das sagen? Nur weil wir es zulassen, dass unsere (immer noch bürgerliche) Demokratie permanent mit Füssen getreten wird, dürfen andere keine demokratischen Wege gehen?
Die vor wenigen Wochen gestartete Medienkampagne, ich nenne es mal „den griechischen Rentner*innen geht’s zu gut“, wurde eine Bruchlandung. Sie war zu sehr nachvollziehbar falsch. Dafür wird heute im TV aufbereitet, wie arm andere Länder dran sind - Litauen, Slowenien, …..- und deren Bevölkerung nun für „die Griechen“ zahlen müssen. Mit anderen Worten: es wird Armut gegen Armut ausgespielt. Wichtig ist diesen Beiträgen von Funk, Fernsehen und Printmedien: das NEIN der Griechen im Referendum gegen den Vorschlag der Institutionen soll abgewendet werden.
Seit der Wahl am 25.1. 2015 in Griechenland war es nie deutlicher: Es geht nur darum, die gewählte linke Mehrheit im Parlament zu diskreditieren, es geht darum von außen Einfluss zu nehmen auf die politischen Entwicklungen in Griechenland. Deutlicher als die Aussagen der (auch hier bürgerlichen) Medien und Kapitalvertreter in Griechenland kann es nicht sein, die nach Wochen einer relativen Zurückhaltung, nun mit aller Macht für ein Ja zu den EU-Vorschlägen werben.
Genossen des ZK von Syriza wie Giorgos Chondros ( Foto: zusammen mit Bettina Jürgensen auf der Demonstration "Europa.Anders.Machen" in Berlin am 20. Juni 15) werden von Rundfunk und Fernsehen in diesem Land zwar eingeladen und damit wird suggeriert, auf deren/dessen Meinung lege man zumindest etwas Wert. Doch wenn bei Anne Will der CDU-Kauder den griechischen Gast ständig unterbricht und schulmeisterlich von oben herab abkanzelt, dass es vor dem Fernsehgerät nur schwer zu ertragen ist, kann Giorgos Chondros nur noch Respekt gezollt werden. Trotz vehementer Angriffe von Rechtsaußen, trägt er in Ruhe seine Aussagen zu den Entwicklungen und möglichen Lösungen für Griechenland durch ihre Regierung. Unterstützung erfährt er hier bei Sarah Wagenknecht. Bleibt zu hoffen, dass ihnen viele zugehört haben.
Diese Bilder sind jedoch eigentlich nicht erstaunlich – wer Solidarität von den Kräften des Kapitals und der Institutionen erwartet ist selber schuld, kann gesagt werden.
Dass die Solidarität mit der griechischen Regierung und mit ihrem seit Monaten geführten Kampf für eine bessere soziale Situation der Bevölkerung jedoch auch von einigen dem linken Spektrum zugehörigen Organisationen und Parteien verweigert wird, ist nicht mehr nachvollziehbar.
Dass nun auch der Vorsitzende der Deutschen Kommunistischen Partei, Patrik Köbele, zu denen gehört, der die Aussage einer Wahl zwischen „Pest und Cholera“ von der KKE übernimmt, wird dem Anspruch einer kommunistischen Partei zur internationalen Solidarität nicht nur nicht gerecht, sondern wirft diesen Anspruch über den Haufen. Köbele begründet diese Absage an Solidarität mit „ revolutionäre(r) Kleinarbeit und Klassenkampf“, die nur helfen, um gegen die Politik der EU einen Schuldenschnitt durchzusetzen.
Hat der Vorsitzende der deutschen Kommunist*innen (in der DKP) nicht verstanden, dass es gerade aktuell nicht um die Revolution geht – weder in Griechenland, noch bei uns -, sondern dass es darum geht, der Mehrheit der Menschen in Griechenland ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen? Hat er, als ehemaliger Kommunalpolitiker, nicht verstanden, dass es um DASEINSVORSORGE geht? Es geht darum die Gesundheitsversorgung wieder aufzubauen, um die Bereitstellung von Lebensmitteln, um die Energieversorgung. Nicht nur in deutschen Kommunen, sondern europa- und weltweit sind diese Dinge die Grundlagen des Lebens, aber damit auch des Kampfes für gesellschaftliche Veränderungen.
Marx, Engels, Lenin und andere ernsthafte marxistische Wissenschaftler*innen haben immer gegen die Verelendungstheorie argumentiert. Soll diese nun über die Frage zur wichtigen Solidarität mit Griechenland und seiner aktuellen Regierung neu aufgelegt werden? Hier wird die Meinung postuliert, der Bevölkerung hilft nur der revolutionäre Kampf (Kleinarbeit wird es dabei immer geben!) aus ihrer Notlage. Dabei wird übersehen oder in Kauf genommen, dass die Not sich noch verschärfen wird, wenn ihr nicht jetzt Einhalt geboten wird.
Statt vielem anderen, was dazu gesagt werden kann, gebe hier die Aussage eines griechischen Genossen (weder KKE, noch Syriza, DKP oder Linke – einfach „nur“ Genosse) wieder, der die Situation in seinem Land wie folgt einschätzt: „Die klinisch isolierten, pieksauberen KKE und PAME Demos sind so gefährlich für das System und das Memorandum wie eine Wasserpistole für einen Großbrand.“
Soweit die Meinung eines Griechen.
Meine Meinung soll nicht fehlen:
Ich bin nicht nur irritiert, sondern entsetzt, dass der Vorsitzende meiner Partei die seit Jahrzehnten gelebte internationale Solidarität – Stichworte Vietnam, Chile, Nicaragua, Kuba, Venezula, Südafrika, Palästina – derart in Frage stellt. Ich versichere als Mitglied der DKP weiterhin international solidarisch zu sein, auch mit den Bevölkerungen und Regierungen der Länder, die sich für einen Weg gegen den Mainstream-Kapitalismus entscheiden, selbst wenn es nicht umgehend der vollständige Bruch mit dem Kapitalismus ist. Meine Solidarität und Unterstützung gehört sowohl Kuba, gesellschaftlichen Veränderungen wie in Rojava und der aktuellen griechische Regierung und der Bevölkerung Griechenlands.
Bettina Jürgensen – vorstand marxistische linke e.V.
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