24.12.2014: Die zweite Runde der Präsidentschaftswahl ist geschlagen: Die Regierung hat wieder verloren. Nur 168 der 200 notwendigen Parlamentsabgeordneten stimmten gestern für ihren Kandidaten Stavros Dimas. Es steht also 2:0 für die Menschen gegen Premierminister Antonis Samaras und die Troika. Nun kommt es zu einem dritten und letzten Wahlgang am 29. Dezember. Dort benötigt die Regierung nur noch 180 Stimmen. Der Regierung ist inzwischen jedes Mittel recht, um die erforderlichen Stimmen zu erhalten.
Freigang zur Abstimmung
Obwohl Samaras diesmal acht Abgeordnete mehr als im ersten Durchgang auf seine Seite ziehen konnte, ist er weit davon entfernt die nötigen Stimmen zusammenzubringen. Dabei ist er nicht wählerisch mit den Mitteln. ÜberläuferInnen werden Ministerämter angeboten. "Sie haben mir zwei bis drei Millionen angeboten, wenn ich für den Präsidentschaftskandidaten stimme", sagte Pavlos Haikalis, Abgeordneter der rechten Oppositionspartei ANEL, auf einer Pressekonferenz. Der an ihn herangetretene Mittelsmann soll Verbindungen zum Finanzsektor und der Regierungspartei ND haben. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittliungen aufgenommen. Auch zwei Abgeordnete der neonazistischen Goldenen Morgenröte, von denen einer extra für die Abstimmung aus dem Gefängnis entlassen worden war, stimmten im zweiten Durchgang für den Kandidaten der Regierung.
Dazu kommt die immer stärker anlaufende, nationale und internationale Angstkampagne gegen eine nach Neuwahlen mögliche, linke Regierung. Die Aussicht auf Neuwahlen und eine von SYRIZA geführte Regierung hat auch die Herrschenden auf EU-Ebene aufgeschreckt. Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker entgleiste völlig, als er die GriechInnen aufforderte "bekannte Gesichter" statt "extremer Kräfte" zu wählen. Er sei sich sicher, die GriechInnen wüssten, was ein "falsches Wahlergebnis" bedeuten würde, sagte Juncker im Österreichischen Rundfunk. Zudem besuchte Pierre Moscovici, EU-Kommissar für Wirtschaft und Finanzen, Athen. Er versicherte Regierungschef Samaras seiner Unterstützung und lobte die "Erfolge" der Troika-Politik (50% Jugendarbeitslosigkeit?). Die EU, so Moscovici, werde alles tun, "um Griechenland fest in der Eurozone zu halten". Ein Treffen mit dem SYRIZA-Vorsitzenden und möglichen nächsten Premierminister Alexis Tsipras lehnte Moscovici ab. (siehe "Präsidentschaftswahl Griechenland: Spannung steigt")
In der griechischen Bevölkerung kommt diese Erpressung schlecht an. "Jean-Claude Juncker sagt mir, wen ich wählen muss? Ich habe nicht vorgehabt SYRIZA zu wählen, aber jetzt mache das erst recht", zitiert der britische Guardian einen Griechen.
Samaras blitzt mit Appell an Opposition ab
Premierminister Antonis Samaras scheint inzwischen recht verzweifelt. In einer im Fernsehen übertragenen Rede schlug er vor, dass alle Parteien gemeinsam den Präsidentschaftskandidaten der Regierung unterstützen sollten und bot im Gegenzug Neuwahlen Ende 2015 an. Die Regierung solle Zeit erhalten, um die Verhandlungen mit der Troika über das Programmende abzuschließen. Ein konkretes Datum für Neuwahlen blieb Samaras schuldig. SYRIZA und die anderen Oppositionsparteien haben diesen Appell umgehend zurückgewiesen und pochen auf sofortige Neuwahlen. Wenn bis zur letzten Abstimmung am 29.12. nicht noch weitere Abgeordnete umfallen, wird das Parlament Ende Januar neu gewählt - und die GriechInnen können über die Zukunft der Kürzungspolitik entscheiden.
Radikale Linke in den Startlöchern
"Griechenlands radikale Linke könnte die EU-Austeritätspolitik erledigen", schreibt Owen Jones am 22. Dezember im Guardian. "Darum braucht Griechenland dringend Solidarität. Erstens geht es ums Prinzip, Souveränität und Demokratie gegen Angriffe zu verteidigen, ob von innen oder außen. Aber eine SYRIZA-Regierung könnte auch andere Anti-Austeritäts-Kräfte auf dem gesamten Kontinent anspornen. Es ist denkbar, dass PODEMOS in Spanien noch 2015 die Reierung übernimmt. Auch Leute wie DIE LINKE in Deutschland – dem Land im Herzen des EU-Austeritätskurses – könnten Auftrieb erhalten", meint Barbara Steiner von transform! Europe.
Wie ernst die Lage in Griechenland derzeit ist, wird auch daran deutlich, dass am Montag das Gebäude der Zentrale von SYRIZA in Athen geräumt werden musste. Eine Bombendrohung war eingegangen.
txt: lm
siehe auch:
- Griechenland entscheidet
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